Honda Africa Twin Offroad Test

Endlose Drifts mit der CRF1000L

Ein Tag im Gelände mit der neuen Honda Africa Twin. Test in Südafrika der CRF1000L 2016 mit und ohne DCT Getriebe.

Honda meint es ernst. Sie lassen uns beim internationalen Pressetest in Südafrika tatsächlich einen ganzen Tag lang ins Gelände fahren. Insgesamt 8 Gruppen von Journalisten fahren die neue Africa Twin hier in den nächsten Tagen. Wenn die Motorräder schon von der ersten Gruppe verschrottet werden sollten, dann wäre der Test für den Rest vorbei, bevor er noch begonnen hätte.

Sie müssen sich ihrer Sache also sicher sein. Nicht nur sicher sein, dass die Africa Twin im Gelände gut fährt sondern auch sicher sein, dass sie nach einem kleinen Sturz nicht auseindanderfällt. Wir fuhren insgesamt 60km durch Wasser, Sand, Schotter und auch auf felsigen Passagen und es gab eine grosse Überraschung.

Die neue Honda Africa Twin 2016 im Gelände

Hier in Südafrika sind 70% der Strassen gravel roads. Die Afrika Twin sollte sich hier also blendend verkaufen. Denn die Fahrt auf den Schotterpisten machte irrsinnig viel Spass. Dieses hohe Mass an Stabilität und das grosse Vertrauen im Sattel lässt endlose Drifts und eigentlich kranken Speed zu. Schon nach wenigen Kilometern fühlte es sich echt, richtig und gut an. Diese Maschine gehört hier her - nicht nur im Prospekt, sondern auch im richtigen Leben.

Die Sitzposition gefiel mir bereits gestern auf der Strasse (Link zum Testbericht). Zwischen den Beinen wirkt die Maschine überraschend schlank, der breite und hochwertig wirkende Alulenker wird zum Dirigentenstab für das souveräne Motorrad.

Voll einstellbares Fahrwerk für die Honda CRF1000L Africa Twin

Honda bietet an der Africa Twin ein voll einstellbares Fahrwerk an. Klarerweise mit einer üppig dimensionierten Upsidedown Gabel vorne. Optisch sieht das klarerweise nach Rallyemotorrad aus, doch natürlich ist die Africa Twin einer Reiseenduro näher als einer Rallyemaschine. Das Fahrwerk ist auf langen Passagen sehr komfortabel, macht aber im Gelände erstaunlich viel mit. Hinzu kommt, dass die Maschine über 230mm Federweg vorne und auch über ausreichend Bodenfreiheit verfügt.

Der Motor wirkt zwar mit DCT vorne zwar etwas breit, das Motorrad hat aber insgesamt einen kompakten Look. Das Kurbelgehäuse ist zum Beispiel vertikal geteilt und verfügt über einem eingebauten Öltank. Die Wasserpumpe ist ins Kupplungsgehäuse integriert. Laut Honda ist diese Lösung bei der Africa Twin eine absolute Neuheit in der Motorrad Technik. Der Thermostat ist in den Zylinderkopf integriert. Honda hatte bei der Entwicklung in jedem Augenblick die Abenteuerreise Fähigkeiten der Maschine im Fokus.

Die härteste Honda seit langer Zeit

Früher mal baute Honda auch sehr unvernünftige Motorräder. Doch in der Zwischenzeit kamen Bikes wie Varadero oder auch Crosstourer als grandiose Reisemotorräder, aber eben ohne wilde Jungs Image. Sie wurden für ein realistisches Einsatzgebiet einer breiten Käuferschicht gemacht. Die Africa Twin wurde tatsächlich so gebaut, dass ein paar durchgeknallte Aussteigertypen damit quer über alle Kontinente fahren können. Das spürt und merkt man beim Gesamtauftritt aber auch an jeder einzelnen Schraube vom Motorrad. Die echte Sensation ist nun, dass diese Maschine aber auch bei der Fahrt zur Arbeit genauso richtig passt wie für die flotte Sonntagstour.

21 Zoll Vorderrad für die Honda CRF1000L Africa Twin 2016

Die CRF1000L ist mit den typischen Enduro-Dimensionen ausgestattet. Also vorne ein 21 Zoll Rad und hinten eines mit 18 Zoll. Damit kann man eine breite Palette an echten Offroad Pneus montieren. Auf der anderen Seite gibt es mittlerweile auch richtig gute Strassenreifen für diese Dimensionen um bei schnellen Ausfahrten problemlos auf der Raste um die Ecke zu ziehen. Die Felgenbreite beträgt vorne 2.15 Zoll und hinten 4 Zoll, der Achsdurchmesser beträgt vorne und hinten jeweils 20 mm.

Eine weitere wichtige Kennzahl für den Einsatz in unwegsamen Gelände: 43 Grad Lenkeinschlag und 2.6 Meter Wenderadius! Damit kann man auch auf sehr engen Passagen schnell und einfach umdrehen.

Honda Africa Twin DCT Getriebe im Gelände

Die Africa Twin kann man überraschend karg ausgestattet bestellen. Also sogar ohne ABS und ohne Traktionskontrolle. Honda nennt das System korrekterweise Drehmomentkontrolle - also Honda Selectable Tourque Control (HSTC). Natürlich kriegt man die Africa Twin auch ohne das moderne DCT Getriebe. Beim Test fuhren wir die Maschine natürlich in beiden Varianten und waren nach der Fahrt überrascht.

Für die Fahrt im Gelände aktiviert man erstmal den G-Mode im Cockpit. Damit nimmt man bei den Schaltvorgängen quasi ein wenig schleifende Kupplung für Komfort weg und hat noch kürzere Schaltvorgänge und quasi nahtlose Drehmomentübertragung. Erfahrene Enduropiloten können bereits erahnen, welche grandiosen Vorteile dies im Gelände mit sich bringt.

Gangwechsel auf bei steilen Auffahrten

Für routinierte Enduristen war es zwar erstmal ein wenig beklemmend, einfach nicht ans Thema Schaltung zu denken. Doch man konnte sich getrost auf die Honda Ingenieure verlassen. Beim Bergauffahren wählte man den gewünschten Speed einfach mit dem Gasgriff aus. Man machte sich keine Gedanken darüber ob man den Hügel im 1er, 2er oder 3er inhaliert - man gibt einfach Gas. Die Gangwechsel laufen rasch und ohne Drehmomentabriss ab, womit sie auch in heiklen Situationen durchgeführt werden können. Das bringt ein riesiges Plus an Traktion und auch an Stabilität. Offen gesagt fühlte sich die Fahrt ohne DCT immer ein wenig wilder an. Das Hinterrad keilte nach dem Schalten immer aus, die schnalzende Kupplung liess den Schotter noch mehr spritzen und die Africa Twin schlingerte wild den Berg empor. Doch schneller war die Fahrt mit der 10 Kilo schwereren DCT Maschine.

Hilfreiche Motorbremse beim Bergabfahren

Bei den Abfahrten war das DCT Getriebe dann ebenso hilfreich. Die Elektronik erkennt anhand von Gasgriffstellung, Gang und Geschwindigkeit ob man gerade bergab oder bergauf fährt. Für Bergabfahrten legt die Maschine dann bei Rollphasen einen eher niedrigeren Gang ein um mehr Motorbremswirkung zur Verfügung zu stellen. Das war vor allem für die weniger erfahrenen Piloten ein grosser Segen. Souverän und stabil konnten sie die felsige Abfahrt meistern und konnten sich voll und ganz einem Thema widmen: nur nicht stürzen! Profis werden mit DCT bergab nicht schneller sein als ohne DCT, doch gerade auf langen Passagen war es nett und praktisch das Hinterrad einfach nur mit Gasgriff und Bremse und ganz ohne Kupplung und Schalthebel zu kontrollieren.

Durchgeknallte Drifts bis 150

Bei Pressetests werden wir meistens von Guides begleitet welche dafür sorgen, das der Übermut nicht allzu gross wird. Doch bei den Passagen auf Schotter musste der Abstand zwischen den 95 PS Wüstenbombern sehr gross sein um nicht im Staub zu versinken. Grosser Abstand zwischen den Fahrern erlaubt auch sehr viel Spielraum bei der Wahl der Geschwindigkeit und das endete in einer irren Driftorgie. Bei langen Kurven kann man relativ langsam reinfahren und dann mit Gasgriff volles Feuer in Auftrag geben. Das DCT Getriebe schaltet dann mit aktiviertem G-Mode einfach nahtlos die Gänge durch. Es wird so lange beschleunigt bis die Rallyestreifen in der Unterhose grösser werden als jene auf der Schotterpiste. Es fühlte sich fast ein wenig wie ein Elektromotorrad an. Nur mit mehr Lärm und eben mit 95 Benzin-PS.

Die Limits der Afrika Twin im Gelände

Auf Schotterpisten ist das Limit also immer der Fahrer. Die Maschine fährt stabil, das Fahrwerk ist dafür optimal gerüstet und das Gesamtpaket verdaut komplett kranke Geschwindigkeiten. Die Limits der Maschine erreicht man dann, wenn man in Terrain kommt welches eben nicht als klassisches Reiseenduro-Terrain bezeichnet wird. Leichte Hardenduros kommen ja mit knapp 100 Kilo weniger auf den Rippen aus. Einzylinder Reiseenduros bieten zwar weniger Langstrecken Komfort aber wiegen immer noch 50 Kilo weniger. In der Praxis macht sich das auf alle Fälle mal bei langsamen Passagen und beim Rangieren bemerkbar. Aber auch dann wenn man vor grossen Hindernissen steht, für welche das Vorderrad schnell und präzise gelupft werden muss. Dafür hat der Motor zu wenig Punch und in der DCT Variante fehlt in solchen Situationen natürlich auch die Kupplung. Wir fuhren auch durch sandige Passagen. Das grosse Plus auf Schotter und bei den schnellen Passagen war hier etwas störend. Die Gesamtgeometrie der Maschine ist für mehr Gewicht am Vorderrad ausgelegt. Das bringt in Kombination mit dem grossen Vorderrad diese herrliche Stabilität und ermöglicht den irren Speed auf Schotterpisten. Doch hier im Sand ist es herausfordernd das Gewicht nach hinten zu bringen. Durch die geteilte Sitzbank hat man ja auch eingeschränkte Bewegungsfreiheit nach hinten.

Augen zu und durch lautet also die Devise. Den Lenker also möglichst viel Freiheit lassen, Gewicht nach hinten, Zug am Gasgriff und gleichzeitig Druck auf die Hinterbremse. So kam dann recht schnell durch die Sandpassagen. Hier waren einige Kollegen durchaus gefordert und endlich konnten die Routiniers wieder mal glänzen - denn auf all den anderen Passagen hat es das Hightech-Paket den Sesselfurzern viel zu leicht gemacht.

Honda CRF1000L Afrika Twin ABS und Traktionskontrolle im Gelände

Die Honda Afrika Twin wird für Puristen tatsächlich ohne ABS und Traktionskontrolle angeboten. Mein Apell an die treuen Stammleser: Bitte keinesfalls darauf verzichten. Der Aufpreis ist marginal - denn im ABS Paket sind ja auch die LED Blinker, die Rallyeguards und der Motorschutz mit dabei - und das Plus an Gewicht beträgt bloss 4 Kilo. Diese sind noch dazu sehr nahe am Schwerpunkt des Motorrades platziert worden.

Die Vorteile der hilfreichen Features waren jedoch gewaltig. Das ABS lässt sich mit einem Tastendruck im Cockpit in ein Offroad ABS verwandeln. Also das ABS wird am Hinterrad deaktiviert und greift nur noch bei der Vorderbremse regelnd ein. Damit lässt sich das ABS zwar nicht vollständig deaktivieren aber eben genau so konfigurieren wie man es im Gelände braucht. Es reduziert das Sturzrisiko am Kurveneingang da es Bremsfehler ausbügeln kann und gleichzeitig hat man hinten alle Möglichkeiten offen.

Die traurige Erkenntnis für mich war aber der Test der Traktionskontrolle im Gelände. Tatsächlich war es so, dass ich mit eingeschalteter Traktionskontrolle in Stufe 1 schneller fahren konnte als ohne Traktionskontrolle. Es wird Schlupf zugelassen aber die Stabilität im Fahrzeug ist deutlich grösser. Die Fahrt wird zwar unspektakulärer aber schneller. Das einzige Manko an der Sache: Bei jedem mal Motor aus musste die Einstellung an der Traktionskontrolle neu vorgenommen werden. Klar sind es nur 2 Clicks mit dem linken Zeigefinger. Aber von einem Motorrad welches so viel Freiheit schenkt ständig bevormundet zu werden, nervt ganz einfach.

Die Zuverlässigkeit der Honda Africa Twin

Das grösste Plus der Maschine im Gelände ist aber ihr Honda Image und die durchdachten Details. Es gibt viele Reiseenduros am Markt, aber wenn man nach Botswana aufbricht schenkt man einer Honda einfach am meisten Vertrauen. Dieses Image bekamen die Japaner nicht geschenkt. Das haben sie sich mit vielen Motorrädern, vor allem aber auch mit der alten Africa Twin, hart erarbeitet. Wenn man das Motorrad probiert und erlebt vertraut man voll und ganz darauf dass sie nahtlos an die Tugenden der Vorgängerin anknüpfen kann.

Honda Africa Twin Test 2016 auf 1000PS

Fazit: Honda CRF1000L Africa Twin 2015

Die neue Africa Twin ist ein würdiger Nachfolger einer Legende. Sie wirkt souverän, unzerstörbar und zuverlässig. Sie erweckt die Abenteuerlust im Piloten und wird bestimmt kein unwürdiges Dasein in den Garagen der Besitzer fristen. Sie ist genau richtig positioniert und konfiguriert und kann all das was eine Africa Twin können muss. Überraschung: Die Hightech Features sind auch im Gelände gut


  • Stabiles Fahrverhalten
  • unverwüstlicher Gesamteindruck
  • makellose Details
  • hervorragendes DTC auf Gelände und auf Asphalt
  • Hoher Reisekomfort
  • niedriger Verbrauch
  • Wheelys mit DCT Version nur schwer möglich
  • Kein Stromanschluss in Serie

Bericht vom 12.12.2015 | 33'074 Aufrufe

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