Horex Interview

Clemens Neese ist der Mann hinter Horex. Er hatte die Idee zum VR6 Motor für Motorräder.
Die neue Horex

Der Mann hinter der Idee.

Herr Neese, wie kommt man auf die verrückte Idee, ein völlig neues Motorrad auf die Räder zu stellen in einer Zeit schrumpfender Märkte?
Neese: Ich bin zugleich Maschinenbauingenieur, Motorenfan und seit frühester Jugend leidenschaftlicher Motorradfahrer. Schon seit vielen Jahren beobachte ich intensiv die technische Entwicklung in der Branche. Dabei habe ich immer wieder festgestellt, dass viele gute Ideen und Innovationen im Umfeld der Motorradtechnik entweder gar nicht oder zumindest nicht rechtzeitig beachtet werden. Ein Kreis von Freunden und Unterstützern hat mich letztlich dazu ermutigt, über ein neues, anderes Motorrad nachzudenken und eine Vision zu entwickeln.
 

Arbeiten anders - und erfolgreich!


Die letzten sechs Jahre habe ich an dieser Idee gearbeitet und mich vor drei Jahren dazu entschlossen, das Projekt hauptberuflich zu verfolgen. Natürlich bin ich so überzeugt vom Erfolg dieses Konzeptes, dass ich auch als erster eigenes Kapital investiert habe. Und was die schrumpfenden Märkte angeht: Wir haben in der neuen Maschine und mit unserer starken Marke so viele Alleinstellungsmerkmale, dass man auch in einem kleiner werdenden Umfeld erfolgreich sein kann.

Clemens Neese, CEO Horex GmbH.

 
Und warum ausgerechnet die Marke Horex, also eine historische Marke, die in den 60ern des letzten Jahrhunderts die Produktion eingestellt hat?
Neese: Für uns war sehr früh klar, dass Horex perfekt zu unserem Projekt passt. Markenname und Historie komplettierten unsere Vision wie die letzten fehlenden Steine eines Puzzles. Horex entstand nach dem Ersten Weltkrieg aus dem Flugmotorenbau und aus der unternehmerischen Initiative von Fritz Kleemann. Er hat von Anfang an clevere Antriebsideen verfolgt und innovative, hochwertige Fahrzeuge gebaut. Darin spiegelt sich die Idee der neuen Horex wider. Ich bin überzeugt: Würden die Horex Visionäre von einst heute noch Motorräder bauen, wären es Maschinen wie unsere jetzt vorgestellte Sechszylinder. Ganz ehrlich: Wir haben bei der Marke nie ernsthaft Alternativen verfolgt, sondern uns auf Horex konzentriert. Nach jahrelangen Verhandlungen konnten wir die Marke erwerben. Ohne Horex wäre aus dem Projekt wahrscheinlich nichts geworden!

Was prädestiniert Sie als Wirtschaftsingenieur aus dem ITBereich dazu, ein solches Motorradprojekt zu führen?
Neese: Basierend auf meiner Ausbildung und meinen beruflichen Erfahrungen fühle ich mich sowohl in Technik- wie auch in Finanzthemen zuhause. Und ich bin ein im positiven Sinn Motorradverrückter, der die Realitäten nicht aus dem Auge verliert. Über die vielen Jahre im IT-Bereich habe ich in Führungsverantwortung gelernt, komplexe Projekte zu managen, Personal zu führen, technische Lösungen zu erarbeiten, Partnerfirmen zu steuern und letztlich auch die betriebswirtschaftlichen Auswirkungen der Arbeit zu kontrollieren. All das brauche ich jetzt natürlich zusammen mit emotionalem Antrieb - denn Berufsskeptiker, die mir erklärt haben, warum das nicht geht, was wir hier anpacken, habe ich in den letzten Jahren zur Genüge getroffen.


Bei der Marke nie ernsthaft Alternativen verfolgt.


Welche Rolle spielt das Team rund um den Initiator Neese bei diesem Projekt? Wie wichtig ist das Partner-Netzwerk?
Neese: Ohne zuverlässige Partnerschaften im menschlichen wie im unternehmerischen Bereich kann man solche Projekte niemals stemmen! Das heisst: Ohne die Kernmannschaft, die wie meine früheren und aktuellen Arbeitskollegen Frank Fischer und Fritz Rombach teilweise selbst mit ins Risiko gehen, hätte ich diese Aufgabe nicht angepackt. Und ohne die zahlreichen, erstaunlich wohlwollenden Ratgeber aus allen Bereichen der Motorradbranche, der Finanzwelt, der Automobilindustrie und der Zulieferer wäre es auch nicht gegangen. Unser Netzwerk im Kleinen wie im Grossen war und ist entscheidend für unseren Erfolg.

Mit welchen Argumenten konnten Sie die renommierten Partner aus der Motorrad- und Auto-Branche davon überzeugen, bei der neuen Horex mitzumachen?
Neese: Ich vermute, dass ich ihre Begeisterung für Horex und für die Qualität der technischen Innovationen wecken konnte! Natürlich wollen und müssen alle diese Firmen Geld verdienen. Wenn sie allerdings die Herausforderung eines ungewöhnlichen Themas erleben, ziehen sie vielfach leidenschaftlich mit und akzeptieren auch Vorleistungsrisiken. Sie werden gleichzeitig zu Auftragnehmern und zu Förderern des Projekts. Es ist uns gelungen, diese Leidenschaft zu entfachen, und wir haben damit ein tolles System von Partnerschaften entwickelt, das hervorragende Ergebnisse bringt. Und von diesen Erfahrungen profitieren letztlich alle.

Designer Peter Naumann, Frank Fischer und Clemens Neese vor dem naturgetreuen
Designentwurf der neuen Horex.

 

Verraten Sie uns auch, wie man seriöse Investoren von solch einem Projekt der Old Economy begeistern kann?
Neese: Das war wirklich nicht leicht! Die meisten privaten Investoren sind sehr trendbestimmt. Bio-Tech-Themen, Windkraft, Elektromobilität versprechen hier im Moment die höchsten Renditen. Es gibt aber einige Geldgeber, die traditionelle, nachhaltige Investments bevorzugen. Für die ist entscheidend, dass die Firmengründer eigenes Geld einsetzen, eine Vision haben, begeistert sind, Management-Erfahrung besitzen und einen vernünftigen, seriösen Businessplan haben. Das alles konnten wir bieten.

Haben Sie denn genug Geld zur Verfügung, um den Marktstart zu realisieren? Neese: Ja, das haben wir. Wir sind Nutzer des ERP-Startprogramms der KfW Mittelstandsbank. Zudem haben wir mehrere private Investoren. Und vom Bundeswirtschaftsministerium kommen Mittelstands-Fördergelder. Alles in allem verfügen wir über einen zweistelligen Millionenbetrag. Dies versetzt uns in die Lage, das Projekt Horex von der Produktentwicklung über den Produktionsaufbau und den Marktstart bis zu dem Punkt zu finanzieren, an dem wir uns selbst tragen können.


Genug Geld für einen Marktstart.


Wie ist aus Ihrer Sicht der Charakter der neuen Firma Horex?
Neese: Der Charakter der Horex GmbH ist so vielschichtig wie die Menschen, die unter diesem Dach arbeiten. Horex steht für Kompetenz, Überzeugung, Entscheidungsfreude, Innovation und Leidenschaft. Im Team verbinden wir die Erfahrung alter Hasen mit dem Esprit junger Hochschulabsolventen. Wir haben die Tradition einer legendären Marke im Rücken und aktuellstes Fachwissen sowie modernste technische Tools in den Händen. Wir haben keine überkommenen Hierarchien, sondern eine offene Diskussionskultur, kurze Wege und einen freundschaftlichen Umgang. Damit arbeiten wir anders und dadurch erfolgreich.

Beschreiben Sie die Persönlichkeit des neuen Horex Motorrads, was macht es aus, was macht es speziell, was macht es anders? Neese: Zunächst einmal haben wir bei dieser Maschine ein Design, das eigenständig ist und das vor allem nicht schon morgen seine Faszination verliert. Wir wollen mit den Linien unserer Horex Nachhaltigkeit erreichen. Ansonsten haben wir versucht, unseren Blick für die Bereiche am Motorrad zu öffnen, die von den anderen Herstellern ignoriert werden. Da haben wir viel gefunden und angepackt. Dies gilt für den Motor, die Aufladung, die Ladeluftkühlung, den Riemenantrieb in dieser Leistungsklasse, den ergonomisch konturierten Brückenrahmen mit integriertem Druckgaskanal und auch für viele Details. Die neue Horex ist ein sehr kompaktes, konzentriertes, in sich versammeltes Motorrad mit sehr viel Individualität. Sie hat Spannkraft, Dynamik, Kraft und verzichtet auf allen Schnickschnack. Sie wirkt, ohne banal zu sein! In einem Jahr sollen die ersten Horex Sechszylinder auf deutschen Strassen rollen.


Seit Anfang 2009 keinen einzigen Tag ausserhalb unseres Zeitplans.


Ist das nicht ein sehr enger Zeitrahmen? Neese: Ich gebe zu, das ist sportlich geplant. Wir haben uns allerdings ausführlich informiert und können sagen: Die grossen Hersteller arbeiten mit genau demselben Timing - trotz viel grösserer Ressourcen! Das bedeutet für uns, dass wir bei Konstruktion, Erprobung und Homologation kein Vabanquespiel betreiben. Letztendlich sind eine klare Planung, gutes Projektmanagement und professionelle Partner entscheidend. Mit gewissem Stolz kann ich berichten, dass wir seit Anfang 2009 keinen einzigen Tag ausserhalb unseres Zeitplans lagen. Unser Motor läuft bereits auf dem Prüfstand, und unsere Funktionsprototypen werden im Moment für die Erprobung aufgebaut.
 

Warum setzen Sie beim Motor ausgerechnet auf das VRKonzept? Das gilt doch bei vielen Technikern als wenig tauglich fürs Motorrad?
Neese: Zunächst einmal hat der VR-Motor für den Motorradbau einen Riesenvorteil er braucht deutlich weniger Platz als konventionelle Aggregate. Was aber richtig ist: Das von Volkswagen realisierte Konzept funktioniert im Auto perfekt im Motorrad nicht. Deshalb hat der Horex VR mit dem VW-VR ausser der Grundidee und der Platzersparnis auch nichts gemein! Wir haben diesen Motor komplett neu entwickelt und ihm die ideale Hub-Bohrungs-Relation und einen darauf abgestimmten V-Winkel verpasst. Wir haben die charakteristische, gespiegelte Schränkung in langen Versuchsreihen auf die Betriebsbedingungen des Horex VR-Motors eingeregelt, ihm einen neuen Zylinderkopf mit symmetrischem Gaswechsel spendiert, Kurbeltrieb, Zylinderblock und Leichtmetallgehäuse neu konstruiert, radiale Ventile eingesetzt und, und, und… Der Horex VR ist etwas komplett Neues, das mit keinem bisherigen Motor im Zwei- wie im Vierrad etwas zu tun hat. Und er eröffnet uns für den Motorradbereich eine völlig neue Dimension.


Produktionsstart im vierten Quartal 2011.


In wieweit hat Volkswagen Sie und Ihr Projekt unterstützt?
Neese: Wir haben mit Volkswagen ein hervorragendes, vertraglich geregeltes Beratungsverhältnis. Unter höchster Vertraulichkeit haben wir von 30 Jahren VW-Erfahrung mit dem VR-Motor profitiert und lassen die VW Aggregat-Entwickler im Gegenzug an unseren Erkenntnissen mit dem Horex VR teilhaben.

Stimmt das Gerücht, dass Motorradfan Ferdinand Piech sich persönlich für das Horex Projekt stark gemacht hat? Neese: Herr Piech interessiert sich grundsätzlich sehr für technische Themen und er interessiert sich auch für unser Projekt. Wir informieren ihn seit längerer Zeit regelmässig über unsere Entwicklung. Weiter geht diese Verbindung nicht.

Wann und wo wird die Fertigung von Horex starten?
Neese: Wir planen den Produktionsstart im vierten Quartal 2011 und werden dann die Maschinen für unsere Händler und für den Saisonstart 2012 produzieren. Der Standort steht noch nicht fest . Wir führen parallel vielversprechende Gespräche mit mehreren Partnern. Die Entscheidung für den Standort unserer Manufaktur dürfte in spätestens vier Monaten fallen.

Was für Stückzahlen haben Sie mit Ihrer Maschine geplant?
Neese: Wir planen mittelfristig weltweit vierstellige Verkaufszahlen. Zunächst starten wir jedoch stufenweise in Deutschland, Österreich, der Schweiz, Gesamteuropa und dann in Übersee.

Wann wird es weitere Horex Modelle geben?
Neese: Unser Motor ist so gebaut, dass er für viele verschiedene Modelle gut ist. Ausserdem ist er als Baukasten konzipiert. Es sind also auch Versionen mit weniger Zylindern denkbar. Wir werden relativ schnell weitere Modelle mit dem hier vorgestellten Sechszylinder präsentieren. Weitere Ideen sind in der Schublade. Aber lassen Sie uns zunächst mal das aktuelle Modell erfolgreich in den Markt bringen!


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Text: Wortwerkstatt
Fotos: Horex

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Bericht vom 17.06.2010 | 6'637 Aufrufe

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