Moto Guzzi V7 II Scrambler Test 2015

Das ehrliche Retro Bike

Neues schaffen, aber authentisch. Nach klassischem Vorbild, aber original. Modern, in Würdigung solider Technik aus besseren Zeiten. Ein Spagat in mehrere Richtungen, den manche Motorradhersteller heute hinzukriegen versuchen, in dem sie die eigene Geschichte auf- und verarbeiten, verpackt in topmodische Modelle wie Bobber, Bagger, Scrambler und Co. Wie lange noch interessiert mich momentan nicht, denn ich begrüsse den aktuellen Trend, weil er meinem Geschmack und meinem Verständnis von individueller (motorisierter) Fortbewegung entspricht. Wirklich einzigartig wird man mit einem Motorrad vom Band zwar nicht sein, doch die Möglichkeiten, seine Guzzi V7 II mit 4 verschiedenen Custom-Kits und einer breiten Auswahl an Zubehör zu personalisieren, machen die Möglichkeit , eine zweite ihrer Art auf der Strasse zu treffen, relativ unwahrscheinlich.

Scrambler-Kit: 16 Teile für über 4000 Euro

Neben der Dapper, Dark Rider und Legend ist die Scrambler die vierte Variation des V7 Themas, mit gemässigter Geländegängigkeit durch Speichenfelgen, stärker profilierte Reifen und einem hochgezogenen 2-in-1 Auspuff. Insgesamt besteht der Kit aus 16 Teilen. Leistungssteigernde Technik gehört nicht dazu, die Guzzi tuckert mit ihren A-2-tauglichen 48 PS durch Stadt und Land und macht dabei ordentlich Spass. Wenn ein Motorrad von ausgewachsener Statur (190 kg) und mit bescheidener Leistung so viel Spass und Freude macht, dann hat jemand etwas sehr richtig gemacht. Meistens sind es nicht die mit den grossen Rechnern, sondern die mit Herz und Bauchgefühl. Man kann spüren, was sie mit ihren Produkten meinen. Leider spürt das auch das Portemonnaie, denn über 4000 Euro für alle 16 Teile findet man nicht im Kleingeldfach.

Hat nicht viel, aber viel zu geben.

Man denkt an eine Zeit, in der Motorräder nicht deshalb Freude machten, weil ihr Motor mindestens 100 PS leistete, sondern weil sie überhaupt einen Motor hatten. Die V7 hat relativ wenig Hubraum, wenig Leistung, wenig Bremse (Eine 320 mm Scheibe mit 4-Kolben-Sattel vorne, 260 mm mit 2-Kolben hinten), wenig Reifenbreite und wenig Frequenz an Tankstellenstops Tankvolumen hat sie nämlich viel, ganze 22 Liter. Trotzdem hat sie sehr viel zu geben. So unkompliziert, wie sie gebaut ist, fährt sie sich auch, wobei die Fahrleistungen im Vergleich weit unter jenen einer Ducati Scrambler liegen. Ein perfektes Einsteigermotorrad, das den meisten anderen in Sachen Lässigkeit haushoch überlegen ist. Die Sicherheitsfeatures ABS und Traktionskontrolle fallen da gar nicht auf.

Vaulis Meinung zur Moto Guzzi V7 II Scrambler:

Fleiss wird grundsätzlich belohnt, manchmal ist es aber schlauer, einfach nichts zu tun sondern einfach nur zu warten. Ganz so ist es bei Moto Guzzis V7 zwar nicht gelaufen, rein optisch hat sich die aktuelle V7 II aber nicht wirklich weiterentwickelt - und das ist gut so! Denn so passt sie perfekt in den aktuellen Hype der Retro Bikes, mit dem grossen Unterschied, dass die Moto Guzzi V7 II kein künstlich auf alt getrimmtes Motorrad ist, sondern tatsächlich schon viele Jahre auf dem Buckel hat.

Das soll nun aber nicht heissen, die V7 würde veraltete Technik verwenden, gerade die V7 II wurde entscheidend auf den Stand der heutigen Zeit gehoben. Moderne Einspritzanlage, gute Bremsen, ABS und sogar eine Traktionskontrolle sind Gimmicks, die auf so manch anderen modernen Motorrädern nicht zu finden sind. Die Leistung von nur 48 PS scheint zwar um das gewisse Quäntchen zu wenig zu sein, im Fahrbetrieb fühlt man sich aber keineswegs untermotorisiert, der typisch längs eingebaute V2-Motor dreht quirlig hoch und das maximale Drehmoment von 60 Newtonmeter bei nur 2800 Umdrehungen macht sich durch eine souveräne Kraftentfaltung von weit unten positiv bemerkbar.

Dass die, von uns getestete V7 II Scrambler auch noch einen coolen Sound serviert, ist dem optional erhältlichen Arrow-Auspuff geschuldet - und der kostet natürlich auch mehr Geld. Ein Billigangebot ist eine V7 II Scrambler daher nicht, die Individualisierungs-Möglichkeiten mit Startnummerntafeln, Kotflügeln, Sportsitzbank, Lenkerstrebe, Fussrastenset, Seitentasche, Endurobereifung und dem bereits erwähnten Arrow-Auspuff - um nur einige, wenige zu nennen - sind allerdings jeden Euro wert, wenn man nicht mit einem Motorrad von der Stange daher kommen möchte.

Fazit: Moto Guzzi V7 II Stone 2015

Fernab der Leistungs- und Ellenbogengesellschaft tuckert ein glücklicher Mensch, ganz bei sich, mit seiner V7 über's Land und wundert sich über die PS-Rüstungsindustrie und deren treue Konsumenten. Der V7 reichen 48 PS, um ihre Fahrer/innen voll und ganz zufrieden zu stellen. Ihr geht es um motorisierte Fortbewegung, nicht um motorisierte Rekordjagd. Ziel ist die Erweiterung des Lebens-Horizonts, nicht nur über den Standortwechsel, sondern die Änderung des Blickwinkels und den Mut zur individuellen Lebensweise. Die V7 ist wie eine alte Freundin, von der man alles weiss und der man alles erzählen kann. Ein Motorrad wie aus der guten, alten Zeit.


  • individuell aufrüstbar
  • cooler Look
  • Einsteiger-freundlich
  • Spass ohne Leistungsdruck
  • Schotterstrassen-tauglich
  • bescheidene Leistung
  • mittelmässige Verarbeitung
  • hoher Preis für das gesamte Kit

Bericht vom 08.10.2015 | 31'789 Aufrufe