MV Agusta Brutale 800 Test

Brutale 800 noch immer brutal

MV Agusta hat die 800er Brutale auf die nächste Stufe gehoben. 116 PS in einem sehr sportlichen Chassis, das trotzdem fehlerverzeihender ist als das der Vorgängerin. Was für ein Kick in Ronda!

Ändere alles, aber ändere nichts. Diesen Imperativ verfolgte MV Agusta bei der Entwicklung der neuen Brutale 800. Letzteres ist perfekt gelungen, denn die neue Maschine ist ganz eindeutig eine Brutale. Und Ersteres war sicher mörder viel Arbeit, aber es hat sich ausgezahlt.

Modifizierter Turismo Veloce Motor: 116 PS, 83 Nm.

Der Motor der neuen Brutale ist im Wesentlichen der 798 ccm Dreizylinder, der auch in der Turismo Veloce werkt. Durch eine grössere Airbox, eine geänderte Auspuffanlage und ein anderes Mapping leistet er jetzt 116 PS bei 11.500 U/min 83 Nm stehen bei 7.600 an. Der Klang ist heiser, rau und sportlich aggressiv, aber nicht übertrieben laut. Euro 4 lässt grüssen. Reicht die Leistung, um würdigen Vortrieb im Sinne des Supersportes zu erleben? Ja, absolut. Auf der Bergrennstrecke von Marbella nach Ronda kreischte die Brutale erregend voller Kraft.

Damit der Motor richtig feuert, muss man ihn aber über 6.000 min halten. Unten funktioniert er tadellos, ist laufruhig und durchaus in der Lage, die Maschine durchs Land zu treiben, aber wer den Thrill und den Kick braucht, wird den Dreizylinder in höheren Drehzahlregionen halten. A propos unten: Der neue Motor bringt im Vergleich zum Vorgänger 18 Prozent mehr Drehmoment im unteren und mittleren Bereich. Und laut MV auch einen um 20 Prozent reduzierten Spritverbauch. Eine Offenbarung ist der Schaltautomat, der sowohl beim Rauf- als auch beim Runterschalten brillant funktioniert. Unfassbar einfache Gangwechsel, butterweich und toppräzise zugleich. Wow!

Modes, Traktionskontrolle, ABS?

Es gibt vier Riding-Modes: Rain, Normal, Sport und Customer. Bei Rain wird die Leistung auf maximal 80 PS beschnitten. Diesen Modus habe ich selbstverständlich nicht ausprobiert. Ich wollte die italienische Göttin nicht verärgern. Normal und Sport bedeuten die vollen 116 PS. Der Unterschied besteht lediglich in der Geschwindigkeit der Drosselklappen und ergo im Ansprechverhalten. Sport ist zwar schärfer, direkter und brutaler, aber dadurch auch ruckeliger. Ich fühlte mich mit Normal wohler. Da war der Motor für mich besser zu kontrollieren. Wenn man in einer schnellen Partie fährt - zur Hölle, da war was los in Richtung Ronda! braucht man eine möglichst ruhig liegende Maschine ohne ruckartige Impulse.

Das ABS ist entweder da oder nicht. Man kann es ausschalten, aber im Verhalten nicht variieren. Entweder oder also. In den Bergen hat es das eine oder andere Mal ausgelöst. War gut und tadellos, aber nicht so grossartig wie die Traktionkontrolle. Ich würde sagen, es gibt mittlerweile schon feinfühligere ABSysteme am Markt. Trotzdem ist es aber so gut, dass ich lieber mit als ohne ABS unterwegs war. Die 8-stufig einstellbare Traktionskontrolle funktionierte auf Stufe 4 wunderbar. Slides waren beim entfesselten aus dem Radius Feuern möglich, dann erst griff die Elektronik ein, und zwar grossartig ohne zu rattern oder zu stottern, sondern so harmonisch, dass ich das mit meinem Handgelenk in dieser Geschmeidigkeit niemals zustande gebracht hätte. Über die anderen Stufen kann ich nichts sagen, um alle auszutesten war die Zeit einfach zu knapp. Das werden wir gerne bei einem späteren Test untersuchen.

Flachere Gabel ein echter Treffer!

Um der Maschine etwas mehr Stabilität zu geben und die positiven Effekte des Gewichtstransfers beim Anbremsen stärker nützen zu können, haben die Ingenieure den Lenkkopfwinkel der MV flacher gemacht. Genialer Schachzug! Dadurch ist die immer noch sehr agile und messerscharf in die Radien stechende Brutale jetzt beim harschen Ankern kontrollierbarer. Ist schon mörder, wenn man trotz ernstzunehmendem Bremsbisses die Linie noch korrigieren kann ohne Angst haben zu müssen, die Front zu verlieren. Gabel und Federbein sind beide voll verstellbar und im Grundsetting sehr straff. Brutal hart wäre nicht richtig, aber die Dämpfer sind definitiv auf der sehr sportlichen Seite und geben viel Rückmeldung darüber, wie sich Reifen und Asphalt vertragen. So soll es sein. Das ist würdig und recht für eine Maschine, die Brutale heisst.

Kein Eisen für Einsteiger.

Die Brutale hat ihrem Namen alle Ehre gemacht. Sie ist trotz ihrer im Vergleich zu den grossen nackten Raketen geringen Leistung eine sehr ernstzunehmende Kampfmaschine, die mit ultraflinkem Handling und viel Präzision punktet. Einsteiger, deren Fahrtechnik noch in den Kinderschuhen steckt, wie man so sagt, dürften weniger Freude mit der Brutale haben. Zwar ist sie deutlich fehlerverzeihender als die Vorgängerin, aber diese MV ist immer noch ein Eisen, das einen Piloten verlangt, der weiss, was er will.

Castiglioni und „Upper Premium“

MV-Boss Giovanni Castiglioni machte bei der Pressekonferenz am Vorabend klar, wo er MV Agusta sieht. In seinen Augen gibt es Einstiegsmarken (Suzuki, Kawasaki, Yamaha, Honda), Premium-Marken (BMW, Triumph, Ducati, KTM, Moto Guzzi etc.) und Upper Premium Marken, also die Creme de la Creme des Motorradbaus: Harley-Davidson und MV Agusta. Das klang natürlich nicht nur sehr selbstbewusst, sondern verlangte auch nach einer Erklärung: Harley und MV bauen nicht nur Motorräder, sondern ihre Ingenieurskunst kann Träume, Emotionen und ein ganz spezielles Lebensgefühl in einer Maschine verdichten. Er sagte dann noch: MV Agusta Maschinen werden für den Stolz des Besitzers gebaut. Castiglioni machte deutlich, wie sehr er die Kooperation mit Mercedes AMG schätzt und dass es viele Synergien gibt, da beide Marken eine sehr sportliche Linie haben. Bei 127 AMG-Stützpunkten werden Maschinen von MV Agusta ausgestellt werden. Aber nicht verkauft. Der Verkauf bleibt den MV-Händlern vorbehalten.

Technische Eck-Daten

  • Dreizylinder, 798 ccm, Euro 4
  • 116 PS bei 11.500 min
  • 83 Nm bei 7.600 min
  • Marzocchi 43 mm USD, voll einstellbar
  • Sachs Federbein, voll einstellbar
  • 175 kg Trockengewicht
  • ca. 220 km/h

Fazit: MV Agusta Brutale 800 2016

Sehr scharfe, nackte Sportmaschine mit mörder Charisma.


  • Butterweich und präzise arbeitender Schaltautomat up and down
  • sehr straffes Fahrwerk mit viel Feedback, drehfreudiger Dreizylinder mit grossartig heiserem Klang
  • Gasannahme und Ansprechverhalten etwas ruppig und einen Hauch zu direkt im "Sport"-Modus

Bericht vom 26.01.2016 | 35'262 Aufrufe

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