Moto Guzzi V9 Test

Bobber oder Roamer?

Am Como See präsentierte Moto Guzzi die beiden neuen V9 Modelle: Bobber und Roamer. In eines der beiden habe ich mich verliebt.

55 PS und 62 Nm. Es ist gesagt. Der neue luftgekühlte 850er V2 von Moto Guzzi ist kein Leistungsgigant. Aber er ist dennoch würdig. Nicht unbedingt, weil er die Euro 4 erfüllt (die ist mir persönlich vollkommen powidl), sondern weil er ein breites nutzbares Drehzahlband hat. Von 2.500 bis 6.000 min stehen immer mindestens 60 Nm Drehmoment zur Verfügung. Das bringt guten Schub. Die Gasannahme und die Lastwechsel sind selbstverständlich etwas ruppiger als bei einem gut abgestimmten Reihenvierer oder einem supersportlichen V2, aber nicht störend. Sehr authentisch. Grossartig finde ich die tieffrequenten Vibrationen, die der Motor erzeugt. Das massiert die Seele. Eine Moto Guzzi darf keine Nähmaschine sein. Meiner Meinung nach ist der neue 850er V2 sehr gut gelungen und wird jenen Menschen, die abseits des Sportgedankens Motorrad fahren wollen, voll taugen.

ABS, Traktionskontrolle, Fahrwerk.

Roamer und Bobber sind - abgesehen von Vorderrad und Lenker - mehr oder weniger identisch. Die Maschinen wiegen 199 kg trocken (etwas mehr als 220 kg mit vollem Tank). Gebremst wird mit einer Scheibe vorne und ABS. Bei der lockeren Fahrt am Como See war die Bremswirkung bei guter Dosierbarkeit immer absolut ausreichend. Auch das ABS konnte überzeugen: Relativ spätes Eingriffen, knappe Intervalle, kein unwürdiges Rattern. Die zweistufige Traktionskontrolle (trocken, nass) ist wie bei der V7 II nicht auf höchstem Niveau, arbeitet aber zuverlässig. Muss sie eingreifen, wird die Zündung zurückgenommen. Das funktioniert nicht butterweich, sondern eher wie ein elektronischer Begrenzer. Spielt keine übergeordnete Rolle, denn genau genommen ist eine Traktionskontrolle für einen 55 PS Motor wirklich nicht notwendig. Das Fahrwerk der V9 ist selbstverständlich nicht die allerfeinste Ware, aber sowohl Gabel als auch Federbeine liefern genügend Federweg und zeigen einen sehr guten Kompromiss zwischen Komfort und Straffheit im Sinne der Stabilität. Wobei die Bobber viel straffer wirkte als die Roamer.

Bobber oder Roamer?

A priori war ich voll beim Bobber. Die Formensprache mit dem dicken 130er Reifen traf mich punktgenau. Aber letztendlich habe ich mich voll in die Roamer verliebt. Der etwas weichere Sattel, der höhere Lenker und das 19 Zoll Vorderrad (100/90-19) ergaben eine fantastisch relaxte Sitzposition und ein spielerisches Handling. In mir entstand der Wunsch weit in den Sonnenuntergang zu poltern. Was natürlich vollkommen irr war, da es am Como See tröpfelte und auf den umliegenden Bergen Schnee lag. Die Bobber war in den Radien eine Nuance sturer und hielt (wohl aufgrund des 130/90-16ers Vorderrades) die Linie nicht so selbstverständlich wie die Roamer. Da musste man etwas mehr Druck über die Lenkstange ausüben. Ausserdem wirkte sie deutlich straffer. Möglicherweise lag das nur am flacher gepolsterten Sitz, möglicherweise aber auch im Grundsetting der Dämpfer. Das müssen wir in einem längeren Test erst herausfahren.
Jedenfalls taugten mir beide Geräte sehr, man darf Moto Guzzi gratulieren und eine Probefahrt dringend empfehlen. Ausserdem darf ich auf das ausführliche 1000PS-TV Video verweisen. Ein Satz hat mich bei der Präsentation richtig begeistert: The V9 is a solid bike made for lasting. Also viel Stahl und Alu, wenig Plastik. Etwas, das hält. Grossartig!

Fazit: Moto Guzzi V9 Bobber 2016

Eindrucksvolles Eisen, das mit seinem 130er Vorderreifen und seiner coolen Linie Aufsehen erregt. Der dünn gepolsterte Sitz und das straff abgestimmte Fahrwerk weisen nicht in die Komfort-Richtung, aber unbequem ist die Bobber sicher nicht.


  • Scharfe Optik
  • viel Stahl und Alu, wenig Plastik
  • gutes Drehmoment
  • spät einsetzendes und sauber regelndes ABS
  • 130er Vorderreifen ist kein Handlingwunder

Fazit: Moto Guzzi V9 Roamer 2016

Perfekte Verkörperung der wilden Freiheit der 70er Jahre. Sehr stimmiges Eisen mit entspannter Sitzposition und ausreichender sowie charismatischer Motorisierung.


  • Tolle Optik
  • spielerisches Handling
  • in sich sehr stimmig, authentisch und wertig
  • ist mir nichts aufgefallen

Bericht vom 17.03.2016 | 38'320 Aufrufe

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