Einsteiger Nakedbike Vergleich 2016

Suzuki SV650, Yamaha MT-07 Moto Cage, Honda CB650F

So ziemlich jeder sollte sich unter einem Einsteigerbike etwas vorstellen können. Nicht zu teuer, nicht zu schwer, nicht zu stark, nicht zu schwach, nicht zu hart, nicht zu weich – weder Fisch noch Fleisch? Es riecht ein bisserl nach Kompromiss.

Nicht nur die Unschärfe der Charaktereigenschaften ist ein schweres Thema, sondern auch der Begriff Einsteigermotorrad selbst ist unter uns gesprochen, eigentlich fürchterlich. Das Einsteiger vor dem Motorrad gibt dem ganzen irgendwie einen negativen Beigeschmack. Als hätte der Fahrspass mit so einem Motorrad ein Ablaufdatum, ein jähes Ende. Als wäre es eine rein pragmatische Entscheidung die man zu Beginn eines jeden Motorradlebenslaufes treffen müsse, ohne jegliche Emotion oder Leidenschaft. Als würde man mit einem Einsteigermotorrad nicht das komplette Motorradgefühl inhalieren, sondern eben nur einen gefilterten, abgeschwächten Spirit erfahren. Doch ist das wirklich so? Oder sind Motoräder dieser Kategorie besser als ihre Bezeichnung? Und was macht ein Einsteigermotorrad wirklich aus? 1000PS auf der Suche nach dem besten Kompromiss, der eigentlich keiner sein muss.

Die geeigneten Bikes für diesen Vergleich sind schnell gefunden, es sind die usual suspects des heiss umkämpften Nakedbike Einsteigermarkts: Yamaha MT-07, Suzuki SV650 und Honda CB650F. Obwohl diese Bikes den selben Markt bespielen, darf man sie nicht in einen Topf werfen und zu Einheitsbrei verkochen. Die grössten Unterschiede lassen sich in Sachen Motorbauweise ausmachen, in jeder Maschine schlägt ein anderes Herz.

Motorenvielfalt

In der Suzuki werkelt ein V2 mit 645 ccm, der bereits seit den späten neunziger Jahren in der Modellpalette von Suzuki durchgereicht wird. Das soll jetzt nicht heissen, dass der Motor verstaubt und nicht mehr zeitgemäss ist, sondern eher, dass es ein wirklich gutes Aggregat ist, welches zu recht in vielen Motorrädern zuverlässig für Vortrieb sorgt. Da die SV650 mit dem Modelljahr 2016 eine Wiedergeburt feiert, wurden auch am Motor Änderungen vorgenommen. Im Vergleich zur direkten Vorgängerin, der Gladius, wurde etwa die Leistung von 72 PS auf 76 PS gesteigert. Das Drehmoment ist mit 64 Nm gleich geblieben, liegt aber später an. Auf dem Papier wird das maximale Drehmoment erst bei 8100 U./min erreicht, was nach einer deutlichen Verschlechterung ausschaut. In der Realität merkt man davon aber nichts, der Motor marschiert in V2-Manier aus dem Drehzahlkeller ohne merklichen Unterschied zur Vorgängerin. Es dürfte also der Grossteil des Drehmoments bereits deutlich früher anliegen.

Bei der Yamaha MT-07 kommt ein Reihen Zweier mit 689 ccm und 75 PS zum Einsatz, dem mittels 270° Hubzapfenversatz mehr Charakter verliehen wurde. Dadurch klingt er reudiger und fühlt sich in Puncto Leistungsentfaltung eher wie ein V2 an. Das maximale Drehmoment von 68 Nm liegt bereits bei 6500 U./min an, damit feuert die Yamaha am besten aus dem Drehzahlkeller und entpuppt sich mit ihrer brachialen Drehmomententfaltung als echte Wheeliemaschine.

Im Rahmen der Honda CB650F findet man einen Reihenvierzylinder mit 649 ccm Hubraum und 87 PS vor. Sie hat in diesem Vergleich also nicht nur die meisten Zylinder, sondern auch die meiste Leistung und geht in R4-Manier sanft und geschmeidig ans Werk. Das maximale Drehmoment von 63 Nm liegt aber erst bei 8000 U./min an und auch die Maximalleistung lässt auch auf sich warten, die vollen 87 PS werden erst bei 11 000 U./min erreicht. Bei der CB650F sollte man also eher den richtigen Gang parat haben, um nach einer Spitzkehre nicht zu verhungern.

Bezogen auf die verbauten Aggregate kann die Yamaha MT-07 am meisten überzeugen, der spritzige Zweizylinder sorgt schon im Drehzahlkeller für ordentlich Dampf und liefert in Verbindung mit dem niedrigen Gewicht der Yamaha von 184 kg fahrbereit die beste Performance ab. Knapp dahinter liegt die Suzuki mit 197 kg und ihrem wirklich feinen, ausgereiften V2. Er quetscht seine Maximailleistung bereits bei 8 500 U./min aus dem Brennraum, während bei der MT-07 9 000 U./min dafür notwendig sind, und bei der Honda gar 11 000 U./min. Durch diesen grossen Sprung wirkt die Honda subjektiv am schwächsten und sorgt im Vergleich nicht gerade für Adrenalinschübe am Kurvenausgang. Dazu trägt auch das hohe Gewicht von 208 kg bei. Das sind 11 kg mehr als die Suzuki und satte 26 kg mehr als die Yamaha. Nicht nur die tatsächliche Masse kommt bei der Honda gewichtig daher, sondern auch der Preis, sie kostet in Österreich 8490 € (Deutschland: 7955€) und damit 1500 € mehr als die Yamaha und Suzuki (Österreich: 6990 €; Deutschland: 6395 €)

Design

Beginnen wir mit der Suzuki SV650: Sie knüpft beim Erscheinungsbild glücklicherweise nicht an der Vorgängerin, der Gladius, an sondern an der Vorgängerin der Vorgängerin. Böse Zungen bezeichneten die Gladius ja oft als Fufm (Frauen und Fahrschulmotorrad; anm. d. Red.) und bekanntlich steckt ja in jeder Lüge auch ein Funken Wahrheit. Aber damit soll jetzt Schluss sein. Die SV650 ist wieder unisex. Sie präsentiert sich durch den Rundscheinwerfer in dezenter Retro-Optik, kommt aber dank der neuen, modernen Tankform und Heckpartie frisch und zeitgemäss daher. Der neue Digitaltacho mit Gang- und Verbrauchsanzeige unterstreicht diesen Anspruch, die Blinker sollte man sich aber nicht genauer anschauen. Die MT-07 tritt als Moto Cage Variante die Designwertung an und zeigt, was man aus der Serienoptik einer normalen MT-07 machen kann. Dort und da eine Blende aus Metall, Handguards und ein paar rote Farbkleckse, und schon bekommt die MT-07 eine wertigere Optik und zugleich mehr Charakter. Besonders der Bugspoiler und der dezente Schirm über dem Scheinwerfer stehen ihr gut zu Gesicht. Bei der Honda fiel die Wahl auf die Farbvariante Mat Gunpowder Black Met / White. Der vordere Teil der CB650F ist in schwarz mit leuchtgrünen Akzenten gehalten, der weisse Rahmen kündigt ab Mitte des Tanks aber einen Farbwechsel an, der im weissen Heck und der hinteren Felge seine Vollendung findet. Durch die wunderschön parallel angeordneten Auspuffrohre zeigt die nackte Honda stolz, dass in ihr ein Vierzylinder am Werk ist. In der Designwertung gewinnt schlussendlich die Honda knapp das Rennen, die Farbgestaltung in Verbindung mit der ausgereiften Formsprache gibt das stimmigste Gesamtbild. Die Tachoeinheit wirkt aber leider nicht mehr zeitgemäss und etwas Lieblos gestaltet, in den anderen verfügbaren Farbvarianten hätte es die Honda wahrscheinlich schwer gegen die MT-07. Die Yamaha liegt mit ihrem jugendlichen und wilden Aussehen nur knapp hinter der Honda, in der Moto Cage Variante hebt sie sich doch deutlich von der Basis MT-07 ab. Obwohl die Suzuki SV650 erst dieses Jahr vorgestellt wurde und somit die jüngste in diesem Vergleich ist, wirkt sie optisch am ältesten, ein paar Ecken und Kanten würden ihr nicht schaden.

Fahrwerk

Bei den Fahreigenschaften gibt es in diesem Test keine wirklichen Ausreisser, alle drei Motorräder bieten ein ausgewogenes und spielerisches Handling. Sie glänzen mit hervorragendem Einlenkverhalten bei gleichzeitig guter Stabilität, wenn man es mal eilig haben sollte. Auf Honda und Suzuki sitzt man sehr gut in das Gerät integriert, während man bei der Yamaha von einer etwas vorderradorientierteren Sitzposition sprechen kann und dadurch zu mehr Bewegung am Sattel eingeladen wird. Bei aktiver Fahrweise kommt es auf der Yamaha des Öfteren vor, dass man mit den Angstnippeln auf den Fussrasten schleift, diese lassen sich aber demontieren. Bei der Honda sollte man anmerken, dass die Gasannahme etwas ruppig ist, wenn man in der Kurve nur leicht Gas geben möchte, sie fordert vom Fahrer das meiste Fingerspitzengefühl in der Gashand.

Bremsen

In dieser Kategorie wurde die Suzuki anfangs aus der Wertung genommen, weil die Bremse noch nicht eingefahren, ja gar jungfräulich war. Nach einigen Kilometern kann sie nun aber endlich ihre volle Bremskraft entfalten und braucht den Vergleich nicht mehr zu scheuen. Bei der Honda und der Suzuki kommen vorne Zweikolbensysteme zum Einsatz, die Yamaha wurde hingegen mit einer Vierkolbenbremsanlage bestückt. Insgesamt sind die Verzögerungswerte auf einem hohen Niveau und vermitteln Vertrauen, die Honda Bremse hat am Ende des Tages aber am meisten überzeugt.

Fazit

Um das Fazit einzugrenzen, müssen wir zur anfänglichen Frage zurückkehren: was macht ein Einsteigermotorrad wirklich zu einem guten Einsteigermotorrad? Genau das, was einfach ein Motorrad zu einem guten Motorrad macht. Gutes Handling, spritzige Fahrleistungen, ansprechende Optik und ein guter Preis. Klingt doch ganz einfach. Doch nach all den Fakten und Zahlen vergisst man oft etwas sehr wichtiges, wenn nicht sogar das wichtigste beim Motorradfahren - die Emotion. Sie ist es, die das Motorradfahrerherz höher schlagen lässt und uns Lust auf mehr macht. Am meisten Emotion versprüht die Yamaha, mit ihrem quirligen Triebwerk und agilen Fahrwerk pumpt sie das meiste Adrenalin in das Nervensystem des Piloten und verspricht lang anhaltenden Fahrspass und das nicht nur für Einsteiger oder Wiedereinsteiger.

Michael G. Fox

MICHAEL G. FOX

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Fazit: Suzuki SV 650 2016

Die neue SV650 schliesst an den optischen Minimalismus der beiden ersten SV650-Generationen an, baut technisch aber auf der direkten Vorgängerin SFV650 Gladius auf - zwei ausgezeichnete Schachzüge, die aus der sehr modernen SV650 einen Klassiker macht. Das Design passt herrlich in die Zeit der vielen Retro-Umbauten, im Inneren schlummern aber auch moderne Gimmicks, die vor allem Anfängern den Einstieg erleichtern. Der Motor kann hingegen auch Fortgeschrittene überzeugen, das typische V2-Felling ist herrlich. Bei Fahrwerk und Bremsen darf man nicht extreme Sportlichekeit erwarten, der Preis von knapp 6400 Euro (in Deutschland) ist dafür eine Ansage, bei der die Konkurrenz wohl schlucken muss.


  • agiler, kräftiger Motor
  • typischer V2-Sound
  • angenehme und niedrige Sitzposition
  • einfaches Handling
  • komfortables Fahrwerk
  • gut dosierbare Bremsen
  • schlecht ablesbarer Digital-Drehzahlmesser

Michael G. Fox

MICHAEL G. FOX

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Fazit: Honda CB650F 2016

Die Optik ist gelungen, die Bremse überraschend kräftig, das Fahrwerk ein tadelloser Kompromiss und der Motor ein sanfter und souveränder Genosse. Für diese stimmige und hochwertige Kombination geht schliesslich auch der Einführungspreis von knapp unter 8000 Euro in Ordnung.


  • Ausgezeichnete Bremsmanöver möglich
  • gelungenes, sportliches Aussehen
  • aufrechte, angenehme Sitzposition
  • höheres Gewicht
  • Motor macht nicht so euphorisch wie die Zweizylinder der Konkurrenz

Michael G. Fox

MICHAEL G. FOX

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Fazit: Yamaha MT-07 2016

Die MT-07 ist eine unglaubliche Spassmaschine, die sich extrem sportlich bewegen lässt. Die Bremsen packen ordentlich zu, das Handling ist herrlich und der Motor ist derzeit das mit Abstand agilste Triebwerk in dieser Klasse - und sogar darüber.


  • sehr agiler Motor
  • sehr leichtes Handling
  • niedriges Gewicht
  • aggressiv kantige Optik
  • kräftige Bremsen
  • angenehme Sitzposition
  • kerniger Sound
  • umfangreiches und gut ablesbares Display
  • Fahrwerk etwas weich
  • Fussrasten schleifen bald
  • teilweise günstige Plastikteile
  • langweilige Telegabel

Bericht vom 07.07.2016 | 33'684 Aufrufe

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