Retrobikes in den Alpen: R nineT, Thruxton und Street Twin

Die BMW R nineT, Triumph Thruxton und Street Twin im Vergleich

Retrobikes bewegen sich in den Alpen nicht unbedingt in ihrer natürlichen Umgebung. Deshalb war es umso interessanter, wie glücklich wir dort mit R nineT, Thruxton und Street Twin werden würden.

In den Alpen ist nicht alles anders, aber vieles. So ist es zum Beispiel ein von Softcore-Klamaukfilmen überliefertes Gerücht, dass es auf der Alm koa Sünd gibt. Die gibt es nämlich zuhauf, weil es sonst nicht viel gibt. Eigentlich nutze ich unsere schönen Berge lieber zum Wandern, um eine zünftige Jause zu geniessen, oder Kühe zu streicheln und Murmeltiere zu füttern. Doch einmal im Jahr ziehe ich den Asphalt der Alm vor, wenn wir zum Highbike Testcenter in Ischgl ausrücken, um eine feine und auch nicht kleine Auswahl von Motorrädern unterschiedlicher Gattungen und Marken miteinander zu vergleichen. Miteinander heisst auch, dass K.OT, NastyNils, Vauli und Rennfahrer-Legende Klaus Grammer ihre Meinung zu den getesteten Fahrzeugen abgeben, zumindest im Video. Der Text entsprang bloss meiner Feder, doch soll auch sie Wahrheit sprechen.

Es soll nicht vermessen klingen, doch meine ich die meiste Erfahrung mit unseren drei Heritage-/Retrobikes zu haben, denn ich war zum Pressetest der Street Twin geladen, darf eine Thruxton R meinen Dauertester nennen und bin die R nineT öfter gefahren als jedes andere Mitglied der Redaktion. Mit dieser Feststellung möchte ich auch gleich losstarten und zunächst die kleine Street Twin im Umfeld grosser Höhen und unzähliger Spitzkehren bewerten. Mit der Bezeichnung klein tut man der Street Twin allerdings Unrecht, denn 900 Kubik in zwei Zylindern sind alles andere als klein, die anderen Bonnevilles, zu der auch die T120, T120 Black, sowie Thruxton und Thruxton R zählen, sind ihr nur über den Kopf gewachsen. Weil aber nicht jeder Kunde mitwachsen kann und möchte, hat Triumph eine kleinere Variante in Form der 55 PS starken Street Twin behalten.

Triumph Street Twin

Die Street Twin mag einen klaren Leistungsnachteil gegenüber den anderen beiden Bikes haben, so ist die R nineT gleich doppelt so stark, aber ihr maximales Drehmoment von respektablen 80 Nm steht schon bei 3230 Touren an! Und genau das ist ein riesen Vorteil beim Passstrassen-Bergsteigen in den engsten nur möglichen Kurven den Spitzkehren. Selbst wenn sie nicht so agil einlenkt, ist ihre niedrige Bauweise mit ebensolchem Sitz (750 mm) der zweite grosse Vorteil. Nicht nur in den Kurven, auch beim Manövrieren, Schieben und sonstigen Bewegungen, mit denen man in den Alpen zwangsläufig konfrontiert wird: In unebenen Kehren halten, auf abschüssigen Parkplätzen parken, durch holprige Baustellengräben kraxeln.

Vorteil niedrige Sitzhöhe

Ein sicherer Tritt und Stand ist in den Alpen Voraussetzung für jeden, der den Gipfel erreichen will. Beim Abstieg geraten Fahrwerk und Bremsen des trocken 198 kg leichten Sympathieträgers, den auch Wanderer und Wadlmänner nicht als Störfaktor empfinden, mächtig unter Druck, wo sich empfiehlt, die Nissin Doppelkolbenbremse mit einer 310 mm Scheibe immer etwas früher zu aktivieren und es mit der beschränkten Schräglage nicht zu übertreiben, weil man sonst allzu schnell vom markierten Wege abkommt. Die Street Twin muss man locker traben lassen, bergauf wie bergab und dabei die eigentliche Schönheit dieser Landschaft geniessen, und die hat nicht der Mensch geschaffen.

Triumph Thruxton

Sie mögen recht verschieden sein, doch die Street Twin und die Thruxton sind Schwestern, die beide zur Bonneville-Familie gehören, die Triumph dieses Jahr kräftig ausgestockt hat. Thruxton und Bonnie T120 / T120 Black wurden mit einem völlig neu entwickelten, 1200 Kubik grossen Parallel-Twin ausgestattet. In den Thruxtons werkt die High Power-Variante mit 97 PS / 112 Nm, in den Bonnies die High Torque Variante mit 80 PS / 105 Nm. Wie viele sicher schon in zahlreichen Testvideos und Vergleichen gesehen und gelesen haben werden, habe ich mit der Thruxton R so viel Spass wie mit keinem anderen Dauertester zuvor. Sie ist so gelungen, dass sie letztens sogar einen österreichischen Rennfahrer, der bei unseren Grippartys als Instruktor aushilft, völlig verzaubert hat. Ich weiss nicht, wieso ist das Motorradl so gut find, es is einfach geil.

Man könnte jetzt einzelne Gründe dafür aufzählen, warum sich jeder, der mit der Thruxton R in Berührung kommt, in sie verliebt, aber letztendlich liegt es am harmonischen, perfekt abgestimmten Gesamtkonzept, das die Engländer entwickelt haben. Bei der R spielen Motor, Fahrwerk (Öhlins) und Bremsen (Brembo) perfekt zusammen. Sogar auf der Rennstrecke hat sie mich über alle Erwartungen begeistert. Deshalb war ich umso gespannter, wie die Thruxton mit Kayaba-Dämpfern und Nissin-Bremsen fahren würde und war sehr überrascht.

Der R-Variante weit unterlegen

Die Alpen sind zwar für jedes Motorrad eine harte Prüfung, aber der Einsatz der beiden Thruxtons würde auf der Rennstrecke einen noch grösseren Unterschied in der Leistungsfähigkeit sichtbar machen. Die 41 mm Telegabel (nicht Upside-Down) ist nicht einstellbar, die beiden KYB-Stossdämpfer nur in der Vorspannung. Vorne wird mit zwei 2-Kolben-Schwimmsätteln und 310 mm Scheiben verzögert. Die Performance dieser Austattung liegt weit unter jener der edlen R-Ware. Abschaltbares ABS, Traktionskontrolle und 3 Fahrmodi sind zwar an Board, das kann die Defizite in den Fahreigenschaften aber keineswegs verringern. In der Geometrie gibt es leichte Unterschiede, die insgesamt ein anderes Motorrad aus der Thruxton werden lassen.

Sie ist eben noch klassischer als die R und fährt sich auch so, worauf man sich besonders auf schlechtem Asphalt einstellen sollte. Sportliche Fahrer sollten daher unbedingt den Aufpreis für die R in Kauf nehmen, weil es vergleichsweise wenig Geld für sehr viel mehr Leistung ist. Ich nahm mich also bei unserer Ausfahrt etwas zurück und fuhr die Thruxton ihrem Naturell entsprechend in unserer gemeinsamen Komfortzone, die dann schon sehr nahe an jener der Street Twin lag.

BMW R nineT

Die Heimatfilm-Romantik unseres Alpentests komplettiert die schon jetzt legendäre BMW R nineT, ein Motorrad zum 90-jährigen Jubiläum von BMW Motorrad und für die Ewigkeit. Ein Denkmal für den Boxer und seine letzte unverfälschte Verkörperung. Die nineT ist mit dem optionalen Alutank, auf Wunsch mit einer Schweissnaht schöner als ein Diamantencollier, noch begehrenswerter als im Original. Im Vergleich zur Thruxton R ist sie zwar ruppig, rau und rigid, der Boxer in den Alpen aber eine Macht. Bei 6000 Touren stehen fast 120 Nm Drehmoment an, weit unten sind es schon genug, um ebenso entspannt wie druckvoll aus den Ecken zu feuern.

Man schafft es praktisch nicht, sie im Scheitel abzuwürgen und umzukippen, wie es mit einem V2 gerne mal passiert. So gut wie sie beschleunigt, verzögert sie auch, was man bei BMW schon seit Langem voraussetzen kann und besonders bei der Abfahrt die Nerven beruhigt. Komfortmässig ist man zwar weit entfernt von einer GS, kann über den breiten Lenker aber schnelle Impulse setzen und plötzliche Kurskorrekturen vornehmen. Schon auf normalen, gut gepflegten Landstrassen fällt das straff abgestimmte Fahrwerk aus, auf dem von Wind und Wetter auf- und ausgebrochenem Asphalt über 1000 m wird die Abstimmung aber mitunter zur Belastungsprobe.

Diese BMW ist eben nichts für Bequeme, sondern für echte Boxerfreunde, die genau diesen Sound und genau diese Kraft(entfaltung) erleben wollen.

Und wo kann man diese und weitere Motorräder günstig in den Alpen mieten?

Am besten im Highbike Testcenter in Ischgl / Paznauntal - da gibt es alle Traummotorräder quasi zur "freien" Entnahme. Maschinen wie eine BMW K 1600 GTL, KTM 1290 Super Duke GT, Aprilia Tuono Factory, Ducati XDiavel S oder Triumph Thruxton stellt man sich nicht so ohne weiteres in die Garage. Sie sind geil aber nicht günstig. In Ischgl kann man sie zu konkurrenzlos günstigen Preisen mieten und fühlt sich dabei wie im Paradies. Subventioniert wird das Projekt vom Tourismusverband und von der Motorradindustrie. Die Abwicklung ist denkbar unkompliziert: Einfach ein Wunschquartier für den Alpenurlaub im Paznauntal wählen - dabei spielt es keine Rolle ob man am Campingplatz nächtigt, im MoHo Motorradhotel oder im 5-Strerne-Palast. Die Zimmerpreise sind im Sommer deutlich günstiger als im Winter und das Personal ist auch wesentlich entspannter. Die Partymetropole Ischgl wird zum Mekka für Aktivurlauber und man fühlt sich als Motorradfahrer/in richtig wohl. Die Motorräder reserviert man dann vorab auf der Website vom Highbike Testcenter.

Ischgl Top of the Mountain Biker Summit

Im Winter ist Ischgl der Party-Hotspot schlechthin. Wer die Partystimmung aber auch im Sommer geniessen möchte, besucht Ischgl am besten während des "Ischgl Top of the Mountain Biker Summits". Das grosse Motorradtreffen mit dem einzigartigen Rahmenprogramm findet von 22. bis 24. Juli 2016 statt. Mehr Infos zum Ischgl Top of the Mountain BIker Summit.

Fazit: BMW R nineT 2016

Mit der RnineT hat BMW sich und dem Boxer ein Denkmal geschaffen, das es in viele Garagen dieser Welt geschafft hat. Die R nineT ist aufgrund ihres gelungenen Gesamtkonzepts ein Verkaufsschlager und diente zahlreichen Customizern als Basis für vielfältige Umbauten. Im Vergleich zu einer Thruxton wirkt die BMW aber nicht in allen Details authentisch und auf den schlechten Strassenbelägen in den Alpen kann es schon mal sein, dass einem das Fahrwerk zu hart abgestimmt ist, oder der Aufpuff auf Dauer zu laut ist.


  • solide Technik
  • starke Bremsen
  • einzigartige Optik
  • satter Sound
  • fettes Drehmoment
  • für schlechte Strassen hart abgestimmt
  • Auspuff auf Dauer etwas laut
  • nicht 100% authentisch

Fazit: Triumph Street Twin 2016

Die Triumph Street Twin ist ein Genussmotorrad par excellence, dessen 55 PS starker Motor in ein-druck-svoller Manier beweist, worauf es wirklich ankommt, nämlich Drehmoment. Und zwar genau dort, wo man es braucht, in der Drehzahlmitte. 80 Nm schieben das 217 kg schwere Motorrad mit angenehmem Druck nach vorne und führen den Fahrer nie in Versuchung, den Motor über Gebühr zu strapazieren, sprich zu drehen. Beim Design blieb Triumph gewohnt authentisch und bietet mit über 450 Zubehörteilen und den drei "Inspiration Packs" unzählige Möglichkeiten der Individualisierung. Ein Lehrstück in Sachen moderner Klassiker.


  • hervorragend abgestimmter Motor
  • hohes Drehmoment
  • niedriger Verbrauch
  • authentisches Design
  • gute Qualität und saubere Verarbeitung
  • Grundform (ohne Zubehör) etwas nüchtern
  • Fahrwerk und Bremsen stossen im sportlichen Einsatz an ihre Grenzen

Fazit: Triumph Thruxton 1200 2016

Die Thruxton liegt bei der sportlichen Performance weit hinter der mit Öhlins und Showa bestückten "R". Das wird auf den Alpenpässen, wo ein gutes Fahrwerk, starke Bremsen und ein leichtes Handling entscheidend sind, besonders deutlich. Dafür belohnt sie das Auge des Ästheten mit einem noch authentischeren, weil klassischeren Äusseren. Laien können eine neue Thruxton kaum von einem Old- oder Youngtimer unterscheiden. Wie die Street Twin wirkt sie auf Passanten sympathisch und sollte eher entspannt genossen werden.


  • starker, fein abgestimmter Motor
  • authentische Optik
  • echtes Klassikbike
  • Fahrwerk deutlich unter jenem der "R"
  • mässiger Komfort
  • braver Sound

Bericht vom 10.07.2016 | 27'798 Aufrufe

Empfohlene Berichte

Pfeil links Pfeil rechts