Harley-Davidson Softail Heritage Classic 114 Test 2018

Das Reisetalent unter den neuen Softails

Bei acht neuen Harley-Davidson Softail-Modellen für 2018 muss ja eines das gemütlichste und am besten für grössere Touren geeignete Modell sein. Die Softail Heritage Classic 114 überzeugt - Nomen est Omen - mit klassischem Look, abnehmbarer Verkleidungsscheibe und praktischen Hartschalen-Koffern. Dank Milwaukee-Eight-Motor und völlig neuem Rahmen kann sie aber auch ziemlich flott gefahren werden!

Dass den Harley-Davidson Softail-Modellen für 2018 die umfangreichste Modernisierung seit Bestehen dieser Baureihe geschenkt wird, liegt nicht nur daran, dass sie die "Lieblingskinder" von Willie G. Davidson sind, sondern auch daran, dass diese herrlich klassische Optik, die durch die versteckte Hinterradfederung einen Starrrahmen imitiert, auch bei den Harley-Fans äusserst gut ankommt. Man muss allerdings auch als neutraler Betrachter zugeben, dass eine Harley Softail ganz einfach ein ausgezeichnet proportioniertes, schönes Motorrad ist.

Harley-Davidson Softail Heritage Classic - ein grosser Schritt in die Moderne

Nun ja, eine Fat Bob oder eine Breakout sind zwar sehr speziell, aber die Softail Heritage Classic gefällt von vorne bis hinten mit ihrem klassischen Aussehen und der gelungenen Übertragung der alten Werte in die Moderne. Denn LED-Licht an der Front, der State-of-the-Art Milwaukee-Eight-Motor und das völlig neue Chassis integrieren sich ausgezeichnet in die typische, gewohnte Optik, die eine Heritage Classic seit mehr als drei Jahrzehnten prägt - und voraussichtlich noch länger prägen wird.

Der Motor behält die typischen Harley-Vibrations

Die vielen neuen Elemente fallen also optisch nicht negativ auf, machen dafür fahrtechnisch einen umso positiveren Eindruck. Schon alleine der Motor kann voll und ganz überzeugen, die bereits in den Touring-Modellen eingeführte Motoren-Generation mit Vierventiltechnik, Doppelzündung und moderner Einspritzung besitzt bei den Softails nun zwei Ausgleichswellen, damit unangenehme Vibrationen weggefiltert werden, die angenehmen "Vibrations" eines Harley-Triebwerks durch die starre Befestigung des Motors im Rahmen aber voll ausgekostet werden können.

Dicker Bums aus 1868 Kubik auf der Harley-Davidson Softail Heritage Classic 114

Wie bei drei anderen neuen Softail-Modellen (Breakout, Fat Boy und Fat Bob) kann auch die Heritage Classic mit zwei verschieden starken Motoren geordert werden. Ich durfte die stärkere 114 Cubik Inch-Version mit 1868 Kubik Hubraum, 94 PS bei 5020 Umdrehungen und satten 155 Newtonmeter Drehmoment bei nur 3000 Touren testen - und war natürlich auch bei diesem Modell äusserst angetan von der explosiven Leistungsentfaltung, die trotz 330 Kilo fahrfertigem Gewicht relativ leichtes Spiel mit der Heritage Classic haben.

Gemütlich Cruisen statt sportlich andrücken

Dennoch ist die Softail Heritage Classic 114 das einzige der vier, mit stärkerem Motor erhältliche Modell, bei dem ich auch mit dem schwächeren Triebwerk leben könnte. In der Street Bob durfte ich ausloten, dass auch die 87 PS bei 5020 Umdrehungen und die "nur" 145 Newtonmeter maximales Drehoment bei 3000 Touren des kleineren 107 Cubik Inch-Motors mit 1745 Kubik Hubraum durchaus ausreichen, um sich ebenfalls keineswegs untermotorisiert zu fühlen. Immerhin konnten der Softail Heritage Classic stolze 17 Kilo gegenüber der Vorgängerin abtrainiert werden. Klar machen 33 Kilo mehr gegenüber der Street Bob die Heritage Classic etwas träger, aber bei keinem anderen Modell geht es weniger um Rasen, statt um Reisen.

EIne Scheibe gegen 330 Kilo auf der Harley-Davidson Softail Heritage Classic

Daher stört mich auch gerade bei der schweren Softail Heritage Classic 114 am wenigsten, dass sie lediglich mit einer Bremsscheibe an der Front auskommen muss, denn die Bremsanlage mit 300er-Scheibe und Vierkolben-Festsattel ist gut dosierbar und bringt das hohe Gewicht sicher zum Stillstand - freut sich aber natürlich über die Unterstützung durch die hintere 292 Millimeter-Scheibe samt Zweikolben-Schwimmsattel.

Drei Grad mehr für ein völlig neues Fahrgefühl

Für den extrem gelungenen Cruiser-Charakter spricht auch die, meiner Meinung nach gemütlichste Sitzposition der vier von mir getesteten neuen Softails. Fett gepolsterter Sattel, auch für den Sozius, aufrechte Sitzposition, komfortable Trittbretter um die Füsse abzustellen - der Feauteuil im Wohnzimmer kann das kaum besser. Dennoch kann die Heritage Classic 114 viel schwungvoller um Kurven geworfen werden als noch die Vorgängerin - der neue Softail-Rahmen macht es möglich. Denn nicht nur, dass die vordere 49er-Dual Bending Valve-Gabel von Showa und das Monofederbein im Heck sehr sensibel und transparent ansprechen, der nun schmälere Rahmen sorgt auch noch für drei Grad mehr Schräglagenfreiheit. Das hört sich nicht viel an, im Reich der dicken Cruiser sind es aber Welten, die dafür sorgen, dass die Trittbretter unerwartet spät Kontakt mit der Strasse aufnehmen.

Mit der Harley-Davidson Softail Heritage Classic kann man auch weiter weg

Ich bin jedenfalls einer, der sich nur sehr ungern den Fahrstil vom Motorrad aufdrücken lässt. Und wenn Motor und Fahrwerk höhere Geschwindigkeiten zulassen, fahre ich auch gerne flotter um die Kurven, als es sich die Schräglagenfreiheit vielleicht wünscht. Und gerade für solche Fahrer wie mich ist es ein Segen, dass man nun flotter um diverse Radien tschundern kann, als es mit allen Vorgängerinnen möglich war. Damit macht so manche flotte Fahrerei richtig Spass und mit der Heritage Classic 114 kann man sogar die weit entfernten herrlichen Strassen fremder Länder erkunden.

Denn das Reisepotential ist bei ihr von allen Softails am höchsten - der Windschutz am besten und die Seitenkoffer gross genug für einen ausgedehnten Trip. Wer es lieber luftig mag, kann die Frontscheibe auch ganz schnell ohne Werkzeug abmontieren, wobei sich das eher für kleine Fahrer empfiehlt, die den Fahrtwind spüren wollen. Grössere Fahrer bekommen nämlich trotz Windschild ohnehin genügend Wind ab - man will die Softail Heritage Classic 114 wohl doch von den dezidierten Touring-Modellen weit genug abgrenzen. Aber das passt so sehr gut, denn auch die Koffer fügen sich in die Semi-Professionalität bezüglich Touring-Qualitäten ein: Für die ganz grosse Reise eindeutig zu klein, aber immerhin viel besser als der lästige Rucksack hinten drauf.

7 PS, 10 Newtonmeter und 2000 Euro für noch mehr Prestige

Als unscheinbare Revolution darf man auch den Wechsel auf Hartschalenkoffer werten - sieht man sich Soft-Packtaschen aus Leder nach einigen Jahren und oftmaligen Regenfahrten an, wie sie ihr Volumen verlieren und wie Vileda-Tücher zum Boden aufwischen da hängen, schätzt man die Hartschalen mit Lederüberzug der neuen Softail Heritage Classic 114 wohl noch mehr. Wer also die neue Sportlichkeit der 2018er-Softails erfahren möchte, dabei aber keineswegs auf den typischen gemütlichen Cruiser-Charakter verzichten möchte, bekommt mit der Harley-Davidson Softail Heritage Classic das stimmigste Paket. Ob es die Version mit 114 Cubik Inch sein muss, hängt meiner Meinung nach bei diesem Modell lediglich vom Geldbörserl ab, wer sich die rund 2000 Euro für 7 PS und 10 Newtonmeter mehr gönnen will/kann, bekommt damit auch gleich etwas mehr Prestige - und darum geht es bei einer Harley doch auch immer ein bisschen.

Fazit: Harley-Davidson Softail Heritage Classic 114 FLHCS 2017

Sie ist nicht die sportlichste, nicht die leichteste und nicht die auffälligste Softail unter den acht neuen Modellen, insgesamt ist die Softail Heritage Classic 114 aber das stimmigste Gesamt-Paket. Dank kräftigem, modernen Motor und neuem Chassis fährt sie sich sportlicher als jede Heritage Classic zuvor, behält sich aber diesen gewissen Komfort bei, den man auf einem Cruiser, der auch touren kann, nicht missen möchte. LED-Scheinwerfer, Drahtspeichenfelgen und weniger Chrom ergänzen sich zu einem klassich modernen Auftritt, den man sich wohl in 20 Jahren auch noch ansehen kann.


  • stimmiges Gesamtkonzept
  • zum Cruisen und für Touren geeignet
  • mehr Schräglagenfreiheit
  • kräftiges Triebwerk
  • gute Bremsen
  • sehr komfortable Sitzposition
  • Windschutz könnte besser sein

Bericht vom 10.10.2017 | 67'616 Aufrufe

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