Die Zweiradflüsterer

E-Bikes ab 2011, 125er und 250er ab 2013. Mindestens 5, darunter sicher ein Roller.
E-Bike Vorstellung
KTM Freeride
 
März 2010. Aus der im Herbst 2008 entworfenen Vision wird Wahrheit:
KTM bekennt sich zum österreichischen Zero-Emission-Sportmotorrad und gibt den Fahrplan bekannt. Frisches Potenzial für den Geländesport, langfristig sogar das Überleben, innovative Möglichkeiten für Tourismusregionen eigentlich passt bei genauer Betrachtung die Elektromobilität fast nirgendwo so gut hin wie zu KTM.
 

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Der Preis der KTM Freeride ist mit unter 10.000 Euro avisiert, die technischen Eckdaten sind mehr als beachtlich: Fahrzeuggewicht (inklusive Akku-Paket) 90 Kilo; beste Brems- und Federungskomponenten aus der Rennabteilung; noch aussagekräftiger als die Nennleistung mit 7,4 kW (10 PS) und die kurzfristige Spitzenleistung mit 22 kW (30 PS) ist das enorme Drehmoment mit 43 Newtonmetern, das ab dem ersten Zupfer am Drehgriff hellwach ist; der Lithium-Mangan-Akku hat einen Energieinhalt von gewaltigen 2500 Wattstunden und ist nach nur eineinhalb Stunden am Ladegerät schon wieder voll. Das reicht für eine Stunde im Gelände, ein Strassen-Elektrofahrrad könnte damit gute 500 Kilometer weit kommen.
 
Die Maschine wirkt unglaublich leicht, schmal, zart und zierlich dabei sehen die USD-Gabel, das Zentralfederbein, der Alu-Stahl-Rahmen und die Bremserei so kompetent aus, als ob damit die Weltmeisterschaft nach Hause geholt werden kann. Wir stehen mit DI Harald Fraueneder, KTM-Entwicklungsleiter für elektrische Antriebe, in der R-&-D-Abteilung in Mattighofen und lassen uns die Details des orangen Sportlers erklären. Die KTM-Entwickler sind sich sehr wohl der besonderen Aufgabe bewusst: Unter den Aspiranten auf die Freeride gibt es markentreue Fans, die sich von KTM keinen technischen Patzer erwarten. Und es wird Neulinge geben, die aufgrund der elektrischen Möglichkeiten überhaupt zum ersten Mal mit einem Zweirad sportlich im Gelände unterwegs sein werden. Die Mitbewerber Quantya und Zero sind bereits am Markt und haben einige Jahre Vorsprung.
 
Was ist das Besondere an der KTM Freeride, wodurch wird sie sich auszeichnen?
Der grösste Unterschied zu anderen E-Crossern ist das Hochspannungskonzept, meint Harald Fraueneder. Wir fahren nämlich mit 300 Volt. Dadurch können wir die relativ hohe Leistung besser handeln. Bei geringerer Spannung müssten wir ziemlich dicke Kabel verwenden, um die nötige Stromstärke zu übertragen. Ein spezielles Merkmal der Freeride ist auch, dass das zirka 21 Kilo schwere Akku-Pack blitzschnell mit einem Handgriff zu entnehmen ist. Das eröffnet uns die Möglichkeit, dass wir über innovative Ideen nachdenken zum Beispiel über die Miete beziehungsweise das Leasing der Batterien. Ausserdem muss man die Maschine nach einer Offroad-Session nicht an die Ladestation hängen andere Akkus rein und derselbe oder ein anderer Pilot kann sofort weiterfahren. Weiters kann die Freeride die allerhärteste Behandlung wegstecken: Die Technik der Antriebseinheit ist völlig gekapselt man kann die Maschine einen Meter tief ins Wasser stecken und nachher weiterfahren als wäre nichts geschehen.

Es fällt auf, dass trotz des kompakten Motors durch den darüber sitzenden Akku der Gesamtschwerpunkt etwas hoch erscheint. Der Motor ist eine Eigenentwicklung, die von einem Zulieferer nach KTM-Vorgaben produziert wird, die Steuerelektronik wird von einem spezialisierten Salzburger Automobilzulieferer entworfen und gebaut. Der Controller bietet sich an, um verschiedene Motorcharakteristiken, vielleicht sogar eine Traktionskontrolle abrufen zu können?
Das ist der Plan. Das Drehmoment ist so unmittelbar und immens, dass wir sogar dazu gezwungen sind, verschiedene Leistungsstufen anzubieten. Das wird ganz einfach über eine kleine Bedienungseinheit, die am Steuerkopf platziert ist, möglich sein. Über die Rekuperation, also die Energierückgewinnung beim Bremsen, denken wir gerade nach der Knackpunkt dabei ist, dass dadurch im Gelände das Hinterrad niemals blockieren darf. Beim Schwerpunkt liegen wir günstig: Er ist sogar tiefer als bei einem herkömmlichen Geländemotorrad mit vollem Tank. Besonderen Wert haben wir auf ein superleichtes Chassis gelegt, denn die Summe aus Motor und Akku ist bei einem E-Bike deutlich gewichtiger als bei einem Old-School-Motorrad: Dort wiegt der Motor bei einer 125er gerade einmal 16 Kilo, und es kommen nur noch ein paar Kilo fürs Benzin dazu. Diesen Nachteil müssen wir beim Gesamtgewicht der Elektrischen wettmachen.
 
Durch die listige Verlegung der Bedienung der Hinterradbremse ans linke Lenkerende (der gewohnte Kupplungshebel fällt ja weg) bekommt der Freeride-Pilot den unschätzbaren Vorteil, dass man beide Beine am Boden abstützen kann, wenn man einmal bei einer Steilauffahrt hängenbleibt man kann Vorder- und Hinterrad per Handhebel blockieren.
Der Freeride-Prototyp in der KTM-Entwicklungsabteilung sieht bereits so geschliffen und so fertig aus, als ob man damit vom Händlerschauraum direkt auf die Piste fahren könnte. Was (bei einer gewissen räumlichen Nähe) dann ja auch möglich sein wird, die Freeride soll ab Frühjahr 2011 nummerntafelfertig zu haben sein.
 

DIE TECHNIK DER KTM FREERIDE


Motor: Permanent-Synchronmotor in Scheibenläufer-Bauweise
Nennleistung/Spitzenleistung: 7,4 kW/22 kW (10 PS/30 PS) bei 6000/min
Drehmoment: 43 Nm bei 500/min
Kraftübertragung: Direktantrieb ohne Kupplung mit Zahnradgetriebe und Kette zum Hinterrad
Akku: Li-Ionen-Mangan, 300 V, 2500 Wh
Ladezeit: 1,5 h
Fahrwerk: Deltaboxrahmen mit Alu-Schmiedekomponenten
Federung: Upside-down-Gabel, Monoshock mit progressiver Dämpfung
Bereifung: 21" Trial-Enduro
Bremsen: radial montierte Bremskolben, Handbetätigung für Vorder- und Hinterrad
Gesamtgewicht: 90 kg
Spitze: 70 km/h


Interview

 

KTM-Vorstand STEFAN PIERER über Achtelliter, Roller und E-Mobilität

ES WIRD EIN SPORTROLLER


Spätestens ab 2013, wenn die 3. EU-Führerscheinrichtlinie umgesetzt wird, erlebt die 125er-Klasse in Österreich eine starke Aufwertung. Wird KTM das Angebot ein bisschen danach ausrichten und die Palette erweitern?
Selbstverständlich. Die dynamische Duke 125 wurde ja bereits in Mailand 2009 vorgestellt und ist für die Saison 2011 erhältlich. Für 2013 werden wir dann insgesamt drei bis fünf neue Modelle haben. Alle mit Viertaktmotor. Wir designen und entwickeln die Motorräder, die dann in Indien von unserem Partner (Anm. der Red.: Bajaj, Indiens grösster Produzent von Autos, Zweirädern und Autorikschas) nach unseren Qualitätskriterien gefertigt werden. Neben der Naked wird es eine vollverkleidete Version geben, natürlich auch eine Supermoto.
 
Dann gleich die unvermeidliche Frage: Von zumindest einem namhaften europäischen Hersteller weiss man, dass er demnächst in den Rollermarkt eintreten wird. Gehört KTM da auch dazu? Die Marke hat ja mit den wenn auch lang zurück liegenden Modellen Mirabell, Mecki und Ponny eine gewisse Tradition.
Sie können sicher sein, dass unter den drei bis fünf neuen Modellen ein Roller sein wird! Und zwar ein wendiger Sportroller. Mit ordentlichem Chassis und tollen Fahreigenschaften. Dazu noch eine wichtige Information: Alle diese drei bis fünf kommenden 125er wird es auch in einer 250-Kubik-Version geben. Damit zielen wir vor allem auf den boomenden brasilianischen Zweiradmarkt. Da gibt es eine Volkswirtschaft, die in Zeiten wie solchen ein stabiles Wachstum hat! Jährlich werden dort sagenhafte 800.000 Viertelliter-Zweiräder verkauft. Das KTM-Schicksal sehen wir nicht im Jammern, sondern im Erkennen der Märkte.
 
Grosses Thema Elektrik: Für Motorradhersteller vermuten wir momentan vorerst einmal im Gelände mehr Sinn und mehr Glaubwürdigkeit als am Asphalt, von manchen urbanen Aspekten einmal abgesehen. Ausserdem hat die Elektrik im Zweirad wesentlich weniger Nachteile als im Automobil. Wie ist die KTM-Sicht der E-Mobilität?
Ganz ähnlich. Sowohl beim Offroad-Motorradsport als überhaupt beim Freizeitverhalten in der Natur führt da kein Weg vorbei. Wir können nicht nur den Geländesport in Europa vor dem Untergang bewahren, sondern mit frischen Ideen und Konzepten ganz neue Möglichkeiten eröffnen: Zum Beispiel arbeiten wir daran, die Betreiber von Skilift-Anlagen mit einzubinden und dadurch manchen Regionen einen zusätzlichen Sommertourismus zu ermöglichen. Infrastruktur mit Energieversorgung und Immobilien ist in Wintersportgebieten vorhanden warum nicht mit einem Offroad-Park eine Sommersaison eröffnen?
 
Die ganz grosse Herausforderung steckt ja momentan nicht im Elektromotor, sondern mindestens ebenbürtig in den Akkus und in der hochkomplexen Regelelektronik. Wenn sich KTM hier wertvolles Know-how erwirbt, dann wäre es vielleicht schade, falls das im Gelände verbleiben würde. Sind Strassen-E-Bikes in Planung, vielleicht auch Elektroscooter?
Natürlich prüfen wir alle Möglichkeiten, die sich aus der E-Mobilität ergeben. Den Supermoto-Ableger wird es ja fix geben. Ich beschäftige mich seit 2006 intensiv mit dem Thema und nehme es sehr ernst deswegen hat unsere junge Entwicklungsabteilung für Electric Drivetrains im Unternehmen einen mit der klassischen Motorenentwicklung gleichberechtigten Stellenwert. Aber es geht Schritt für Schritt: 2011 ist zu einem attraktiven Preis unser Freeride-Offroader am Markt.

 
 

Interessante Links:

Text: Bernleitner / Motomobil
Fotos: Bernleitner / KTM

Autor

Bericht vom 22.07.2010 | 10'144 Aufrufe

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