Wie man mit dem Motorrad nicht stürzt.

7 Tipps für ein (möglicherweise) sturzfreies Leben am Motorrad

K.OT teilt wiedermal seine Weisheit(en) mit uns. Weil er aus seinen Stürzen viel gelernt hat, gibt er hilfreiche Tipps weiter, wie man Stürze vermeiden kann.

Genau genommen müsste der Titel heissen: Wie man keinen Unfall hat, oder, Wie man Unfälle (mit dem Motorrad) vermeidet. Wie man das schafft? Keine Ahnung, eine 100%ige Sicherheit gibt es nicht. Haha, reingelegt! Nein, im Ernst. Ich habe es selbst nicht geschafft, in den letzten 13 Jahren Stürze vollkommen zu vermeiden. Aber gerade weil ich einige Male aus verschiedenen Gründen auf dem Bauch gelegen bin und man aus Fehlern viel lernen kann manche meinen sogar, nur aus Fehlern will ich meine Erfahrungen und Verfehlungen mit euch teilen.

Über allem schwebt das Schicksal. Wer also zur falschen Zeit am falschen Ort ist, der kann, selbst wenn er alles richtig gemacht hat und maximal aufmerksam war, zum Handkuss kommen. Diesen Fall, der zum Glück sehr, sehr unwahrscheinlich ist, kann man nicht vollkommen ausschliessen, ausser man nimmt überhaupt nicht am Verkehr teil, auch nicht als Fussgänger. Für alle anderen Fälle gibt es Möglichkeiten, wie man das Risiko eines Unfalls minimieren kann.

Meine Herangehensweise ist kaum wissenschaftlich. Wer ins Detail gehen und die Psyche des Motorradfahrers ergründen will, dem sei das Standardwerk Die obere Hälfte des Motorrades empfohlen. Ich gebe hier nur weiter, was und wie ich es auf der Strasse erlebt habe und erlebe.

1. Check dein Motorrad!

Mit dem Voranschreiten der Technik, vor allem der Elektronik an Board eines Motorrades, wird es zunehmend wichtiger, das Funktionieren aller Systeme vor der Fahrt zu checken. Am wichtigsten werden immer die Reifen, Bremsen und die Lichter/Blinker sein, beim Rest, zum Beispiel der Traktionskontrolle (falls vorhanden) muss man sich darauf verlassen, dass einem der Fehler am Display angezeigt wird. Ein Rundgang sollte aber vor keiner Ausfahrt fehlen. Das Beruhigende ist: An nur 0,2% aller Unfälle sind technische Mängel oder Gebrechen schuld.

2. Check dich selbst!

Bei den letzten Trackdays am Pannoniaring hatten wir 34°. Um die Mittagszeit haben die ersten Fahrer/innen WO gegeben und das war gut so. Denn ein Kreislaufzusammenbruch in der Boxengasse ist besser als draussen auf der Rennstrecke. Zu einem Kollaps muss es aber gar nicht erst kommen. Zuviel Sonne und Hitze beeinflussen die Reaktionsfähigkeit, die Sehkraft, die Konzentration und kosten den Körper viel Energie, von der er durch die erhöhte Belastung beim Motorradfahren ohnehin mehr braucht. Ich selbst bin mit dem Motorrad angereist, dann sechs Turns gefahren (=120 Minuten) und wieder nach Hause gedüst. Dazwischen musste ich Depp unbedingt noch eine kleine Liegestütze-Session im Ducato (damit mich niemand sieht) einlegen. An diesem Tag habe ich mir eindeutig zuviel zugemutet, obwohl ich dachte, ich wäre robust genug. Also: Niemals selbst überschätzen!

3. Check die Strasse!

Im Auto nehmen wir kaum wahr, wenn sich die Asphaltqualität ändert, Kies auf der Strasse liegt, wir einen Tankdeckel überfahren oder kleinere Fahrbahnschäden auftreten am Motorrad schon. Deshalb sollte ein Auge ständig die Oberfläche checken und analysieren, welchen Grip die Strasse vermutlich haben wird. Alles kann man leider nicht voraussehen. Ich selbst bin mal auf einem richtigen Ölsee zu Sturz gekommen, der in der Abendsonne nicht anders spiegelte als ein glatt abgefahrener Asphalt. Aber Verschmutzungen, Abnutzungen und ganz allgemein der Zustand der Strasse sollten, neben anderen Verkehrsteilnehmern, den grössten Einfluss auf deine Fahrweise haben.

4. Check die anderen!

Während ein Auge immer nach vorne gerichtet ist, sollte das andere (bildlich gesprochen) den Gegenverkehr, Seitengassen, Waldränder beobachten. Motorradfahrer/innen müssen quasi ein gespaltenes Hirn haben wie Chamäleons. Dieser Tipp knüpft dort an, wo wir begonnen haben. Man kann nie alles voraussehen oder wahrnehmen, aber vieles. Von einem Betrunkenen am Fussweg kann und muss ich anderes erwarten als von einem jungen Mann, der alle Sinne zusammen zu haben scheint (Vertrauensgrundsatz!). Dasselbe gilt, wenn ich sehe, wie ein alter Mann langsam aber stetig aus einer Seitengasse rollt. Ich sollte davon ausgehen, dass er nicht mehr stehenbleibt. Ist mir auch schon passiert. Man darf nie vergessen, dass einen die anderen anders sehen, als man sich selbst sieht. Oder noch schlimmer man wird gar nicht gesehen, während man denkt, gesehen zu werden.

5. Check dein Spiegelbild!

Eine Erfahrung, oder besser, ein Fehler, den ich oft mache. Ich fahre einem Auto knapp auf, weil ich das unter anderem von der Rennstrecke gewohnt bin und sowieso gleich überholen werde und merke, wie der/die Fahrer/in vor mir nervös wird, mir vielleicht sogar etwas Freundliches deutet oder gar auf die Bremse steigt, um mich abzuschütteln. Obwohl ich gar nicht aus Absicht und gar Aggression auffahre, verstehe ich mittlerweile, warum manche Autofahrer den Motorradfahrer im Rückspiegel als Bedrohung ansehen. Ihr müsst nur selbst mal schauen, wie bedrohlich ein Biker im Rückspiegel wirken kann. Das ist auch der Grund, warum manche Autolenker oft devot zur Seite rücken (in manchen Ländern passiert das selbstverständlich, damit man leichter vorbeikommt), weil ihnen die Wespe im Genick einfach Angst macht. Also versetzt euch hin und wieder in die Menschen im Auto und wie sie vielleicht euch wahrnehmen. Man sieht sich eben nicht selbst auf dem Motorrad.

6. Check den Tacho!

Ich gebe es zu: Ich fahre gerne zügig. Aber ich versuche mich erstens maximal auf die Strasse zu konzentrieren und die vorangegangenen Punkte zu beachten und mir zweitens in jedem Moment bewusst zu sein, dass ein höherer Speed ein höheres Risiko bedeutet. Die doppelte Geschwindigkeit ergibt den vierfachen Bremsweg, die dreifache den neunfachen usw. Nur rein theoretisch: Wenn ich mit 150 auf der Landstrasse dahinblase und auf der Gegenfahrbahn überholt wird, dann kann und muss der mir entgegenkommende Überholende nicht damit rechnen, dass ich mit 150 daherrauche, sondern nur mit 100 (wieder Vertrauensgrundsatz). Die erhöhte Geschwindigkeit ist für viele auch kaum einzuschätzen.

Ich wurde selbst Augenzeuge eines Unfalls, der sich in der Stadt St. Veit an der Glan zum jährlichen Wiesenmarkt zugtragen hat. Der Fahrer einer GSX-R wollte das vorbeiziehende Publikum beeindrucken, zündete seine Reibe ordentlich auf, hob sie in den (Gas-)Wheelie und fuhr am Hinterrad die Strasse entlang. So weit, so gut. Doch ein aus einer Seitengasse schleichendes Auto hat das mittlerweile viel zu schnelle (Meine Schätzung waren so 100 km/h, weil ich eben weiss, wann so ein Motorrad wheelt und wie schnell es beschleunigt, trotzdem ohne Wahrheitsanspruch) und an der Unterseite fast vollkommen schwarze Motorrad übersehen.

Der Fahrer der Gixxer drehte das Gas zu, ging sofort in die Vollbremsung und flog in hohem Bogen über die Motorhaube des Wagens, nachdem sein Motorrad an der linken vorderen Ecke des Autos abgeprallt war. Suzuki erledigt, Fahrer O.K. Abgesehen davon, dass Wheelies eigentlich verboten sind, weil sie die Wirkung der Vorderradbremse ausser Kraft setzen, ist es glaube ich auch nicht erlaubt, 100 in der Stadt zu fahren. Der Motorradfahrer hatte vermute ich mal zu 100% schuld an diesem Zusammenprall. Wenn ihr also selbst einen Gaswheelie aufziehen wollt, tut das auf einer langen Geraden am Freiland, wo euch nicht plötzlich ein Auto, ein Traktor oder ein Hirsch von der Seite in die Quere kommen kann.

7. Check die Lage!

Es ist seltsam. Ich bin im Auto ein extrem defensiver, ja langsamer Fahrer. passt ja eigentlich, da ich gerne Hut trage. Ich fahre auf der Freilandstrasse nie über 100, auf der Autobahn meist nur 120. Das nervt meine Mitfahrer oft ein bisschen, aber ich denke: Solange ich kein richtiges Sportauto besitze, gibt es keinen Grund, schneller zu fahren, da spare ich lieber Benzin bzw. Diesel. Am Motorrad ist das anders, da werde ich hin und wieder zu Mr. Hyde. Ich möchte das nicht näher beschreiben, aber 160 PS bleiben bei mir nicht ungenutzt.

Was ich aber vor allem im Autoverkehr bei hohem Verkehrsaufkommen oder bei sommerlicher Hitze, wo es vielen scheinbar das Hirn weich kocht, gelernt habe, ist das Vorausahnen einer brenzligen Situation. Ich merke ziemlich schnell, wenn sich irgendetwas zusammenbraut. Und ein Unfall entsteht bekanntlich meist dann, wenn mindestens zwei Dumme zusammenkommen, was auf der Autobahn zur Stosszeit keine Seltenheit ist. Sehe ich also irgendetwas noch so Unscheinbares aus dem Ruder laufen und die geregelten Bahnen verlassen, was zu einer Kettenreaktion führen könnte, gehe ich vom Gas oder bremse, halte mich rechts oder spure um und beobachte ganz genau den weiteren Verlauf.

In solch einer ist man als Motorradfahrer/in neben den Radfahrer/innen das schwächste Glied der Kette, weshalb besondere Vorsicht geboten ist, denn am Ende schützt man vor allem sich selbst. Deshalb macht es keinen Sinn, sich duchzuboxen und auf sein Recht zu bestehen, wie das die Österreicher und Deutschen gerne tun, sondern zum Wohle der allgemeinen Sicherheit nachzugeben, wenn es die Situation erfordert. In diesem Sinne: Vollgas mit Hirn!

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Bericht vom 14.06.2017 | 47'598 Aufrufe

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