Motorrad und Nachhaltigkeit: Freizeitbonus fürs Töff?

Zwei Räder contra Mutter Natur

Geht es um mobilen Umweltschutz, liegt das Auto im Fokus – obwohl das Töff auch kein Umweltengel ist. Doch wo stehen Bikes eigentlich und wie nachhaltig kann eine solche Freizeitbeschäftigung sein?

Hand hoch, wer sein Bike konsequent als einziges Fortbewegungsmittel nutzt und damit nicht nur in der Freizeit, sondern dem Alltag unterwegs ist. Und jetzt die Gegenprobe: Wie viele Töff-Piloten nutzen ihren Untersatz für den Sonntagstrip durch die Landschaft? Schlechte Nachrichten, die letztgenannte Gruppe ist deutlich in der Überzahl. Und damit kommen wir auch zu einem Problem, das wenig beachtet wird, nämlich dem Motorrad in einem zunehmend nachhaltigen Umfeld. Können wir uns den jetzigen Status quo noch lange leisten? Ein Kommentar explizit ohne erhobenen Zeigefinger.

Wir Häuflein Glücklicher

3000 Kilometer mit der Triumph T120 ein riesen Spass ohne Reue. Aber auch einer, der alle Biker, die die Natur nicht nur als schönen Hintergrund zum Durchfahren sehen, nachdenklich machen sollte. Denn obgleich moderne Bikes einen Kat haben und seit der Einführung von Euro-4 auch sehr viel leiser geworden sind, muss man noch etwas anderes beachten. Diese neuen Modelle kommen erst jetzt, fast schon kleckerweise in den Handel. Die grosse Masse aller Töffs ist noch nach Euro 3 oder weniger homologiert. Und selbst für die neuen Geräte gibt es nach wie vor keine obligatorischen Abgaskontrollen, auch wenn das immer mal wieder in der Politik hochkommt. In ganz Europa blicken derzeit alle in Richtung Auto. Das beginnt beim Dieselskandal und endet bei der geplanten Einführung des neuen Tesla noch lange nicht. Wir glücklichen Motorradfahrer. Uns nimmt keiner so wirklich wahr. Allerdings ist das nur Glück. Denn jetzt, wo Frankreich, Grossbritannien und andere Länder fest geplant haben, ab 2040 keine Verbrennerfahrzeuge mehr zuzulassen, ist es nur noch eine Frage der Zeit, bis man sich auch auf die Zweiradgemeinde einschiesst wenn wir dem nicht zuvor kommen.

Kilometerfresser

720000 Motorräder sind in der Schweiz zugelassen Tendenz seit Jahren ungebrochen (2006 waren es noch 608000). Im Verhältnis zu den 4524000 Autos klingt das zwar nach nicht viel, aber: wo die meisten Personenwagen (Ausnahmen bestätigen die Regel) grösstenteils Nutzfahrzeug sind, mit dem ihre Besitzer zur Arbeit, zum Einkaufen usw. fahren, werden Motorräder üblicherweise nur in der Freizeit bewegt.

Und hier kommt die Technik ins Spiel: Wie schon erwähnt sind die allermeisten Bikes etwas älteren Datums. Das heisst, noch nicht mit OBD und sämtlichen anderen Gadgets ausgestattet, die das Zweirad in Sachen Nachhaltigkeit auf Auto-Niveau heben. Man kann es drehen und wenden wie man will, aber so schön Biken auch ist, es bleibt auch deshalb ein Hobby, bei dem mit jedem Kilometer die Umwelt überflüssig belastet wird.

Zudem ist bei uns auch das ganze Umfeld vergleichsweise rückständig. Hat jemand schon mal an einer Motorradjacke ein Schild gesehen Fair hergestellt? In praktisch jedem anderen Hobby-Bereich ist das längst gang und gebe, Sportbekleidung etwa kennt bereits seit Jahren eine ganze Bandbreite an ökologischen und sozialen Richtlinien. Bei uns gibt es Leder und Kunststoffe. Und selbst wenn deren vorderste Aufgabe ist, im Fall der Fälle zu schützen, wäre es auch hier durchaus möglich, nachhaltiger an die Sache heranzugehen. Dass dem nicht so ist, ist bei ehrlicher Betrachtung nur deshalb so, weil viele Biker beim Einkauf und Fahren nicht wirklich die Natur im Kopf haben.

Aber: Selbstkasteien bringt nichts. Denn Biken kann umweltfreundlicher gemacht werden von jedem und auf Biker-Weise, also nicht per Dekret von oben oder Diktat von denen, die noch nie im Sattel sassen. Nur müssen wir es angehen, sonst kommen dereinst tatsächlich Gesetze, die uns das Hobby verleiden.

1. Mehr Umweltschutz durch mehr Fahren

Was jetzt kommt, klingt paradox, ist aber eine logische Schlussfolgerung, wenn man mit den Zahlen jongliert. Motorradfahrer schützen am ehesten die Umwelt, wenn sie noch mehr fahren. Wie das zustande kommt? Im Vergleich zum Gewicht verbrauchen Motorräder zwar mehr Sprit als Autos. Doch Mutter Natur geht es nur um absolute Werte. Wenn ein Töff auf 100 Kilometern nur 3-4 Liter schluckt, dann ist das einfach besser als ein Auto, das sich 7 oder 8 genehmigt - fertig. Selbst ein richtig fetter Hobel wie Slim Red Iron Denim Softail hat da noch die Nase gegenüber den meisten Autos vorn.

Wer als Biker also die Umwelt schützen will, der setzt sich nicht nur Sonntagsnachmittags auf den Bock, sondern jeden Tag, fährt damit zur Arbeit, und auch zum Einkauf. Sofern es sich nicht um richtig sperrige Sachen handelt, ist das mit einem Rucksack zu managen.

2. Freiwillig ran an den Auspuff

Unsere Motorräder müssen regelmässig zur amtlichen Nachprüfung, sprich fünf Jahre nach der Inverkehrsetzung, dann drei Jahre später und anschliessend alle zwei Jahre. Bloss wo die Prüfer beim Auto den Sensor des Abgaskontrollgeräts ins Endrohr schieben, sind wir davon befreit. Das hindert allerdings nicht daran, es freiwillig zu tun, etwa wenn unser Töff zur Inspektion muss. In der Realität würde was wenig mehr als einen kleinen Obolus in die Kaffeekasse kosten.

Stellt sich die Frage nach dem Warum. Wenn am Motorrad irgendwas mit dem Abgasreinigungssystem nicht funktioniert und uns nicht gerade die Motorkontrollleuchte davon in Kenntnis setzt, bleibt ein solcher Schaden ewige Zeiten unbemerkt. Wie sich das aufsummieren kann, mag man sich ausmalen. Zudem hilft die freiwillige Abgaskontrolle auch noch beim Einstellen des Motorrades in Richtung mehr Power.

3. Sound ja, aber nicht im Wald

Dieser Punkt dürfte manchen schwer treffen, aber er ist leider auch eines der grössten Motorrad-Klischees. Es geht um den Sound der Bikes. Schon heute klagen so manche (ja, auch unsere Tester), dass dank Euro-4 der kraftvolle Klang buchstäblich im Auspuff steckenbleibt. Und so hart es auch klingt, das ist gut so.

Denn jeder R1-Pilot, der mit voll aufgedrehtem Hahn auf der Landstrasse durch den Wald fliegt, jeder Harley-Fahrer, der durchs Aaretal brabbelt, ist ein lebendiges Statement dafür, dass für Motorräder andere Umweltregeln gelten. Und wenn sich unsere Szene etwas nicht erlauben sollte, dann überflüssige Aufmerksamkeit von Gegnern, die lieber heute statt morgen Biken ganz verbieten würden und sich lauthals darüber echauffieren.

Aber neben dieser Tatsache ist die Lautstärke noch etwas anderes. Sie stört einfach die Umwelt. Es mag manchem Töff-Fahrer nicht bewusst sein, aber der Sound seines Motorrades reicht auch noch in einigen hundert Metern aus, um Wildtiere aufzuschrecken. Die wissen nicht, dass wir ihnen nichts wollen. Die flüchten dann nur immer weiter weg vom Menschen. Und das kann nicht das Ziel sein.

Es ist also einfach: Auch wenn es für ältere Bikes keine scharfen Vorschriften gibt und selbst die Polizei oft wegschaut, sollte man vielleicht nicht unbedingt das lauteste Rohr an sein Töff schrauben, sondern eines, das etwas weniger nachhaltig signalisiert, wie viel PS der Bock hat. Das schützt ganz nebenbei auch unsere Ohren, die sowieso beim Biken über Gebühr beansprucht werden.

Fazit

Auch Euro-4 kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass Motorradfahren nach wie vor ein Refugium ist, in dem nicht wirklich viele Regularien zum Schutz der Umwelt und Nachhaltigkeit existieren. Bloss kann keiner sagen, wie lange es noch so bleiben wird. Nur eines steht fest: Wenn wir nicht lernen, freiwillig ein wenig vorsichtiger aufzutreten, werden die richtig scharfen Gesetze sehr viel schneller kommen. Denn schon jetzt beäugen viele unser Hobby sehr kritisch.

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Bericht vom 26.07.2017 | 11'532 Aufrufe