Polo Geschäftsführerin Jutta Warmbier im 1000PS Interview

"Was haben Motorradfahrer und Jäger gemeinsam?"

Jutta Warmbier, die Geschäftsführerin von Polo Motorrad und Sportswear, spricht im Exklusiv-Interview mit 1000PS über die Neuausrichtung von Polo, warum Motorradfahrer für sie sympathische Kunden sind und warum Polo nie nur online geben wird.

Werte Frau Warmbier, werte Jutta, du bist seit knapp drei Jahren Chefin bei Polo. Vorher warst du bei Frankonia neun Jahre Geschäftsführerin - einem Jagd- und Outdoor-Handel. Was hat dich zu Polo und in die Zweiradbranche verschlagen?

Erstens wollte ich immer schon Motorradfahren, jetzt habe ich einen tollen Grund dazu. Nein, ernsthaft: Ich bin im Handel gross geworden, wie bereits erwähnt Frankonia, davor knapp zwanzig Jahre bei Otto. Polo war auch ein Stück weit Zufall. Alle paar Jahre suche ich eine neue Herausforderung und da bin ich auf Polo gestossen. Ich fragte mich: Was haben Jäger und Motorradfahrer gemeinsam? Auf den ersten Blick nicht viel, bei genauerer Betrachtung aber sehr wohl: Beides sind Hobbys, Leidenschaften. Man macht es mit Begeisterung, Emotionen sind dabei. Und pragmatisch: Die Kundenansprache ist zwar anders, die Leistungen am Kunden aber vergleichbar: Bei Motorradausrüstung geht es um gute Beratung, die Kleidung muss sitzen, der Helm passen, das Zubehör stimmen. Sicherheit ist ein grosses Thema dabei. Ob ich jetzt eine Jagdwaffe, ein Fernglas oder eine neue Lederkombi kaufe - es braucht eine kompetente Beratung, um dem Kunden die bestmögliche Wahl zu lassen. Ausserdem ist die Motorradbranche und Polo an sich spannend: Der Markt wächst, wir haben Fremd- und Eigenmarken im Portfolio, haben ein Filial- und Onlinegeschäft. Es ist vielseitig und abwechslungsreich.

Jutta Warmbier zeigt sich begeistert vom Thema Motorrad.
Jutta Warmbier zeigt sich begeistert vom Thema Motorrad.

Der Unterschied ist also gar nicht so gross?

Nein, eigentlich nicht. Und das Handelsbusiness an sich ist durchaus vergleichbar.

Wie viele Filialen hat Polo derzeit?

Insgesamt 90 Standorte, aufgeteilt auf vier Filialen in Österreich, sieben in der Schweiz und 79 Stores in Deutschland.

Ist Polo ein Franchise-System wie McDonalds oder betreibt ihr die Filialen?

Es ist kein Franchise-System, Polo betreibt alle Filialen und hat seine Mitarbeiter angestellt.

Alles spricht derzeit über Corona. Euer Schwerpunkt ist aber das lokale Filialgeschäft. Wie ist das Verhältnis zu eurem Onlinegeschäft und hat die Pandemie daran etwas geändert?

Der Online-Umsatz macht bei uns rund 20 Prozent aus, den Rest macht das Filialgeschäft. Ich glaube auch nicht, dass das in Zukunft dramatisch ändern wird. Motorradzubehör und Bekleidung sind beratungsintensive Produkte. Der überwiegende Teil unserer Kunden will in die Stores kommen, um die Produkte zu probieren, eventuell zu vergleichen und dann das richtige Stück für sich mitnehmen.

Der direkte Kontakt zwischen Verkäufer*in und Kund*in ist laut Warmbier entscheidend.
Der direkte Kontakt zwischen Verkäufer*in und Kund*in ist laut Warmbier entscheidend.

Ist Beratungsdiebstahl ein Thema bei Polo?

Ich glaube jede Branche hat in einem geringen Ausmass damit zu kämpfen. Die Mehrheit unserer Kunden lässt sich nicht lange und ausführlich beraten und kauft dann online um ein paar Euro weniger. Dafür ist diese Branche viel zu loyal und auch emotional. Denn unterbewusst weiss man: Wenn ich das mache, dann gibt es bald keine Filiale mehr und ich kann es gar nicht erst probieren. Dazu kommt noch: Wenn ich die Jacke schon anhabe, sie somit sofort verfügbar ist, warum sollte ich sie eventuell wegen ein paar Euro günstiger online bestellen, Wartezeit in Kauf nehmen und wenn dann doch etwas ist, die Reklamation ein vermeidbarer Stress ist?

Apropos Reklamation: In einem Interview sagtest du neulich, dass bei Polo der Kunde noch viel mehr in den Fokus rücken muss. Ehrlich: Das sagt fast jedes Handelsunternehmen. Was heisst das konkret bei Polo, wie geht ihr da vor?

(lacht) Nun, so kompliziert ist das eigentlich gar nicht. Wir schauen uns die Customer Journey genau an. Wir schauen uns an: Welche Kundentypen haben wir? Welche Bedürfnisse haben diese? Wo werden sie auf uns aufmerksam? Wie können wir sie ansprechen? Was müssen wir ihnen bieten? Dafür machen wir Kundenbefragungen mit unseren Führungskräften, werten Daten aus und befragen unsere Filialmitarbeiter. Parallel haben wir uns in der Aussendarstellung verändert: Wir treten jetzt emotionaler auf, haben neue Store-Konzepte und haben auch im Bereich Eigenmarken einiges getan, Stichwort Spirit Motors - unsere Bekleidungslinie für die Lifestyle-orientierten Motorradfahrer. Ziel muss es sein, dass Kunden einfach gerne bei uns einkaufen, weil wir kompetent beraten, die richtigen Produkte im Sortiment haben, die Motorradfahrer richtig ansprechen und auch noch nach dem Kauf mit entsprechenden Service bedienen, sollte der Helm doch drücken oder die Kombi zwicken. Wir wollen nicht nur einen Bedarf decken, sondern ihn wecken. Dort müssen wir hin dafür geben wir Gas.

Gutes Stichwort: Eigenmarken. Ihr habt sowohl Markenartikel im Programm als auch eure eigenen Linien. Kann man hier mit mehr als nur einem Preisvorteil locken?

Absolut. Ein Beispiel ist unsere älteste Eigenmarke FLM. Hier Positionieren wir und sportlich am Markt, wollen ein sehr attraktives Preis-Leistungsverhältnis für unsere Kunden bieten. Und ich sage gleich: Polo möchte nicht nur die eigenen Marken anbieten. Unsere Verkäufer werden auch nicht darauf geschult primär unsere Eigenmarken zu verkaufen. Ganz im Gegenteil: Ziel muss es sein, dass jeder Kunde mit dem Stück aus dem Laden geht, dass am besten zu ihm passt, gleich ob das Dainese, Alpinestars oder FLM ist. Natürlich haben wir den Vorteil, dass wir bei den Eigenmarken höhere Margen haben und einfach selbst entscheiden können, was wir bringen wollen. Stichworte: Farben, Designs, Schnitte und Sicherheitsaspekte. Wie bereits erwähnt: die Motorradbranche ist Männer dominiert, es gibt daher oft nicht so viel attraktive Bekleidungslinien für Damen. Auch hier können wir ansetzen und passende Kombis bieten - wo die Hose besser zur Jacke passt, nicht nur optisch, sondern auch von den entsprechenden Passformen. Aber bei Polo wird es nie nur das eine oder das andere geben. Ausserdem muss einem bewusst sein: Motorradfahren ist im Hobbybereich angesiedelt. Wenn ein Produkt gefällt und überzeugt, dann ist der Preis auch eher zweitrangig.

Jutta Warmbier und die Kawasaki Ninja 650
Eigenmarken geben Polo mehr Möglichkeiten sich an die Kundenwünsche anzupassen.

Kommen wir nochmal kurz auf die Pandemie zu sprechen. Die gesamte Motorradbranche kämpft mit Engpässen in den Lieferketten, bei Frachtcontainern, der Warenverfügbarkeit. Wie seid ihr hier für 2022 aufgestellt?

Ich glaube gut. Wir haben viel aus 2021 gelernt, haben jetzt früher bestellt und hoffen, dass wir Mitte Jänner, wenn unsere grossen Lieferungen kommen, auch jene Waren vorfinden, die wir brauchen. Auch hier sind Eigenmarken ein Vorteil, denn wir haben ein eigenes Büro in Shanghai, wo wir näher an den Produktionsprozessen dran sind und daher eher wissen, was wann kommt. Ich gehe davon aus, dass uns die Engpässe in den Lieferketten aber noch ein Jahr begleiten werden - leider.

Jutta, vielen Dank für deine Zeit. Zum Abschluss noch eine Frage: Hand aufs Herz - hast du dir den Job im Chefsessel von Polo so vorgestellt?

(lacht) Ja, eigentlich schon. Gut, ich bin jetzt seit knapp drei Jahren dabei, die Hälfte der Zeit beschäftigt uns eine Pandemie, mit der keiner gerechnet hat. Natürlich wirft einem das den eigenen Plan über den Haufen. Dafür fühle ich mich in der Firma sehr wohl, wir haben ein tolles Team, starken Teamgeist, packen alle tatkräftig mit an und sind auf einem guten Weg. Man darf nicht vergessen in Deutschland liegt unser Marktanteil bei rund zehn Prozent, in Österreich darunter, in der Schweiz etwas darüber. Es gibt also noch viel Potenzial und gemeinsam mit meinem Team freue ich mich darauf diese Herausforderungen anzunehmen, denn: Es macht richtig Spass - Pandemie hin oder her.

Bericht vom 12.01.2022 | 18'879 Aufrufe

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