Wie lade ich richtig? Beratung Elektro Motorrad und Roller

Wallbox, Steckertypen und Ladezeit erklärt

Elektro-Zweiräder sind immer präsenter, mehr und mehr Menschen steigen um auf den E-Antrieb. Doch gibt es in diesem noch relativ unbekannten Segment viele Fragen. Wie lade ich mein E-Fahrzeug? Welches Kabel brauche ich? Muss ich mir eine Wallbox zulegen? Welche E-Bikes darf ich mit welcher Führerschein-Klasse bewegen? In diesem Übersichtsbericht klären wir alle Fragen auf.

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Poky

"An den wenigsten Ladepunkten im urbanen Raum stehen Kabel zur Verfügung, wodurch man selbiges mitschleppen muss, will man die freie Wahl haben. Zudem existieren 6 unterschiedliche Steckertypen, die unter einander nicht kompatibel sind. Die wenigen E-Ladestationen in Wien, die mit einem für die Energica passenden Kabel versehen sind, befinden sich großteils in kostenpflichtigen Parkgaragen, während man auf der Straße während des Ladevorgangs gratis parken könnte."

Es sind Probleme wie dieses, die bei vielen das Interesse an elektrisch angetriebenen Motorrädern und Rollern trüben. Dabei entwickelt sich der Sektor rasant weiter und die anfänglichen Kinderkrankheiten verschwinden sukzessive. Trotzdem bleibt der E-Antrieb ein vergleichsweise komplizierter Genosse. Liter und PS sind nun mal wirklich jedem ein Begriff, während Ampere, Kilowattstunden, Nennkapazität und Steckernormen schnell Verwirrung stiften. Das Chaos des Elektro-Antriebs wird heute jedoch endnutzerfreundlich entwirrt. Dafür beginnen wir dort, wo jede Fahrt mit dem E-Motorrad oder E-Roller beginnt: An der Steckdose.

Wie lade ich mein Elektro-Motorrad & E-Roller richtig? - Wallboxen- und Ladekabel-Typen erklärt

Vollkommen unabhängig von der Stärke oder Grösse des E-Antriebs brauche ich immer eine passende Stromquelle und ein passendes Ladekabel. Wie im obigen Zitat aber festgestellt wurde, ist das oft nicht so einfach. Das liegt an der Vielfalt der verschiedenen Motoren, die aufgrund ihrer Leistung unterschiedlich geladen werden müssen. Obendrein kreieren auch noch manche Hersteller eigene Steckertypen und fertig ist der Kabelsalat.

Aber beginnen wir zuerst bei den wichtigsten Begriffen und Einheiten, da diese beim E-Thema leider nicht vermeidbar sind. Die Leistung des E-Motors wird, wie inzwischen auch oft bei Verbrennern üblich, in Kilowatt (kW) angegeben. Ein kW entspricht 1,36 PS. Ähnlich klingt die üblicherweise verwendete Einheit für die Batteriekapazität: Kilowattstunde (kWh). Streng genommen ist eigentlich die Amperestunde (Ah) die Masseinheit dafür, doch die kWh hat sich als praktischer herausgestellt. Warum? Weil auch die Leistung von Ladegeräten in kW angegeben wird und so mit kWh auf der einen Seite und kW auf der anderen Berechnungen deutlich leichter fallen, selbst für Laien. Beispiel: Mein Ladegerät und Stromanschluss schafft 1 kW Ladeleistung. Damit möchte ich eine 10 kWh Batterie aufladen. Dauer des Ladevorgangs: 10 Stunden. Bei 2 kW Ladeleistung wären es 5 Stunden. kWh/kW=Ladedauer in Stunden. So lässt sich die Dauer des Ladevorgangs sehr schnell einschätzen. Wobei hier noch anzumerken ist, dass Ladevorgänge üblicherweise ab 80 % Ladestand des Akkus die Ladegeschwindigkeit drosseln, um das Überhitzen des Akkus zu verhindern und die Batterie zu schützen. Dies sind aber erst die Basics rund um das Laden von Elektro-Motorrädern und E-Rollern. Die Ladesysteme teilen sich nämlich grob gesagt in zwei Gruppen auf.

Elektro Ladesysteme erklärt
Wechsel-, oder Gleichstrom? Stromquelle, Ladekabel & Stecker müssen zum E-Fahrzeug passen.

Wer keine technische Ausbildung durchlaufen hat, dem könnte Wechsel- und Gleichstrom im Physik Unterricht untergekommen sein. Den grundsätzlichen Unterschied zwischen beiden erläutere ich hier jetzt nicht, relevant ist aber im Bezug auf E-Zweiräder, dass Wechselstrom (AC) prinzipiell langsamer lädt, während Gleichstrom (DC) in vielen Schnellladevorgängen zum Einsatz kommt. Unsere Haushaltssteckdosen mit 230 V Spannung liefern Wechselstrom, ergo laden sie langsam. Bei kleinen E-Rollern mit geringer Batterieleistung, wie z.B. dem von uns getesteten Peugeot E-Ludix, reicht die Leistung der Steckdose aber auch vollkommen aus. Der Clue ist, dass die Akkus in E-Fahrzeugen IMMER Gleichstrom zum Laden brauchen. Das heisst der Wechselstrom der Stromquelle gibt zwar die Ladeleistung und damit die Ladegeschwindigkeit vor, der Strom muss dann aber noch in Gleichstrom umgewandelt werden. Diese notwendige Umwandlung muss entweder von der Ladestation, dem Fahrzeug selbst, oder dem Ladekabel vollzogen werden.

Die verschiedenen Wallboxen für Elektro-Motorrad & E-Roller

In den Kindestagen des E-Antriebs kochte jeder Hersteller sein eigenes Süppchen, inzwischen werden die verschiedenen Steckertypen aber weniger und auch genormte Einheitsstecker gibt es bereits. Bei den Wallboxen gibt es aber noch immer eine ungeheure Vielzahl an Produkten. Sie unterscheiden sich in Leistung, Aufbau, Wetterfestigkeit, Montageart, diversen Komfort-, Sicherheitsfeatures, und und und... Zu diesen Details berät der Fachhandel, für uns ist hier nur wichtig einschätzen zu können, welche Leistungs-"Klassen" von Wallbox es gibt und welche man für das eigene Fahrzeug brauchen könnte. Bei privaten Ladestationen sind schon durch den generellen Stromanschluss und das lokale Stromnetz Grenzen gesetzt. Haushaltssteckdosen schaffen mit passendem Ladekabel maximal 2,3 kW Ladeleistungen, Ladestationen bis zu 12 kW dürfen noch ohne Genehmigung im privaten Haushalt angeschlossen werden. Darüber muss der Netzbetrieber erst prüfen, ob das Netz die Zusatzbelastung von z.B. oft üblichen 22 kW überhaupt aushält. Wie viel sinnvoll ist, hängt natürlich stark vom Fahrzeug ab. Zwischen dem Kumpan 54i E-Roller und dem Energica EVA Ribelle E-Motorrad liegen Welten. Ausserdem bringt eine übermässig starke Ladestation nichts, wenn der Rest nicht mitzieht. Die Ladegeschwindigkeit wird immer vom schwächsten Glied bestimmt: Stromquelle, Ladekabel, oder Fahrzeug. Gängige Ladeleistungen bei Wallboxen sind 3,7 kW, 7,4 kW, 11 kW und 22 kW.

Die verschiedenen Ladekabel/Stecker-Typen für Elektro-Motorrad & E-Roller

Es mag (unnötig) kompliziert wirken, aber es gibt für die Ladekabel und Steckertypen unterschiedliche Unterteilungen. Bei Ladekabeln wird zwischen Mode 2 und Mode 3 unterschieden. Mode 2-Ladekabel gibt es in vielen Varianten, es wird oft zum Anschluss an eine gewöhnliche Haushaltssteckdose vom Hersteller werkseitig mitgeliefert. So können Elektrofahrer auch ohne feste Ladestation in der Nähe laden. Die Kommunikation zwischen Fahrzeug und Ladeanschluss übernimmt dabei eine Box, die zwischen dem Fahrzeugstecker und Anschlussstecker geschaltet ist (Die eckige Box in vielen Kabeln: ICCB, in-cable control box). Mode 3-Ladekabel kommen bei stärkeren Anschlüssen zum Einsatz und schaffen bis zu 43 kW Ladeleistung. Der Vollständigkeit halber seien noch Mode 4-Ladekabeln erwähnt. Diese sind derzeit aber (noch) nicht einmal bei den stärksten E-Motorrädern notwendig. So weit, so gut. Es braucht aber nicht nur das passende Kabel, sondern auch den passenden Stecker. Einphasige Typ 1-Stecker schaffen Ladeleistungen von bis zu 7,4 kW, manchen mag der Stecker von den blauen Campingsteckdosen bekannte sein. Dreiphasige Typ 2-Stecker, oft auch Mennekes-Stecker genannt, sind die bekannten Ladestecker und haben sich in Europa als Standard an Ladestationen durchgesetzt. Sie schaffen bis zu 22 kW Ladeleistung und brauchen ein Mode 3-Ladekabel. Der letzte relevante Steckertyp ist der sogenannte Combo-Stecker (Combined Charging System CCS), der den Typ-2-Stecker um zwei Kontakte ergänzt und damit Schnelladevorgänge mit sowohl AC, als auch DC ermöglicht. Bis zu 170 kW Ladeleistung schafft der Stecker so, zumindest theoretisch.

E-Fahrzeug verschiedene Stecker Typen
Die verschiedenen Stecker-Typen für E-Motorrad & E-Roller

Wallbox/Stromquellen - Ladekabel - Stecker Unterschiede im Überlick

StromquelleSteckerLadekabelSpannung/Strom/max. LadeleistungAC/DCWeitere Details
Haushaltsteckdose/SchukoHaushaltssteckerMode 2einphasig 230 V/10 A/2,3 kWACICCB-Kabel mit passendem Stecker oder Direktanschluss im Fahrzeug. Schuko ist nur für kurzzeitige 16-A-Belastung geeignet
Blaue Camping SteckdoseTyp 1Mode 2/Mode 3einphasig 230 V/16 A/3,6 kWACICCB-Kabel mit passendem Fahrzeugstecker
Ladestation Typ 2Typ 2Mode 3Spannung & Strom stationsabhängig/typische LL: 3,6/11/22/43 kWACTyp-2- oder Combo-2-Ladeanschluss fahrzeugseitig und Bordladegerät mit entsprechender Leistungsaufnahme. Je nach Stationsausstattung ist ein Anschlusskabel notwendig
Ladestation CCS Combo 2CCSMode 3/Mode 4Spannung & Strom stationsabhängig/typische LL: 50/100/150/300/350 kWAC/DCCCS-Combo-2-Ladeanschluss fahrzeugseitig, unterstützt AC- und DC-Laden

Welches Lade-System brauche ich für mein E-Motorrad/Elektro-Roller?

Nach der ganzen Theorie kann schon mal der Kopf schwirren. Was sollte man von diesem Bericht mitnehmen? Zum Beispiel, dass das schwächste Glied die Ladeleistung bestimmt. Eine realistische Einschätzung der eigenen Anforderungen ist wichtig. Für private Ladestationen für leistungsstarke Elektro-Zweiräder, wie z.B. die Harley-Davidson Livewire, empfiehlt sich ein 11 kW-System, da es die grösste Flexibilität bietet, ohne eine Genehmigung zu erfordern. Kleine E-Roller, wie z.B. die Kumpan i54 E-Roller, kommen auch mit leistungsschwächeren Systemen aus. Möchte man sich bei öffentlichen Ladestationen bedienen, sollte ein Mode 3-Ladekabel mit Typ 2-Stecker mit den meisten Ladeplätzen kompatibel sein. Für richtig starke E-Motorräder, wie z.B. die Energica EVA Ribelle, ist sogar ein Schnelllade-System mit Combo-Stecker am sinnvollsten. Und selbst wenn ein Anschluss mal nicht zum Stecker passt, gibt es noch kostengünstige Adapter als einfache Lösung.

Neue und gebrauchte Elektro-Motorräder

Falls ihr noch gar nicht wisst, welches Elektro-Zweirad ihr euch denn zulegen wollt, dann darf ich hier unsere Testberichte zu E-Motorrädern und E-Rollern vorschlagen.

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Bericht vom 04.02.2022 | 27'415 Aufrufe

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