Wie meistert Harley-Davidson die Herausforderungen in Europa
Interview mit EMEA Chef Kolja Rebstock
1000PS traf Kolja Rebstock, Regional Vice President EMEA von Harley-Davidson, auf der EICMA zum Gespräch über die Herausforderungen des europäischen Marktes, die Strahlkraft der amerikanischen Marke und die Zukunft der Motor Company.
Nils Müller: Harley-Davidson ist am Heimatmarkt USA extrem stark verankert. Wie geht ihr mit den Herausforderungen in Europa um, wo zwar ein Zusammenwachsen stattfindet, aber doch unterschiedliche Sprachen und Geschmäcker existieren?
Kolja Rebstock: Der zentrale Punkt ist und bleibt der Kunde in seiner Vielfalt. Wir haben nicht nur länderspezifische Besonderheiten, sondern auch ganz unterschiedliche Fahrertypen vom erfahrenen Touring-Rider bis zum jungen Neueinsteiger, der sich seinen Traum erfüllt.
Die Antwort darauf ist unser heute deutlich breiteres Modellspektrum. Vor einigen Jahren hatten wir hauptsächlich Softail und Touring im Portfolio. Inzwischen haben wir mit der kompletten Überarbeitung und dem Launch unserer Touring-Plattform einen gewaltigen Schritt nach vorne gemacht. Dazu kommt die Revolution Max-Plattform mit Sportster S und Nightster, die uns im Sport-Segment völlig neu positionieren.
Ein Meilenstein war auch die Pan America. Vor fünf Jahren haben wir sie hier auf der EICMA als Prototyp präsentiert, seit 2021 ist sie am Markt. Sie eröffnet eine völlig neue Perspektive für Harley-Davidson, auch wenn Offroad historisch betrachtet kein Neuland für uns ist. Mit ihr bedienen wir perfekt die Rider, die gerne ins Gelände und in die Natur wollen. Der Mix macht's: Wir hören genau hin, was der Markt braucht und erweitern unser Portfolio so, dass wirklich jeder sein ideales Bike findet.
Die Marke Harley-Davidson steht wie keine andere für Amerika. Wie geht ihr damit um, wenn die politische Situation komplexer wird? Bleibt diese Strahlkraft bestehen?
Kolja Rebstock: Harley-Davidson ist komplett unpolitisch. Amerika ist und bleibt ein faszinierendes Land aus europäischer Perspektive unabhängig von der politischen Grosswetterlage. Aber ich stelle auch die Frage: Kauft man eine Harley primär als amerikanisches Produkt? Oder geht es nicht vielmehr darum, sich mit 120 Jahren Motorradgeschichte zu identifizieren?
Schauen Sie sich unsere europäischen Events an sie zeigen, dass wir nicht nur ein amerikanischer Motorradhersteller sind, sondern "more than a bike". Wir bieten Community, Kultur und Lifestyle. Die European Bike Week am Faaker See zieht hunderttausend Rider aus ganz Europa an. Sie reisen quer durch den Kontinent, um dieses Harley-Davidson-Event zu erleben. Das schafft keine andere Marke weltweit, egal woher sie kommt. Das steht über allen politischen Entwicklungen.
Als Journalist fragt man natürlich immer nach neuen Modellen. Können Sie uns einen inspirierenden Ausblick geben?
Kolja Rebstock: Als ehemaliger Entwicklungsingenieur ist mein erster Gang in Milwaukee immer ins Product Development Center. Für mich ist das jedes Mal Gänsehaut pur zu sehen, was sich dort in der Entwicklung tut, wie hoch die forschungsspezifische Fertigungstiefe ist und mit welchem Know-how und Harley-Spirit das Team arbeitet.
Wir haben das Potenzial mehrfach bewiesen: Mit LiveWire haben wir das Thema E-Mobility vorangetrieben, das heute als eigenständige Firma erfolgreich ist. Mit der Pan America sind wir direkt im Adventure-Touring-Segment durchgestartet. Und zuletzt haben wir die komplette Touring-Plattform neu designed Street Glide, Road Glide und Road Glide ST. Viele Journalisten haben uns bei der Pressekonferenz gefragt: "Um Himmels willen, was habt ihr da gemacht?" und meinten das absolut positiv. Diese Innovationskraft werden wir weiter zeigen.
Ein Insider-Tipp zum Schluss: Wo erlebt man Harley-Davidson Motorräder in den USA am authentischsten?
Kolja Rebstock: Der Magic Moment ist für mich immer der gelbe Mittelstreifen auf amerikanischen Strassen. Der Himmel scheint grösser, alles wirkt weiter man sagt ja nicht umsonst, in den USA ist alles eine Nummer grösser.
Konkret empfehle ich: Von Chicago nach Milwaukee und dann entlang der Seen ins Hinterland. Da findet man traumhafte Strecken, man muss einfach mal abbiegen und durch die Strassen und Felder cruisen. Überall sind Harleys unterwegs, man kommt sofort ins Gespräch. Du parkst dein Bike, gehst in einen Diner und fühlst dich direkt zu Hause. Kombiniert mit einem Besuch im neu gestalteten Harley-Davidson Museum ist das der perfekte H-D Trip. Egal ob Florida, Kalifornien, Michigan oder Wisconsin Amerika ist einfach ein faszinierendes Land für Biker.
Und wovon träumen die amerikanischen Kollegen, wenn es ums Motorradfahren in Europa geht?
Kolja Rebstock: Das absolute Highlight sind die Alpenpässe. Wir haben erst vor kurzem Luke Mansfield, unseren Chief Commercial Officer, zum Stilfserjoch eingeladen. Er war total geflasht weil Passfahren in dieser Form in den USA nicht existiert und weil er gesehen hat, was europäische Rider in den Spitzkehren können. Mit unseren neuen, deutlich agileren Touring-Bikes macht das jetzt noch mehr Spass. In der Region Deutschland-Österreich-Schweiz sind wir mit unseren Pässen gesegnet da können die Amerikaner nur träumen.
Vielen Dank für das Gespräch!
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Harley-Davidson Berichte auf 1000PS
Bericht vom 14.11.2024 | 2’321 Aufrufe