Bilder: Indian FTR S 2021 Test auf der Rennstrecke
45 Grad Schräglagenfreiheit versprícht Indian, das wollten wir überprüfen und haben die neue FTR mit zum Trackday am Pannoniaring genommen. Ein Test am Limit!
Hätte man letzte Saison noch mit langen Federwegen, 19 bzw. 18 Zoll Felgen und grobstolliger Flat Track-Bereifung zu kämpfen gehabt, macht die 2021er FTR alles anders.
120 mm Federweg vorn und hinten sind Nakedbikewerte und die neuen 17 Zoll Felgen sind mit dem Topprodukt Metzeler Sporttec M9 RR bestückt, der auch Superbikes gut zu Gesicht stehen würde.
Dazu kommt ein voll einstellbares Fahrwerk vorne und hinten von ZF Sachs und eine würdige Bremsanlage aus dem Hause Brembo die vorne auf zwei 320 mm Scheiben wirkt.
Last but not least wurde auch die Geometrie überarbeitet, es konnte ein steilerer Lenkkopfwinkel von nunmehr 25° und einen kürzeren Nachlauf realisiert werden, was der FTR ein spielerisches Handling verleihen sollte.
Der mächtige 1203 Kubik V2-Motor war mit 123 PS Spitzenleistung und 120 Nm maximalem Drehmoment ohnehin über jeden Zweifel erhaben.
Zeit für die Probe aufs Exempel, raus aus der Theorie und rein in die pannonische Renn-Praxis.
Pannoniaring, 25 Grad, sonnig, windstill - perfekte Bedingungen für den ersten Rollout mit der Indian FTR S.
Der Pannoniaring zeichnet sich durch ein extrem kurvenreiches Layout aus, es gibt wenig Geraden, auf denen ich die brachiale Power des V2 ausspielen kann.
Also muss man versuchen auch in den Kurven schnell zu sein.
In der S-Version bietet die FTR das volle Elektronikpaket: drei Fahrmodi, Wheelie-, Stabilitäts- und Traktionskontrolle und Kurven-ABS.
Man kann sich also beim herzhaften am Gas ziehen auf ein Sicherheitsnetz verlassen.
Naheliegender Weise ist der Sportmodus die richtige Wahl für den Track. Hier spricht das Gas sehr direkt an und die Helferlein lassen etwas mehr Bewegung zu als in den anderen Modi.
Endgeschwindigkeit Start-Ziel am Pannoniaring: Deutlich über 210 km/h selbst bei meinem bescheidenen Speed.
Zum engen Kurs passen ist auch die enge Abstufung des 6-Gang Getriebes.
Allerdings ist es am Ring besonders bitter, dass Indian der FTR bisweilen einen Quickshifter vorenthält. Den gibt es leider nicht, auch nicht gegen Geld und gute Worte.
Durch das souveräne Drehmoment schon im mittleren Drehzahlbereich, können auch enge Kurven problemlos einen Gang höher gefahren werden, ohne dass man am Kurvenausgang verhungert.
Der Sound aus der serienmäßigen Akrapovic-Anlage ist deutlich dezenter als noch beim Euro 4 Modell, man könnte fast von brav sprechen.
Die Federung der Indian FTR weiß auf der Rennstrecke zu überzeugen, natürlich bietet es nicht die bedingungslose Härte eines Rennfahrwerks, aber für ein Straßenmotorrad ist doch einiges möglich.
Noch performanter sind die Metzteler Reifen.
Bereits im zweiten Turn streiften die Fußrasten regelmäßig beidseitig. Indian spricht von einer Schräglagenfreiheit von 45 Grad.
Also Fahrstil anpassen, um mit weniger Schräglage auszukommen, denn Reifen und Fahrwerk geben wirklich viel her, die Indian liegt unheimlich satt in der Kurve.
Hang-off auf so einem Motorrad sieht zwar seltsam aus (und fühlt sich genauso seltsam an), ist aber möglich und nötig um die maximale Performance herauszuholen.
Vor allem beim Umlegen auf die rechte Seite ist Vorsicht geboten, da kurz nachdem die Raste schleift auch der Krümmer dem Boden verdammt nahe kommt. Setzt dieser auf, helfen auch die feinen Fahrassistenzsysteme der FTR S nicht mehr - dann ist Schicht im Schacht.
Vor eben diesem Problem standen auch Tobias und Patrick.
Die beiden sympathischen jungen deutschen Burschen fahren seit letztem Jahr mit zwei stark modifizierten FTRs Flat Track und sind bei allen Krowd Race Veranstaltungen von Indian am Start.
Seit heuer sind sie mit angepasstem Setup (Radsatz, Reifen,...) auch auf Asphalt unterwegs und das verdammt schnell.
Auch sie waren am Pannoniaring bei den 1000PS Trackdays unterwegs und zwar in der roten Gruppe.
Um beim dort gefahrenen Tempo dranzubleiben, wurden die Fußrasten höher gelegt, der Krümmer der Custom-Auspuffanlage sowie der Tank schmäler gebaut - Tank und Heck sind bei dem Umbau aus einem Monocoque gebaut, um Abstimmungsarbeiten direkt am Motor schnell durchführen zu können.
Gabelbrücke, Schwinge, Lenker usw. wurden ebenfalls angepasst.
Das Gewicht der Umbauten beläuft sich auf nur etwas mehr als 180 Kilogramm.
Zum Vergleich: Die Indian FTR S in der Serienversion brachte vollgetankt stolze 233 kg auf die 1000PS Waage!
Sämtliche elektronische Helferlein sind auf den radikalen Umbauten übrigens demontiert bzw inaktiv.
Die brachiale Power des V2 wird also unvermittelt an den Fahrer weitergegeben.
Was man sich bei dieser Aktion denkt hab ich die beiden gefragt und folgende Antwort erhalten:
Unser Ziel ist es, zu schauen, wie weit man mit einem Motorrad gehen kann- was alles rausgekitzelt werden kann.
Ist es möglich, mit dem selben Motorrad sowohl im Flat Track als auch auf der Rennstrecke konkurrenzfähig zu sein?
Unser Vater Jürgen, der uns als Mechaniker begleitet, kennt sich aus.
Er weiß genau worauf es beim Flat Track / Langbahn / Speedway ankommt
und er weiß, wie ein Motorrad für die Rennstrecke gerüstet sein muss, um auch Geschwindigkeiten von über 250 km/h standzuhalten.
Hier gilt es nun, rauszufinden, was mit der Indian FTR alles möglich ist. Kann sie so flexibel sein?
Es wird ausprobiert und geschraubt, was das Zeug hält. Tage Nächte.
So lange, bis der perfekte Umbau gelingt und der ultimative Beweis steht, dass sie es ist.
Sicherlich alles noch weiter ausbaufähig und auch wir mit unseren Trainingsmöglichkeiten leider auch durch die Pandemie sehr begrenzt jedoch ist die FTR einfach ein Dampfhammer, der zeigt, wo es lang geht!
Macht es Sinn mit der Indian FTR am Track auf Bestzeitenjagd zu gehen? Nein, zumindest nicht ohne tiefgreifende Umbauten.
Macht es Spaß die FTR einmal auf die Rennstrecke zu entführen und damit ans Limit zu gehen? Unbedingt!
Mit den Änderungen fürs Modelljahr 2021 kann die FTR auch am Rundkurs eindrucksvoll beweisen, was in ihr steckt.
In den Radius geht die Indian FTR S, trotz des relativ langen Radstands von 1524 mm angenehm willig und berechenbar.
Ich hatte einen Heidenspaß und darum geht es doch, zumindest wenn man dem kompetitiven Gedanken außen vor lässt.
Spätestens, wenn sich die FTR mit ihrer bildschönen Formensprache und dem hochwertigen Finish nach einem Turn erholt und beim Abkühlen leise knistert und man sie im pannonischen Abendlicht vor der Box beobachtet, wird man zufrieden auf den außergewöhnlichen Tag zurückblicken.
Galerie von: 1000PS Internet GmbH
hochgeladen am 22.07.2021