R7 als Rennstreckenmotorrad? Wintertest Yamaha R7

Lena Kemmer berichtet über ihre Erfahrungen

Dezember - eine nicht sehr motorradfreundliche Zeit des Jahres bei uns in Mitteleuropa. Mit Temperaturen unter 15 Grad treibt es nicht viele auf 2 Rädern ausser Haus und so geht es uns Motorradrennfahren nicht viel anders.

Text: Lena Kemmer

Aber um mich zuerst kurz vorzustellen: Mein Name ist Lena Kemmer, ich bin 19 Jahre alt und wohne in Graz in der Steiermark. Als Tochter eines Motorradrennfahrers, Bertl Kemmer, war ich schon von klein an auf den Rennstrecken dieser Welt unterwegs und durfte so auch schon früh meine ersten Erfahrungen auf zwei Rädern sammeln. Bis zu meinem 15. Lebensjahr musste dazu der grossväterliche Acker reichen. 2018 upgradete ich dann auf ein Pitbike, womit ich die Kartbahn im Nachbarort unsicher machte und zügig einige der "starken Männern" hinter mit lies.

Die ersten Jahre im Rennsport

Anfangs nicht ganz so begeistert, konnte ich meine Eltern bald überzeugen, mich auf die grosse Rennstrecke loszulassen und so drehte ich im Herbst 2020 meine ersten Runden in Grobnik auf einer Moriwaki 250. Eines kam zum anderen und bald darauf wurde bekannt, dass es für 2021 eine Nachwuchsserie von KTM für österreichische Motorradrennfahrertalente geben soll, den Austrian Junior Cup. Und so führte es dazu, dass ich 2021 meine erste Rennsaison bestritt. Zwischen sehr erfahrenen und talentierten Fahrern, wie unter anderem auch Leo Rammerstorfer, konnte ich mich im am Ende des ersten Jahres auf Gesamtrang 7 positionieren. In meinem zweiten Jahr im Austrian Junior Cup erzielte ich dann zwei Podestplätze und Gesamtrang 4 als einzige weibliche Teilnehmerin der Serie.

FIM Women's Circuit Racing World Championship - erste Tests

Für 2023 begab ich mich auf internationalen Boden und startete in der Women's European Championship mit der einzigen KTM und als einzige deutschsprachige Fahrerin zwischen den dominierenden, vorwiegenden italienischen und spanischen Fahrerinnen auf Yamaha R3 und Kawasaki 400. Es war ein hartes Jahr, aber am Ende sicherte ich mir den 7. Gesamtrang. Die Pläne für die Saison 2024 sind gross und so werde ich an der erstmals ausgetragenen FIM Women's Circuit Racing World Championship teilnehmen. Diese findet im Rahmen der WSBK statt und wird mit dem Einheitsmotorrad Yamaha R7 gefahren. Anlässlich der Weltmeisterschaft gab es nicht viel zu überlegen und so begaben sich mein Team und ich in den warmen Süden für einen intensiven 10-tägigen Wintertest, um die ersten Runden mit der R7 zu drehen und das Motorrad kennenzulernen.

Der erste Stopp führte uns nach Portimao zum Autódromo Internacional do Algarve. Mit im Gepäck eine originale Yamaha R7 mit Rennverkleidung und eine zweite, die von YART und 2Rad-Kemmer aufgebaut wurde - später mehr zu den genauen Details. Mein Cousin Christopher Kemmer - erfolgreich in der Endurance World Championship unterwegs - auf der originalen und meine Wenigkeit auf der YART Yamaha spulten wir Runde für Runde ab. Für das erste Kennenlernen auf einem neuen Motorrad ist Portimao vielleicht nicht gerade die einfachste Strecke, aber ich fand mich erstaunlich schnell auf meinem Einsatzgerät zurecht und baute zügig ein gutes Gefühl auf. Die Rundenzeiten stimmten und wurden stetig besser, was mich in meinem Tun bestätigte.

Die Yamaha R7 im Renntrimm

Nun zu meinem Motorrad, an welchem so einiges auf den Rennstreckenbetrieb umgerüstet wurde. Leistungstechnisch befinden wir uns um rund 82 PS anstatt den originalen 73 PS auf ca. 168kg statt den 180kg. Dazu wurde der Ansaugtrakt abgeändert, ein YART-Steuergerät, sowie eine Akrapovic Komplettanlage verbaut. Des Weiteren ist das ABS stillgelegt und das Fahrwerk überarbeitet mit Öhlins Cartrige - sprich das Innenleben der Gabel - und Öhlins Federbein beides mit Zug- und Druckstufenverstellung. Im Cockpit finden sich neue Schalter, das Zündschloss ersetzt nun ein On-Off Knopf. Die Bremsleistung wird optimiert durch eine Brembo 17RCS Corsa Corta Bremspumpe und Brembo Bremsbeläge. Zusätzlich bietet die YART R7 ein Schnellwechselsystem für das Hinterrad, was äusserst praktisch auf der Rennstrecke ist, um schnellstmöglich und einfach die Räder zu wechseln. Die Lenkerstummel und die volleinstellbare Fussrastenanlage von der Marke Gilles bieten individuelle Anpassungsmöglichkeiten für jeden Fahrer.

Yamaha R7 Rennstrecke
Die richtigen Komponenten sorgen für eine passende Ergonomie.

Um diesen Komponenten noch genauer auf den Zahn zu fühlen, ging es im neuen Jahr für mein Team und mich weiter auf den Circuito de Jerez. Mit nun schon etwas mehr Erfahrung auf dem Motorrad, nutzte ich die Tage, um zu lernen mehr mit dem Fahrwerk, sowie den neuen Reifen zu arbeiten. Davor war ich aufgrund der Einheitsreifen in den Meisterschaften nur auf Dunlop unterwegs gewesen - die WM plant nächstes Jahr auf Pirelli zu fahren und so testeten wir natürlich auch gleich auf den richtigen Reifen, was zusätzlich eine weitere Umstellung für mich bedeutete. Von Turn zu Turn baute ich ein besseres Gefühl auf und konnte am Ende auf sehr gute Rundenzeiten fahren.

Fazit: Erste Eindrücke zur Yamaha R7 auf der Rennstrecke

Wir sind sehr zufrieden mit dem ersten Test auf der Yamaha R7 und ich hatte wirklich grossen Spass das Motorrad an seine Grenzen zu bringen. Ich bin positiv überrascht, wie leicht es mir fiel mich an die R7 zu gewöhnen, da es doch ein grosser Unterschied zu meinen vorigen Rennmotorrädern, der KTM RC4R und der KTM RC390, ist. Dadurch, dass deutlich mehr Platz vorhanden ist, um sich auf dem Motorrad zu bewegen und sich auf der Geraden unter die Verkleidung zu ducken, komme ich mit meiner Körpergrösse etwas leichter mit der Yamaha zurecht. Zudem ist sie sehr stabil beim Anbremsen und mit der Doppelscheibenbremse sowie der neuen Bremspumpe und den Belägen funktioniert die Suche nach dem spätmöglichsten Bremspunkt ziemlich gut. Mithilfe der original verbauten Antihoppingkupplung ist das Runterschalten ohne Blipper auch kein Problem. Mit der einstellbaren Öhlins Cartrige in der Gabel, dem richtigen Fahrwerkssetup und ein bisschen Gefühl für das Vorderrad - welches Anfangs nicht ganz so viel Feedback bot, da die Gewichtsverteilung untypischerweise eher hinterradlastig ist - ist es auch ein "Kinderspiel" das Motorrad auf der Bremse einzulenken. Runter von der Bremse und gleich wieder ans Gas - das Federbein taucht ein und die R7 macht Richtung. 82 PS hören sich vielleicht nicht nach Unmassen an Leistung an zwischen den aktuellen 600er und 1000er Modellen am Markt, aber damit vergleicht sich die R7 auch nicht. Der Zweizylinder mit 698 ccm² bietet genug Drehmoment, um aus den Kurven zu Beschleunigen und den Reifen zum Arbeiten zu bringen. Auf der Geraden schafft sie Topspeedwerte um die 215 km/h, im Windschatten sicher noch etwas mehr. Meiner Meinung nach ist die R7 alles in allem ein sehr solides Motorrad, das seinen Platz auf der Rennstrecke auf jeden Fall verdient hat und sich nicht zu verstecken braucht.

Yamaha R7 Rennstrecke
Die R7 - ein kompetentes Rennbike.

Nun heisst es für mich abwarten bis zu den nächsten Tests im Frühjahr, auf die ich mich schon sehr freue. Bis dahin werde ich mich um meine körperliche Fitness kümmern und mich intensiv auf die kommende Saison vorbereiten. Ich werde euch am Laufenden halten!

Bis bald, Eure Lena.

Bericht vom 22.01.2024 | 9'097 Aufrufe

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