MotoGP Silverstone 2024 - Überraschungsdoppel beim Retro-Rennen

Das MotoGP-Rennen in Silverstone, das diesmal im Übrigen von Wetterkapriolen verschont blieb, hatte viele, aber zwei ganz besondere Highlights: Zum Einen überraschte Enea Bastinini auf seiner Werks-Ducati mit gleich zwei Siegen (im Samstags-Sprint und im Hauptrennen am Sonntag), wodurch er mit 37 Punkten einen Riesenschritt auf Platz Drei in der WM-Wertung macht und verdeutlicht, dass der Titel 2024 keinesfalls nur zwischen Francesco Bagnaia auf der anderen Werks-Ducati und Jorge Martin auf der Pramac-Ducati entschieden werden muss. Zum anderen beglückten uns alle Teams mit herrlichen Retro-Designs ihrer MotoGP-Maschinen und der Lederkombis, manche Fahrer sogar mit speziellen Retro-Helmdesigns zu Ehren des 75-jährigen Bestehens der Motorrad-WM.

Doch Eines nach dem Anderen. Bereits das Sprintrennen über die halbe Distanz von 10 Runden am Samstag hat es in sich und offenbart erneut, dass Freud und Leid vor allem in der MotoGP ganz knapp beisammen liegen. Bereits in den ersten Kurven geht es ordentlich zur Sache, jeder der Top-Fahrer weiss, dass es im Sprint besonders hilfreich ist, von Anfang an vorne mit dabei zu sein, wenn es das Podium werden soll. Daher wundert es nicht, dass sich der entschlossene WM-Führende Pecco Bagnaia sofort von Platz 2 an die Spitze setzt und den Aprilia-Piloten Aleix Espargaro, von Platz 1 aus gestartet, hinter sich lässt. Die Führung währt aber nicht lange, der Sprint-Spezialist Jorge Martin übernimmt die Führung vor Enea Bastianini und Aleix Espargaro, Bagnaia ist Vierter, Marc Marquez bereits mit sichtbarem Rückstand Fünfter.

In der vierten Runde verabschiedet sich Bagnaia dann mit einem einklappenden Vorderrad, bleibt glücklicherweise aber unverletzt. Zur Hälfte des Rennens schnappt sich Bastianini die Führung von Martin und gibt sie bis zum Ende auch nicht mehr her. Stattdessen wirft ein anderer, bekanntlich oft übermotivierter Fahrer zwei Runden vor Schluss sechs Punkte in den Kies - Marc Marquez rutscht ebenfalls durch ein eingeklapptes Vorderrad auf Platz vier von der Strecke, während Bastianini, Martin, Espargaro, Brad Binder auf der Werks-KTM und der Edel-Rookie Pedro Acosta auf der Gasgas-KTM in dieser Reihenfolge die Zielflagge sehen.

Beim Hauptrennen am Sonntag ist ohnehin alles anders. Zwar fahren erwartungsgemäss wieder die Ducatis vorneweg, erneut kann sich Pecco Bagnaia die Führung vor Enea Bastianini, Jorge Martin und Marc Marquez sichern, Aleix Espargaro fährt mit seiner Werks-Aprilia auf Platz 5 das erste Fabrikat, das nicht aus Bologna stammt. Aber keine Sorge, dahinter fährt bereits wieder eine Ducati mit dem mehrfachen Weltmeister Marc Marquez im Sattel. Allerdings muss man sich erst einmal an die zugegeben äusserst gelungenen Retro-Lackierungen zu Ehren des 75 Jahr-Jubiläums der Motorrad-WM gewöhnen - abgesehen von den Werks-Ducatis in etwas grellerem Rot und den Werks-Aprilias in Schwarz fahren ziemlich alle anderen Teams in stark geänderten Farben. Vor allem Jorge Martin ist nun statt in Violett ebenfalls in Rot unterwegs - also liegen in der zweiten Runde des Rennens drei rote Ducatis (Bagnaia vor Bastianini vor Martin) vorne. In der dritten Runde muss sich Bastianini sogar von Espargaro auf die vierte Position verdrängen lassen, es sieht also noch nicht danach aus, dass der junge Italiener souverän an die Spitze fahren könnte. Aber wer Bastianini kennt, weiss, dass er vor allem im letzten Drittel mit mehr oder weniger aufgebrauchten Reifen den Unterschied machen kann - so auch beim Silverstone-GP 2024.

Vorerst können sich zur Hälfte des Rennens die ersten fünf, zuvor bereits genannten Fahrer in der Reihenfolge Bagnaia vor Martin, Espargaro, Bastianini und Marquez deutlich vom restlichen Feld um über zwei Sekunden absetzen. Neun Runden vor Schluss soll sich aber einiges an der Reihenfolge ändern - erst zieht Bastianini an Espargaro vorbei, wenig später schnappt sich Martin die Führung von Bagnaia. Sofort schafft la Bestia Bastianini den Anschluss an Bagnaia und zieht 7 Runden vor Schluss am amtierenden Weltmeister vorbei. Das ist aber noch nicht das Maximum, das Bastianini erreichen sollte, offenbar ist er auch beim Hauptrennen motiviert für den obersten Podestplatz. Und tatsächlich knabbert er Runde für Runde ein Zehntel nach dem anderen von Martins Vorsprung weg, während sich dahinter Marc Marquez den vierten Platz von Espargaro schnappt. Schliesslich ist es perfekt geplant in der vorletzten Runde soweit, Bastianini übernimmt die Führung von Martin und holt sich den zweiten Sieg an diesem traditionell angehauchten Wochenende!

Martin kann aber durchaus zufrieden mit sich sein, immerhin macht er als Zweiter in Silverstone vor dem Drittplatzierten Bagnaia wieder Punkte gut, die ihn erneut an die WM-Spitze hieven - wenn auch nur hauchdünne drei Punkte vor Bagnaia (241 Punkte Martin, 238 Punkte Bagnaia). Aber die beiden Hauptrivalen des Vorjahres sollten sich nicht in Sicherheit wähnen, denn auch Bastianini schiebt sich mit einem zwar deutlichen, aber keineswegs aussichtslosen Rückstand von 49 Punkten auf Martin auf den dritten Platz vor Marc Marquez, dem bereits 62 Punkte auf Martin fehlen.