Gotland Grand National

Das KTM Rudel beim grössten Enduro-Event der Welt. Tatsachenbericht aus Schweden. Hart und Herzlich!


Beim Gotland Grand National handelt es sich um das grösste Enduro Rennen (und vielleicht sogar den grössten Motorsport Event überhaupt) der Welt. Stattfinden tut das ganze jeden ersten Samstag im November in Schweden, genauer gesagt auf der Insel Gotland, die 90 km vor Stockholm in der Ostsee liegt. Dort steht die Villa Kunterbunt von Pippi Langstrumpf, und dort treffen sich jedes Jahr Scharen von Enduristen um das GGN zu zelebrieren, und heuer war erstmals auch eine Abordnung aus Österreich dabei!

Aber lasst euch von der Pippi Langstrumpf Geschichte nicht täuschen, this aint no Kinderjausn wie man so schön sagt! Grösstes Endurorennen der Welt bedeutet genau: Insgesamt 2300 Starter aufgeteilt auf 4 Startgruppen, in der grössten Startgruppe über 700 Starter! Die Klasseneinteilung erfolgt bei den Amateuren nach Alter und bei den Profis nach Motorradkategorie. Ich startete in der Klasse 4, bis 35 Jahre, welche besagte mit über 700 Startern war. Das Rennen dauert pro Klasse 3 Stunden, die Runde ist 22 Kilometer lang, der mit den meisten Runden in der schnellsten Zeit gewinnt. So weit so gut.
 

In Stockholm bekamen wir Pippi leibhaftig zu sehen Vor dem Rennen, sauber und voll motiviert
Da Militärgrund gab es auch eine eigene Militärklasse. Marke: Husqvarna, Baujahr: irgendwann letztes Jahrhundert So werden in Schweden Enduros transportiert


Begonnen hat das ganze 1984 mit 463 Teilnehmern. Im Jahr 2000 wurde erstmals die 2000 Teilnehmer Marke überschritten, und heuer wurde das Feld bereits auf 2300 Starter begrenzt, da nicht mehr Transponder zur Verfügung stehen. Diese 2300 Startplätze waren bereits im August vergeben. Für nächstes Jahr ist bereits geplant, zusätzlich Transponder zu kaufen, um auf 3000 Starter aufstocken zu können! Die stärkste Marke ist seit 2 Jahren KTM, und heuer waren bereits 100 KTMs mehr am Start als Motorräder der zweitstärksten Marke. Organisiert wurde und wird es vom lokalen Enduroklub, mit tatkräftiger Unterstützung des schwedischen Militärs, dem das Gelände, auf dem sich die Strecke befindet, auch gehört.

Nach einem kurzen Zwischenstopp in Stockholm begab sich unsere Reisegruppe Donnerstag Abend auf die Fähre nach Gotland, und erreichte schliesslich, nach insgesamt 20 Stunden unterwegs, die Insel. Am Freitag hatten wir Zeit uns zu akklimatisieren, und alle Formalitäten wie Anmeldung und technische Abnahme durchzuführen. Trotz dieser gewaltigen Teilnehmerzahl läuft das recht flott und gut organisiert ab, da könnte sich so mancher Veranstalter ein Beispiel nehmen. Am Abend hiess es dann früh ins Bett, denn am nächsten Morgen wurde es ernst. Den Start muss man sich folgendermassen vorstellen: Eine riesige Wiese, voll mit angespannten Endurofahrern, die Startaufstellung erfolgt nach dem Prinzip wer zuerst kommt steht vorne, daher standen wir natürlich ganz hinten. Kurz vor dem Start heissts Motoren aus kurz darauf erfolgte pünktlich um 09.35 Uhr das Startzeichen durch eine Ampel, die wir von unserem Startplatz aus natürlich nicht sahen, aber das war egal, denn die Erde beginnt ohnehin zu beben und die Luft zu zittern wenn 700 Leute gleichzeitig die Motoren starten und ordentlich Gas geben. Da standen wir also am Ende des Feldes, und rollten diesem gemächlich hinterher, ohne zu wissen was uns in den nächsten 3 Stunden erwarten würde. Das Wetter war jedenfalls nicht wirklich einladend, pünktlich zum Start setzte Dauerregen ein, doch zumindest die Temperatur war mit ca. 10° noch relativ erträglich.
 

Irgendwo da vorne ist der Start...


Der Boden auf dem in Gotland gefahren wird nennt sich Töfta, welcher ein recht sandiger Humusboden ist. Diese Schicht ist jedoch nicht allzu dick, und darunter finden sich grosse Felsplatten, welche bei Regen verdammt rutschig sind. Die Streckenführung an sich ist nicht wirklich schwierig und erinnert an Cross Country Rennen, also wenige Schlüsselstellen, flüssig zu fahren. Die Schwierigkeit ergibt sich eigentlich nur durch die vielen Starter, da sich bereits in der ersten Runde ordentliche Bodenwellen herausfahren. Mit zunehmender Renndauer verwandelt sich die ganze Runde in ein 22 Kilometer langes Waschbrett, welches nur durch einige Steinplatten unterbrochen wird. Dieser Mischung aus tiefem Sand, Bodenwellen, Wurzeln usw. kann man nur mit einem begegnen, ordentlich Zug am Hinterrad, und das macht müde.

Ein Grossteil des Feldes schaffte 3 Runden innerhalb der 3 Stunden bzw. gab nach 3 Runden auf. Wirklich ambitionierte Hobbyfahrer kämpften sich auch noch eine vierte Runden um den Kurs, und die schnellsten schafften sogar 5 sowie ein paar wenige (genau 26 Fahrer insgesamt) 6 Runden.


Ich gehörte zu der Mehrheit, die nach 3 Runden genug hatte. Die ersten beiden Runden waren wirklich nett zu fahren, surfen im Tiefsand, von einem Anlieger in den nächsten. Dabei überholte ich sicher einige hundert Fahrer und kam sogar zu einer richtigen Enduroeinlage, da sich bei einer Auffahrt, die den Namen eigentlich gar nicht verdiente, ein Stau gebildet hatte, und ich mir selber einen Weg durch den Wald suchen musste.


Die dritte Runde wurde dann doch schon halbwegs anstrengend, da die Bodenwellen immer tiefer wurden. Kaum zu glauben, aber trotz meines eher gemächlichen Tempos musste ich bereits Mitte der dritten Runde auf Reserve schalten. Der tiefe Boden liess meine KTM 525 EXC Racing doch einiges an Sprit durch den Vergaser saugen. Ich kam also rein zum Tankstopp, doch ich merkte dass meine Motivation, mich eine weitere Runde um den Kurs zu quälen, ziemlich gegen null tendierte. So fasste ich nur noch genug Sprit aus um die dritte Runde beenden zu können, und beendete nach knapp 2 ¾ Stunden dieses Abenteuer.

Erst jetzt viel mir so richtig auf, dass ich von Helm bis Stiefel komplett mit Schlamm eingedeckt und auch ziemlich nass war. Man konnte eigentlich die vorbeikommenden Fahrer alle nicht mehr wirklich unterscheiden, es herrschte Einheitsfarbe braun. Da aufgrund der feuchten Witterung und der starken Schlammentwicklung die Sicht mit Crossbrille gegen null ging, fuhren bereits ab der ersten Runde die meisten Fahrer ohne Brille, was natürlich eine feine Töfta-Schönheitsmaske im Gesicht ergab. Gegen Ende meiner dritten Runden war es dann so weit, dass die Profis gestartet waren, nämlich genau um 12:04 Uhr, und einige davon flogen auch noch mit affenartiger Geschwindigkeit an mir vorbei. Zu dieser Zeit waren also kurzzeitig knapp 2000 Fahrer gleichzeitig auf der Strecke!

 

Auf den Start folgte der Stau. Im Vordergrund einer aus der Militärklasse auf seiner antiken Husky Was aussieht wie ein Müllplatz sind alle Dinge, die beim Start zurück gelassen werden. Diese werden wieder ins Fahrerlager geliefert.
die Boxencrew Einheitsfarbe Braun

Nun ging also das richtige Rennen los. Dies war ein weiteres Zeichen für mich, dass eine vierte Runde doch eher ungemütlich werden könnte. Daher zog ich es vor ins Fahrerlager zu fahren und mir das Rennen gewaschen und trockengelegt vom KTM Bierzelt aus anzusehen, das KTM Schweden extra für alle KTM Fahrer aufgebaut hatte. Zur Unterhaltung spielte dort sogar eine Live-Band, und es gab auch feste Nahrung, neben reichlich Bier zum Auffüllen des Elektrolyt-Haushaltes natürlich. In diesem Rennen kämpfte mit Roland Sailer auch ein Österreich mit, der am Ende den ausgezeichneten 180. Platz erreichte.

An der Spitze des Feldes kristallierte sich gleich ein Zweikampf zwischen Titelverteidiger Mats Nilsson und E2 Enduro Weltmeister Samuli Aro auf KTM heraus. Samuli war 2004 erstmals in Gotland am Start und wurde zweiter hinter Nilsson. Heuer sollte die Revanche folgen.

Die beiden flogen im Sekundenabstand um die 22 km Runde, und neben dem reinen Speed wurde die richtige Taktik immer entscheidender. Beide kamen in der dritten Runde zum Tankstopp, es war also riskant zu hoffen, dass der Sprit bis zum Ende reichen würde. Schlussendlich riskierten jedoch beide und es kam zum Herzschlagfinale, direkt unterhalb des KTM Bierzeltes. Die 3 Stunden waren um, und beide kamen gleichauf Richtung Ziel geschossen. In einer langen Rechtskurve wählte Aro die Aussenlinie um vollen Speed mitnehmen zu können. Nilsson blieb innen, strauchelte in einer Spurrille und kam zu Fall. Damit war der Sieg Samuli Aro und KTM sicher, und das KTM Bierzelt drohte zu platzen!
 

Im KTM Bierzelt

Die Versorgung war gesichert

Die Band rockte ordentlich während die Profis ihre Runden drehten Derart herzlich wurde man im KTM Bierzelt empfangen
Gesamtsieger Samuli Aro (li.) mit dem erfolgreichsten Österreicher Roland Sailer. Roland traf anscheinend die falsche Getränkewahl... Das Podest der Gesamtwertung, von links Niklas Gustavsson, Samuli Aro mit mächtigem Pokal, Mats Nilsson
...der Autor war sich hingegen mit dem Weltmeister einig. Schwedische Dusche Handschuhe zum wechseln sind ein heisser Tipp
     

Damit war zwar das Rennen beendet, doch unser Abenteuer Gotland noch lange nicht! Wir fuhren in unsere Unterkunft, um zu duschen, und dann gings in die Eishalle der Inselhauptstadt Visby zur grossen Siegerehrung.

Obwohl Finne, wurde Samuli Aro dort gross gefeiert, wobei die Schweden sicher lieber einen einheimischen Sieger gesehen hätten. Insgesamt hielt sich die internationale Beteiligung beim Gotland Grand National sehr in Grenzen. Neben unserer österreichischen KTM Abordnung von 12 Fahrern und 2 Betreuern gab es noch ein paar Finnen, Esten, Norweger sowie 3 deutsche Teilnehmer. Eigentlich schade, denn dieses Wochenende war ein echtes Abenteuer. Jeder begeisterte Endurist sollte eigentlich einmal am GGN teilgenommen haben. Die Strecke ist für jedermann fahrbar und es ist ein echtes Erlebnis mit so vielen Gleichgesinnten im Sand zu spielen.

Nach der Siegerehrung ging die Party dann verteilt über die ganze Stadt bis in die frühen Morgenstunden weiter. Das ergibt sich schon alleine dadurch, dass die Insel nur mit der Fähre erreichbar ist, und die erste Fähre zurück zum Festland erst um 9 Uhr früh ablegt.

Gotland ist im Sommer so etwas wie das Ibiza von Schweden, deshalb ist das Angebot an Discos und Lokalen mehr als ausreichend für die ca. 25.000 Besucher, die an jedem ersten Wochenende im November wegen des GGN die Insel stürmen. Von diesem ausführlichen Abendprogramm kann ich euch leider keine Fotos präsentieren, wir wollen ja nicht dass 1000ps unter den Jugendschutz fällt.

Nach ca. 2 Stunden Schlaf sollte es dann zu eben jener ersten Fähre Richtung Festland gehen, doch das ganze wurde etwas chaotisch. Die Fähre war nämlich ausgebucht, und für uns keine Tickets reserviert. Der Ausweg hiess Blinde Passagiere spielen. Also rein in einen Sprinter, und erst nach dem Ablegen wieder raus. Bei der Hälfte unserer Gruppe die den ersten Sprinter bestieg funktionierte das ganze Unterfangen perfekt. Bei der zweiten Gruppe, in der auch ich mich befand, lief es schon nicht mehr so glatt. Dem Fahrer unseres Transporters fiel nämlich erst am Hafen ein, dass er eigentlich auf die andere Fähre, welche weiter südlich am schwedischen Festland anlegt, gebucht war. Zu diesem Zeitpunkt war unsere Fähre ohnehin schon auf hoher See.

Jetzt war also guter Rat teuer, denn das Flugzeug in Stockholm würde nicht auf uns warten, und die zweite Fähre war auch kurz vor dem Ablegen. Wir entschieden uns, mangels Alternativen für die Variante andere Fähre, dann Taxi zum Flughafen. Die Taxifahrt dauerte knapp 4 Stunden, aber so bekamen wir immerhin noch etwas von der schwedischen Landschaft zu sehen. Glücklicherweise hatte der Taxifahrer einen schweren Gasfuss, denn wir erreichten buchstäblich in letzter Minute den Check In am Flughafen. Im Nachhinein betrachtet war die Rückreise eigentlich anstrengender als das Rennen, aber ein Abenteuer war jedenfalls der gesamte Ausflug.

 

Villa Kunterbunt Ausgeschlafen sieht anders aus...
Die komplette österreichische Delegation vor ihrer Behausung
Wirklich viel bekamen wir von Stockholm nicht zu sehen Dafür das meiste bei Nacht, ab 16.00 Uhr ists finster


Alle Infos zu Gotland gibts unter www.gotland.info, und alle Infos zum GGN unter www.gotlandgrandnational.com, jedoch bis auf eine Einladung und das Anmeldeformular in englisch alles auf schwedisch, aber wie gesagt, bisher hielt sich die internationale Beteiligung ja noch in Grenzen.

 

Ergebnisse

 
1. Samuli Aro, KTM 525 EXC Racing, 6 Runden, 03:08:39
2. Mats Nilsson, Yamaha 250, 6 Runden, 03 :09 :07
3. Niklas Gustavsson, KTM 450 EXC Racing, 6 Runden, 03:15:27
4. Marko Tarkkala, KTM 525 EXC Racing, 6 Runden, 03:17:58
...
die Ösi-Connection:
180. Roland Sailer, KTM 300 EXC, 5 Runden, 03:25:32
402. Thomas Friedrich, KTM 400 EXC Racing, 5 Runden, 03:46:12
450. Paul Latschbacher, KTM 400 EXC Racing, 4 Runden, 02:43:47
558. Roman Pasi, KTM 250 EXC, 4 Runden, 03:02:36
577. Winni Kerschhaggl, KTM 250 EXC, 4 Runden, 03:03:28
651. Bruno Surtmann, KTM 450 EXC Racing, 4 Runden, 03:06:40
859. Harald Leichtfried, KTM 450 EXC Racing, 4 Runden, 03:18:01
1217. Christian Brunnmayer, KTM 250 EXC, 3 Runden, 02:02:57
1383. Hannes Dirmayer, KTM 300 EXC, 3 Runden, 02:42:51
1409. Martin Wabnegger, KTM 525 EXC Racing, 3 Runden, 02:46:35
1582. Peter Perberschlager, KTM 400 EXC Racing, 3 Runden, 03:16:15

Bericht von: KTM Bürohengst M.W.
Fotos von: Motorradkeiler No.1 RoHo

 
Autor

Bericht vom 17.11.2005 | 16'151 Aufrufe

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