Nicht mehr nie am Meer

Von zehn Reitern, die auszogen, um auf den Spuren Winnetous zu (lust)wandeln. On- und offroad.
 

Nicht mehr nie am Meer

Dalmatien liegt in Kroatien. Dort kann man viel unternehmen: auf Schotter-Pfaden herumteufeln, über Asphaltstrassen kurven, Fische essen, Käse kosten, Kaffee trinken, Eis essen, die eine und die andere Stadt anschauen, Sonnenuntergänge betrachten, Boot fahren, am Meer sitzen, mit der Seele baumeln und auch Bungee-Jumpen. Von allem haben wir ein bisschen etwas gemacht. Nur Letzteres nicht.
 
Es rauscht nicht. Das Meer. Obwohl es nur zwanzig Schritte entfernt ist. Nur dann, wenn es ganz, ganz still ist, wenn der sachte Wind gerade nicht mit dem Olivenlaub spielt und mit den Palmwedeln, dann hört man ein leises Glucksen und gedämpftes Murmeln, fast schon ein Plätschern. Die Adria ist, wenn das Wetter ruhig ist, sanft hier, in Dalmatien, das sich die Küste Kroatiens entlangzieht. Schärferer Wellengang wird von der davor liegenden Inselwelt gebremst.

Während die einen auf dem Balkon sitzen und Sterne schauen, ruhen die anderen im Garten, unter besagten Olivenbäumen und Palmen. Die anderen, das sind unsere eisernen Pferde: einige Österreicherinnen von 990 Adventure bis 690 SMC, eine Italienerin namens Multistrada, zwei Bayerinnen R 1200 GS und HP2 Enduro - und eine Japanerin, eine Suzi V-Strom. Es ist ende April, und man hält es nächtens schon ganz gut aus draussen, an der Luft, wenn man sich einen Pullover überzieht, und die Eisen kommen sowieso ohne Bedeckung gut aus. Zimperlich dürfen sie ja nicht sein, denn es gilt, unter anderem auf mehr oder weniger wilden Pfaden zu reiten, auf denen von Phantasie-Indianern, die aus der Feder Karl Mays stammen und deren Geschichten hier, als es noch Jugoslawien hiess, verfilmt worden sind.


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Aber alles von Anfang an. Im Heimatland kann sich, wie üblich, der Frühling nicht entscheiden, ob er den Winter endlich abschütteln will. Kurz gesagt: Es hat daheim ein Sauwetter, in den Wäldern liegt noch einiges an Schnee und auf den Strassen Rollsplitt und Streusalz-Staub. Wenig Chance, die winters etwas angerostete Fahrtechnik würdig wiederherzustellen. Da hilft nur eines: Flucht in den Süden. Diesmal darf es Dalmatien sein. Für fünf Tage und vier Nächte, genau zwischen Wochenanfang und ende. Weit ist es ja nicht, ein paar hundert Kilometer, und lang dauert die Fahrt dahin nicht mehr, seit sich die Anreiseweg-Nadelöhre dank grosszügigem Ausbau der Autobahnen auf ein Minimum reduziert haben. Damit die Reifen und unsere Nerven - geschont werden, haben wir die Eisen auf Anhänger und in Transporter gepackt.
   

Der Weg in den Süden: Mit Sack & Pack & Anhänger der Frühlingssonne entgegen.

 
So geht es sich aus, schon am späten Mittag am Meer zu sein, wenn man in ziemlicher Herrgottsfrühe losgefahren ist. Erwartet werden wir schon, und bevor einer auch nur die verknoteten Spannseile zu entflechten versucht, steht bereits frisch Gegrilltes und Gebratenes auf dem Tisch, von allem, was das Meer am Vormittag hergegeben hat. Die Luft ist lau, die Vögel zwitschern, die Sonne lacht vom Himmel. Ein Traum. Den die einen weiterträumen wollen, man ist ja schon vor dem Morgengrauen aufgestanden, und sich nach dem abschließenden Kaffee – es ist ein Caffè, der jeder italienischen Bar würdig wäre – zur Siesta ans Wasser verfügen (nicht ohne vorher beim Entladen der Hänger und des Transporters Hand anzulegen, wie sähe das denn aus!). Die anderen, das ist die Hälfte der zehnköpfigen Reisegruppe, macht sich gleich auf den Weg in die Berge. Die sind nah, die ragen gleich hinter uns in den blauen Himmel, die gehören zum Velebit-Gebirge
 

Das Essen, die Fische: Was das Meer so hergibt, das kommt frisch auf den Tisch.

 

Am Ende des Tages sind alle zufrieden. Die einen haben gut geruht, die anderen sich ausgetobt, und ein zerbrochener Spiegel an einer der 690er SMCs der Touchdown hat sonst keine Folgen gezeitigt wird flugs mittels Schminkspiegel aus dem Auto und Racetape ersetzt. Der Abend ist lau. Jetzt gibts zur Abwechslung Fleisch, und das örtliche Bier schmeckt genauso gut wie der Wein. Über all dem geht der Mond auf. Die Wettervorhersage verspricht Gutes. Nur etwas von starkem Wind murmelt der Wirt in seinen nicht vorhandenen Bart. Noch ist er aber nicht da. Denn das Meer, das rauscht noch immer nicht.

Das tuts auch am Morgen nicht. Denn die Palmen, die sich in der Brise biegen, übertönen mit ihrem Wedelgeraschel locker das Platschen des Meeres. Dennoch gehts los, wir schwärmen aus, Winnetous Pfaden entgegen. Teils in voller Schräglage auf der Geraden, weil der böige Wind am liebsten breitseits angreift. Wodurch man bei langsamen Passagen auf grobem Schotter zum Windspiel wird. Da wollen nicht alle spielen, mit dem Wind, wohl auch deshalb, weil eine gewisse Körperkürze das Ganze zum Eiertanz macht: Wer nicht schnell genug mit den Füssen auf dem Boden ist, der liegt. Somit gehen, beziehungsweise fahren die einen weiter Indianer jagen, und die anderen nehmen die Küstenstrasse in Richtung Karlobag unter die Räder.

 

Auf Winnetous Pfaden liegen viele Steine, mit Stopplern tut man sich da leicht(er).

 

Es pfeift der Blasius zwar da heftig, aber nicht ganz so wild. Die einstige und gefürchtete Rutschpartie an der kroatischen Küste ist passé. Die Strasse hat sich zu einem grossteils echt griffigen Asphaltband gemausert. Das fördert beherzte Gangart. Und kann auch zu Ehekrisen führen. Etwa dann, wenn die Frau ihrem Mann das Eisen ausspannt, weil ihr die SMC zu wenig anreisst. Sprich: Sie luchst ihm die Multistrada ab und macht sich davon. Er bleibt mit der Kante sitzen. Aber nicht lang. Ein Motorrad ist auch nur ein Werkzeug, und mit der leichten Oberösterreicherin hat er auf der kehrenreichen Strasse nach Gospic sprichwörtlich leichtes Spiel. Was sich ja nicht zuletzt beim Bremsen je später, desto lieber echt auszahlen kann. Schliesslich gab es trotz der PS-Übermacht für die Multi am Ende keinen Vorsprung. So haben sich auch die aufsteigenden Krisenwogen geglättet, und im Café wird mit Espressi auf den Ehefrieden angestossen. Die Indianerforscher berichten inzwischen. Von artistischen Balance-Einlagen, wunderbaren Ausblicken und endloser, menschenleeren Weiten. Indianer hat niemand gesehen, und die Spuren der Winnetou-Verfilmungen der Sechziger Jahre hat spätestens der Krieg verwischt. Der leider immer noch präsent ist, anhand des einen oder anderen vergessenen Panzers.

   

Mach mal Pause und schau ins Land: Noch ist es allenthalben menschenleer.

 

Die Meute beginnt ob der sich in die Länge ziehenden Pause zu meutern. Das Wetter ist schön, die Strassen trocken, es muss gefahren werden. Das wird auch getan, retour zum Meer, immer den wunderbaren Kontrast zwischen tiefblauem Wasser und fast weissen Inseln vor Augen. In Przina entert die Zehnerschaft die Fähre zur Insel Pag. Motorräder dürfen, nein müssen sich vorne aufstellen. Es sind aber ohnehin nicht viele Leute unterwegs an einem Wochentag in der Vorsaison. Abgesehen von uns sind es ein paar Einheimische und ein paar ausländische Pensionisten, die mit den wilden Reitern keine Berührungsängste haben. Das Meer ist trotz wildem Wind ganz zahm, und wir betreten ungebeutelt und ungeschüttelt den Inselboden.

Die Partymeile, für die Pag bekannt ist, bleibt rechts liegen, für uns gehts nach links, zum Käse. Denn es ist zwar nicht alles, aber sehr vieles Sir (= Käse) hier. Das Schafsmilchprodukt ist weithin bekannt, besonders ob seines Salbei-Aromas. Dieses Kraut fressen die Viecher zwar nicht, aber sie schlecken das Salz ab, das sich auf dem Grün absetzt und so kommt der Salbei in den Käse. Eine These, die mit einer ausgiebigen Verkostung untermauert wird. Nebst örtlichen Oliven und einem Mini-Mini-Mini-Verkostungsschluck vom roten Wein. Es ist zwar nicht mehr weit bis heim, aber dont drink & drive gilt in diesem Land bekanntlich doppelt und dreifach. Umso beherzter greifen alle zum Abendessen zu Karlovacko und Rebsaft, was dank der guten Unterlage der Cuisine du Kiko keine bösen Folgen hat. Denn es kommt der zweite Tag.

   

Der Käse ist gewissermassen das Gold der Insel Pag, er schmeckt nach Salbei.

 

Wieder pfeift wild der Wind, wieder teilt sich die Gruppe in Schotter- und Asphalttiger. Erstere streben über verschlungene Abwege zu den Krka-Fällen, Zweitere gehens befestigt an, machen dafür mehr Kaffeepausen. Nahe der fallenden Wasser sind alle wieder vereint, entern ein Boot und stechen in See, pardon in den Fluss namens Krka, um möglichst nahe ranzukommen. Auch hier gibts keine Spur von Indianerdarstellern - genau hier hatte man am Winnetou gedreht, genau hier hatte man uns den Grand Canyon und seine wilden Wasser vorgegaukelt die wären wahrscheinlich alle schon grau.

 

Das Städtchen Vinjerac: schmale Gassen und eine grosszügige Strandpromenade.

 

Wir haben an zwei Tagen viele Strassen gesehen, solche mit und solche ohne Schotter, wir haben Kaffee getrunken, Käse gekostet, Motorradfahrerlatein gesponnen alles, was man so macht, auf einem Motorradausflug. Heute dagegen, heute ists Zeit für ein wenig Kultur. Der Weg dorthin ist ja sowieso auch mit netten Strassen gepflastert. Damit sind nicht alle einverstanden. Was uns aber gar nichts ausmacht, weil man die Gruppe ja teilen kann. Gesagt, getan. Nicht ohne einen Abstecher nach Vinjerac ins nun schon Hafenpromenadencafé.

Danach gehts nach Nin. Ein hübsches kleines Städtchen, das in einer Lagune liegt, die nicht ganz echt ist. Den dazugehörige Kanal hat der Mensch gegraben, und nicht die Natur. Auch steht hier neben einer Reihe von Kirchen die kleinste Kathedrale der Welt. Und sie steht schon sehr lange dort. Man datiert sie ins Jahr 800 nach Christus. Nächster Besichtigungspunkt ist Vir, ein Badeort. Zumindest karibisches Flair wird dort geboten und eine schier unübersehbare Anzahl von Lokalen. Bemerkenswert auf der Strasse dorthin ist eine Brücke, von der man nicht weiss, ob das Wort Brückenbogen oder Bogenbrücke wörtlich genommen wurde, so hoch spannt sich der Strassenbogen ins Blaue. In Wahrheit aber wollen die Segler drunter durchfahren ohne die Masten ihrer Boote umlegen zu müssen.

 

Die Maslenica-Brücke: imposantes Bauwerk, das nicht nur zum Drüberfahren dient.

 

Aller guten Dinge sind drei. Es steht Zadar auf dem Programm. Der Hafenstadt sieht man die römische und die venezianische Vergangenheit genauso deutlich an wie allen Städten entlang der kroatischen Küste. Das rot-weiss-rote Erbe hat sich nicht so stark ausgeprägt. Zadar stand aber auch nur kurz unter der österreichisch-ungarischen Krone, nur von 1979 bis 1805. Aufmerksamen Augen sichtbar ist leider auch die Hinterlassenschaft des Krieges: Noch ist es nicht gelungen, alle durchlöcherten Verputze zu erneuern. Das scheint hier kaum jemanden zu stören, und im Gegensatz zu den vergangenen drei Tagen sehen wir geradezu Menschenmassen. Auffallend ist auch, dass es hier eindeutig mehr Eissalons gibt als in Italien, dem Mutterland des Gelato. Mit einem Eis in der Hand setzen wir uns an den Meeresrand und schauen der Sonne beim Untergehen zu. Sie versinkt rotglühend im Meer.

 
 

Am Abreisetag will sie nicht so recht aufgehen. Das Wetter hatte es bisher sehr gut gemeint mit uns, aber zeigt es sich trübe und diesig. Wohl kämpft sich die gelbe Scheibe doch durch, aber am Horizont, über dem Velebit, bauen sich schon Wolkentürme auf. Man muss halt wissen, wann es Zeit ist, zu gehen. Doch bevor wir fahren, machen wir noch einen kleinen Bootsausflug und schauen uns die imposante Maslenica-Brücke von unten an. Bei dem Gedanken, da ins Seil zu springen, kommt einem das blanke Grausen. Wir beschliessen daher, das Angebot zum Bungee-Jumpen nicht anzunehmen. Motorradfahren ist uns Abenteuer genug. Und in diesem Sinne packen wir uns zsamm und fahrn nach Hause.

 
 

Nachsatz: Die Dalmatiner sollen in Dalmatien übrigens genauso ausschauen wie überall auf der Welt: weiss mit schwarzen Flecken. Von dort her kommen sie an sich nicht. Erste Spuren der Tupfen-Hunderasse wurden ein Stück weiter weg, im pharaonischen Ägypten gefunden. Der Name Dalmatiner allerdings könnte aus Dalmatien kommen, sagt zumindest die Theorie. Um es kurz zu machen: Wir haben keine gesehen in Dalmatien. Die standen aber auch nicht im Mittelpunkt unseres Interesses. Dafür, siehe oben, die Sonne, das Meer, die Fische, der Käse, die unvergleichliche Landschaft, und die unendlich vielen Kurvenstrassen.


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Text: Trixie Keckeis
Fotos: Trixi Keckeis, Manager on Tour

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Bericht vom 12.03.2012 | 6'231 Aufrufe

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