Ab nach Rijeka
Die Anreise nach Rijeka war
diesmal besonders angenehm. Einerseits hatte Klaus Grammer etwas
Liebeskummer und war dadurch überhaupt nicht gesprächig und andererseits
schafften wir mit unserem Fiat Racing Scudo mit Anhänger und 4 Bikes on
board die Strecke Graz-Rijeka in sagenhaften 3 Stunden.
Mit an Board: ZX-10 R
Das Entwicklungsziel für die
japanischen Ingenieure war klar umrissen. Die Führung in der
Spitzenleistung musste verteidigt werden und die 180 Pferde sollen für
den Reiter kontrollierbarer werden. Umfangreiche Änderungen musste
deshalb die Fahrwerksgeometrie über sich ergehen lassen. An
Motorleistung mangelte es der ZX-10 R noch nie. Seit dem Modelljahr 04
verbreitete die 10er Ninja Angst und Schrecken auf der Start-Ziel Geraden.
Doch Fahrwerkstüftler hatten ihre liebe Not mit der Stabilität des
Motorrades. Wählte man ein anderes Setup oder andere Reifen reagierte
die 10er extrem sensibel.
Das grüne Biest wurde zahmer
Im Modelljahr 2006 wurde dieser
Mangel komplett beseitigt. Die 10er katapultiert sich fein dosierbar und
ständig stabil aus den unterschiedlichsten Radien.
Als echten Fortschritt zu den
Vorgängermodellen kann man auch die feine Dosierbarkeit der enormen
Motorleistung bezeichnen. Speziell am Kurvenausgang erleichtert die
kontrollierbare Kraftentfaltung das Leben enorm.
Überwältigender Durchzug
In Rijeka beschleunigt man aus
einer buckligen Kurve hinaus auf die Start-Ziel Gerade, welche von einer
kniffligen Anbremszone abgeschlossen wird. Es war herrlich, wie man mit
der überlegenen Motorleistung auf der kurzen Gerade die chronische
Gasgrifflähmung in den Kurven wieder gut machen konnte. Supersportler
aller Marken aus vergangenen Modelljahren wurden reihenweise inhaliert.
Denn nicht nur die Spitzenleistung im Prospekt hört sich überwältigend
an, sondern auch der nahtlose Durchzug durch alle Gänge fühlt sich
überwältigend an.
Leckerbissen: Optisch und
funktionell
Ausstattungsseitig ein
Fortschritt ist der gut abzulesende Analog-Drehzahlmesser. Im Nachhinein
betrachtet wunderten wir uns, warum uns nur jemals die digitale
Balkenanzeige am Vorgängermodell oder an der aktuellen 6er zufrieden
stellen konnte.
Positiv zu erwähnen ist
sicherlich der serienmässig montierte Öhlins-Lenkungsdämpfer. In
vergangenen Jahren war dieses Teil, die erste Investition welche vor
Saisonbeginn getätigt wurde. Nach und nach finden die Lenkungsdämpfer
nun Einzug in Serienmotorräder. Kawasaki geht nun einen Schritt weiter
und montiert gleich ein hochwertiges Teil von Öhlins. Ein Plus das
einige Hundert Euro wert ist.
Die biedere Optik täuscht
gewaltig
Vom Handling waren wir positiv
überrascht. Einige Kurvenkombinationen fährt man in Rijeka unter Last
und selbst dabei liess sich die 10er willig von einer Ecke in die andere
schmeissen. Die Kawasaki lässt sich mit erstaunlich wenig Krafteinsatz um
die Rennstrecke prügeln. Hier täuscht die biedere abgerundete Optik gewaltig.
Beim Anbremsen bleibt die Kawa
sehr spurtreu, was die miesen Bodenwellen vor Turn 1 doch etwas
entschärft. Ein möglicher Grund für die bestechende Wirkung der Vorderbremse mögen
die Einzelbeläge in den radial verschraubten Bremszangen sein. Selbst
bei bereits verschlissenen Belägen ist kein wandernder Druckpunkt oder
eine nachlassende Wirkung spürbar, weil die kleinen Einzelbeläge immer
satt an der Scheibe anliegen.
Unauffällig und wirkungsvoll:
Anti Hopping Kupplung
Kupplungsdosierbarkeit und Getriebe passen, wie nicht anders zu erwarten,
perfekt. Eine unauffällige weil wirkungsvolle Anti Hopping Kupplung ist
2006 ebenfalls Nippon-Standard. Wer damit fahren lernt, darf nie mehr
auf ein Motorrad ohne Anti Hopping Kupplung umsteigen. Man gewöhnt sich
sehr schnell schlampiges Runterschalten ohne Zwischengas an.
Das obligatorische Klaus Grammer
Geraunze zum Thema Hinterbremse darf auch hier nicht fehlen. Diese
Bremse muss mit der Ferse bedient werden so oder so ähnlich hörte sich
seine Suderei an. Wer jedoch wie NastyNils zum Bremsen an der
Rennstrecke die Vorderbremse verwendet, wird bei der Kawasaki ZX-10 R
die Grenzen in der eigenen Muskulatur finden.
Immer auf die kleinen Dicken
Kleine Piloten sitzen bei der
ZX-10 R etwas zu tief und man hat Mühe das Gewicht beim Beschleunigen
über den Tank zu halten. Dadurch fehlen die nötigen Kilos, um das
Vorderrad am Boden zu halten. Trotzdem war der kurz geratene Klaus
Grammer wie immer schneller als der Hüne NastyNils.
Mit der Serienabstimmung neigte
das Motorrad etwas zum Untersteuern. Am Kurvenausgang senkt sich das
Heck unter Last zu stark ab und der Radius wird ungewollt grösser.
Untypisch für Kawasaki hat man diesmal eine zu weiche Serienabstimmung
des Federbeins gewählt. Doch es sind genug Reserven bei der
Federvorspannung und der Dämpfung für ein straffes Rundstrecken-Setup
vorhanden. Fazit: In der Grundabstimmung perfekt für die Strasse. Für
die Rennstrecke etwas die Federvorspannung erhöhen und die Druckstufe
ein wenig zudrehen.
Pragmatisches Design: Runter
mit dem cw-Wert
Das Design der Verkleidung wurde
bei Kawasaki gänzlich den Technikern und nicht den Designern überlassen.
Optimiert für hohe Geschwindigkeiten kann sich der Pilot perfekt in das
Motorrad integrieren, um dem Gegenwind keine Chance zu lassen.
Verkleidung, Tank, Heck, integrierte Blinker und die neue Front kennen
nur ein Ziel: Topspeed.
Das Bike für Technokraten:
Kompromisslos perfektioniert
Eine Kawasaki ZX-10 R im
Modelljahr 2006 wird vermutlich hauptsächlich von Technokraten gekauft
werden. Führend in Motorleistung und ein Quantensprung in Sachen
Fahrbarkeit im Vergleich zum Vorgängermodell machen sie zu einem echten
Sieganwärter. Im Fahrerlager ist mit der ZX-10 R jedoch kein Sieg zu
erringen. Die Konkurrenz legte die Designlatte für die Grünen heuer
etwas zu hoch. Also unbedingt zufällig einen Ausdruck mit den
Rundenzeiten beim Motorrad liegen lassen, um verlorenes Image wieder
herzustellen.
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