KTM 690 Duke 2012

Etwas milder als bisher möchte die Duke 690 nun als echtes Mittelklasse Bike durchgehen. Klarerweise jedoch mit klassenbesten Fahrspass. Mission gelungen? 1000PS klärt auf!

Die ungestüme Duke ist erwachsen geworden. Trotzdem hat man ihr aber zum Glück nicht alle Flausen ausgetrieben.

 

KTM Duke 690 - Testbericht 2012

Die Kurven wollen einfach niemals enden. Mittlerweile fällt es schwer die Konzentration zu halten, denn die Strasse ist eng und eine präzise Linienführung ist nötig. KTM hat uns mit der neuen Duke 690 auf eine quirlige Bergrunde hier auf Gran Canaria entsendet, um die Qualitäten der neuen Duke 690 zu testen.
 

Milde Temperaturen und rauer Asphalt-die optimale Mischung für eine nette Testfahrt mit der neuen 690 Duke.

 

Nicht nur neu, sondern ganz anders


NEU trifft den Nagel bei der Duke 690 diesmal wirklich auf den Kopf. NEU ist dabei jedoch noch untertrieben, sie ist auch ein anderes Motorrad. KTM verkaufte bisher rund 30.000 Duke Modelle. Klingt viel, angesichts des langen Zeitraumes (1994-2011) aber dann doch etwas zu wenig um die Duke weiterhin sinnvoll weiterzuentwickeln. Man wollte das Motorrad für 2012 anders konzipieren um es einer breiteren Zielgruppe zugänglich zu machen. Da gab es im wesentlichen drei Stellschrauben an denen gedreht werden musst um die Duke massentauglich zu machen. Punkt Nummer 1 war die Sitzhöhe. Das komplette Chassis wurde überarbeitet und die Duke 690 ist nun viel mehr Nakedbike als Supermoto.


Nakedbike statt Supermoto


 

Die Tatsache, dass die Duke 690 nun eher Nakedbike ist als eine Supermoto hat die Fahragilität jedoch nicht negativ beeinflusst. Am Fusse des Berges hatte ich mittlerweile eine kleine Bar erreicht und genehmigte mir einen Espresso, ein Glas Wasser und ein Cola (Gesamtpreis übrigens 2,50 Euro!) und dachte nach. Die Duke spielt ihre beiden Asse im Ärmel immer noch gekonnt aus. Das eine ist das niedrige Gewicht und das andere ist der sagenhafte Motor. Wie bisher ist die Duke ein sehr kompaktes Motorrad welche Befehle des Piloten, egal in welche Himmelsrichtungen sie auch weisen mögen, sofort umsetzt.

Sie kippt schnell und kontrollierbar in den Radius, wheelt aber auch beherzt. Die neue Sitzposition steht ihr gut und der Sattel ist ohnehin ein grosser Schritt nach vorne. Man sitzt etwas komfortabler und hat nach hinten eine angenehme Stütze um sich bei den Autobahnetappen festzuzurren. Nur die Hang-Offs in Wechselkurven gingen mit der alten Duke etwas leichter von der Hand. Man sitzt nun eher im Motorrad als oben drauf. Der Lenker ist immer noch breit genug um die Duke mit herzhaften Impulsen in den Radius zu drücken und der Knieschluss ist phantastisch. Sitzposition, Fahrkomfort und Fahrverhalten werden auch eingefleischte Duke Fans begeistern können.

   
Der Katalysator der Duke ist übrigens im Vorschalldämpfer untergebracht. Ein Austauschschalldämpfer von Akrapovic, Remus, LeoVince und Co. ist daher relativ günstig anzuschrauben. Die neue Duke 690 hat serienmässig eine Sitzhöhe von 835 mm. Mit einer Sitzhöhen-Reduktion aus dem Powerparts-Programm kann man sie noch weiter auf 800 mm senken.
Einzylinder = KTM! Kein anderer Hersteller kommt an das Aggregat aus Mattighofen ran. Philipp Habsburg, Entwicklungsleiter bei KTM, ist stolz auf die aktuelle Duke. Der eingeschlagene neue Entwicklungsweg ist nötig, um höhere Stückzahlen zu erreichen und damit langfristig immer weitere Entwicklungsschritte setzen zu können.
Immer noch hübsch und exklusiv: Die vertrauenerweckende Schwinge an der 690er Duke. KTM Powerparts Gepäcklösung für die Duke "IV".

70 Nm, 70 PS, 200 km/h


 

Stellschraube Nummer 2 war die Laufkultur vom Einzylindermotor. Der LC4 Motor war ohnehin schon auf einem hohen Niveau, wurde aber noch mal besser. Der Hubraum wurde auf echte 690 ccm erweitert und Drehmoment wie Leistung liegen bei 70 Nm bzw. 70 PS. Befehle am Gasgriff werden mittels "Drive by Wire" an die ECU weitergeleitet und dort erstmal digital auf ihre Zurechnungsfähigkeit hin überprüft. Also herzhaftes Aufreissen bei niedrigen Drehzahlen hat früher für einen motorischen Rülpser gesorgt, nun sorgt es für ruckfreien Vortrieb. Nur bei sehr niedrigen Drehzahlen hat man im Teillastbereich immer noch eine peitschende Kette. Insgesamt jedoch sind die Manieren des Motors für einen Einzylindermotor eigentlich phantastisch und auch wenn man 2-Zylinder gewohnt ist, immer noch als "gut" zu bezeichnen. Auch in diesem Punkt werden die Duke Fans den KTM Produktplanern den Schwenk nicht übel nehmen. Der Motor ist insgesamt immer noch wie von einem anderen Stern. Jeden anderen Einzylinder steckt er so was von in die Tasche. Jeder Vergleichstest wäre eigentlich so als ob jemand aus der ersten Klasse gegen die Jungs aus der Oberstufe antreten muss. Der Motor hängt direkt genug am Gas um richtig Spass zu machen, die Leistung reicht bis Tempo 200 und das Drehmoment lässt sich wohl dosiert ans Hinterrad entsenden.


Neue Wege! Die Duke wird günstig.


Doch ich erinnerte mich auch, dass mir die Schaltung vom Getriebe nicht mehr ganz so gut gefällt wie früher. Es war mal präziser, knackiger und fühlte sich einfach an wie feinster Maschinenbau für Rennfahrzeuge. Nun erwischte ich zum Ende der fordernden Tour immer wieder mal einen Leerlauf im Getriebe. Ein anderes Bindeglied zwischen Motor und Asphalt funktioniert jedoch immer noch sehr gut. Das ist die Anti-Hopping-Kupplung von Adler aus Italien. Gemeinsam mit der Motorelektronik hält sie den rasanten Piloten am Kurveneingang präzise auf Kurs und verschont den Anfänger schon in der Bremszone vor einem stempelnden Hinterrad.

Apropos Stempeln! Die Duke 690 hat nun ABS! Doch bevor die harten Dukefans nun beginnen mit dem Kopf auf die Tastatur zu hämmern muss ich auch gleich einwerfen, dass dieses wirklich gut funktioniert und auch abschaltbar ist. In der Praxis ist es so, dass man damit sehr sehr flott fahren kann und eigentlich kein Bedarf besteht es zu deaktivieren. Es gibt jedoch ungezogene Piloten, welche gerne mit sehr viel Reifenverschleiss und anständiger akustischer Untermalung in die Kurven fahren. Wem sein Image auf der Hauskurve wichtig ist, der kann solche Spielereien also immer noch problemlos durchführen.

Stellschraube Nummer 3 war der Preis. Die neue Duke 690 ist satte 20% billiger als das Vorgängermodell. Dabei ist das ABS nun mit eingerechnet. Damit wird die Duke 690 mit einem Schlag zu einer Alternative zu ER-6n, Suzuki Gladius, Ducati Hypermotard 796 oder auch BMW F 800 R. Bei vielen Elementen am Motorrad ist es so, dass die Preisreduktion weder sichtbar noch spürbar ist. Der Heckrahmen zum Beispiel war früher mal ein Rahmengeflecht, welches sehr viele Arbeitsschritte und auch Einzelteile benötigte. Mit der höheren Stückzahl welche mit der neuen Duke 690 angepeilt wird, hat es sich gelohnt in ein Druckgusswerkzeug zu investieren (Kostenpunkt mehrere 100.000 Euro). Der gesamte Heckrahmen mit viel Funktionalitäten wird nun aus zwei relativ günstigen, optisch und technisch jedoch tadellosen Aludruckgussteilen hergestellt.

Bei anderen Bereichen ist es so, dass der niedrigere Preis zwar sichtbar aber nicht erfahrbar ist. Zum Beispiel bei den Armaturen und Bedienelementen. Kupplung und Bremse liegen immer noch gut in der Hand, der Gasgriff fühlt sich gut an, es sieht aber einfach nicht mehr so exklusiv wie früher aus. Wo man definitiv spürt und sieht dass im Vergleich zu früher gespart wurde ist die Gabel und das Federbein. Auf den Federelementen prangt zwar immer noch das WP-Logo, sie bieten jedoch weder die Güte wie man es von KTM immer gewohnt war und auch keine Einstellmöglichkeiten. In der Praxis offenbart sich das mit etwas zu wenig Reserven am Kurveneingang. Also dort wo man über Bodenwellen hart anbremst und dann die Duke 690 auch noch in den Radius prügeln möchte. Oder aber bei den feinen Bodenwellen und kleinen Unebenheiten. Dort würde ich mir ein etwas feineres Ansprechverhalten wünschen um die Räder auch wirklich ständig satt am Boden zu halten.

Ich bezeichne mich selbst auch als Duke-Fan der ersten Stunde und versuche die Sache einmal ganz rational zu beleuchten. Das Teil ist 20% günstiger als früher. Der Motor ist bestimmt um 5% besser, mit Chassis und Sitzposition kann ich wirklich gut leben, das Fahrwerk ist jedoch um mindestens 20% schlechter. Das reicht immer noch um japanische Mittelklasse-Bikes locker in die Tasche zu stecken. Wer jedoch die Duke 690 wieder für Ausflüge auf die Rennstrecke verwenden will, der muss das gesparte Geld wie bei anderen Herstellern auch, in Fahrwerkstuning investieren.

Apropos Zubehör. Die neue Duke 690 lässt sich wie man das von KTM gewohnt ist kräftig aufmagazinieren. Das Geschäft mit den Powerparts und Powerwear Artikeln macht mittlerweile schon 20% vom KTM Umsatz aus und ist damit sowohl für den Händler als auch fürs Werk ein wichtiges Standbein. Die Duke 690 kann man zum einen in Richtung "Stuntbike" oder in Richtung "Touring" entwickeln.

Zurück im Hotel verschwand ich nicht wie meine geschätzten Kollegen sofort in Richtung Pool. Nicht nur weil ich Angst hatte, über die Brüste der 50+ Ladys zu stolpern welche dort ihre Leiber eine Woche in der Sonne braten liessen. Ich wollte die aktuellen technischen Daten der Duke auch kurz in Relation zu anderen Nakedbikes in dieser Hubraumklasse setzen. Beim stöbern im 1000PS Motorradkatalog konnte ich folgende Werte ermitteln:

Leistungsgewicht KTM 690 Duke 2012: 70PS, 160 kg, 2.29 kg / PS

  • Kawasaki ER-6n: 72 PS, 206 kg, 2.86 kg / PS
  • Ducati Monster 696: 75 PS, 185 kg, 2.47 kg / PS
  • Ducati Hypermotard 796: 79 PS, 190 kg, 2.44 kg / PS
  • BMW F800R: 87 PS, 199 kg, 2.29 kg / PS


Britische Entwicklungshilfe


Der Einzylinder ist für KTM ein Konzept an dem es sich zu glauben lohnt. Der Motor ist günstig, zuverlässig (die Serviceintervalle konnten auf 10.000 km ausgedehnt werden) und wenn man ihn wie KTM richtig baut auch sehr leistungsfähig. Beim aktuellen Aggregat wird nicht nur mehr Hubraum geboten sondern es wurde auch ein neuer Zylinderkopf konstruiert. Im neuen Teil stecken nun zwei Zündkerzen, was vor allem für die Motorsteuerung grosse Vorteile hat. Den beide Zündkerzen werden unabhängig voneinander angesteuert. Nur mit dem verstärkten Einsatz von Elektronik ist es KTM gelungen, den wilden Einzylinder so weit zu domestizieren. Ganz nebenbei wurden auch die Abgaswerte gesenkt um fit für Euro 4 und Euro 5 zu sein, sowie der Verbrauch um 10% gesenkt. In der Praxis fährt man das agile Nakedbike mit rund 3.5 - 4 Litern Verbrauch auf 100 km.

Am Ende des langen Tages schmökerte ich in der Hotelbar noch in den Tageszeitungen und vernahm darin Kritik der EU an den Briten. Diese tun angeblich zu wenig für die Rettung des Euro. Dem kann ich nur entgegenhalten, dass vier britische Journalistenkollegen heute wirklich grossartigen Einsatz für den Budgethaushalt der spanischen Insel Gran Canaria gezeigt haben. Sie gaben den Dukes selbstlos die Sporen und fuhren im Rudel mit 160 durch die 80er Zone. 800 Euronen spendeten sie fast freiwillig an die örtlichen Geldeintreiber und haben damit einen kleinen aber feinen Anteil zur Rettung des Euro beigetragen.

Die KTM 690 Duke im Powerparts "Stunt" Trimm. Angeblich schneller als die alte Duke R. Die Sitzbank lässt mehr Dynamik im Sattel zu und die Felgenaufkleber sorgen für Respekt am Parkplatz.


Bescheidenheit


Bescheidenheit ist eine Stärke der KTM Prospektschreiberlinge. Denn am unabhängigen Prüfstand von Fuchs, drückte die KTM 690 Duke 74 PS und 78 Nm auf die Walze.


KTM 690 Duke 2012 Bilder


Viele Bilder in der Slideshow zur KTM 690 Duke 2012. Link: Bilder KTM 690 Duke 2012

 

KTM 690 Duke 2012 - Technische Daten


 

Bericht vom 16.12.2011 | 46'770 Aufrufe

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