Triumph Speed Twin 1200 2019 Test

Fährt anders als sie aussieht

Sie hat sofort jedem im Raum verzaubert. Die Triumph Speed Twin steht in der Mitte der Manege hier auf Mallorca und wir Journalisten können unsere Blicke nicht von ihr lassen. Klar sind wir alle Motorradenthusiasten und lieben Bikes nun mal. Doch ganz ehrlich: Diese Maschine ist einfach wunderschön. Es gibt selten Motorräder wo ich als Testpilot ein paar Worte über Design und Optik verliere. Denn Geschmäcker sind bekanntlich verschieden. Doch bei der Speedtwin ist das Thema Optik und Design aus zweierlei Gründen besonders erwähnenswert.

Wunderschön - Auch dort wo keiner hinsieht

Auf der einen Seite ist die neue 1200er Speed Twin nicht nur oberflächlich schön gestaltet. Also kein Push-up und viel Make-up. Hier ist alles echt. Die Kotflügel sind aus gebürsteten Aluminium, in den LED-Blinkern finden sich kleine Triumph Logos und der Motor ist ein Prachtstück aus purem Metall. Auch wenn dieses teilweise Magnesium und nicht Stahlguss ist - Die Optik und Haptik passt. Es ist mir beim Test nicht gelungen an irgendeiner Stelle des Motorrades ein billiges oder unpassend wirkendes Detail zu entdecken. Damit ist sie für mich eine der ganz grossen Ausnahmen im Moment. Klar haben auch andere Mütter schöne Töchter, doch ein Motorrad dieser Preisklasse welches aus der Kiste bis ins Detail so schön gestaltet ist gibt es kein zweites mal. Für mich stellt sich da sofort die Frage: Wer bitte kauft dann diese Unmengen an Zubehör welche Triumph für die Speed Twin anbietet? Ich würde sie genauso behalten - sogar der schön gestaltete Auspuff kann genauso bleiben wie er ist. Einzig die Heizgriffe aus dem Zubehör müssen noch ran - fertig!

Triumph Speed Twin 1200 2019 - Sie fährt anders als sie aussieht

Doch auf der anderen Seite war der Erstkontakt mit der Speed Twin auch eine grosse Überraschung. Diese Überraschung wird einige Leser möglicherweise enttäuschen, andere jedoch ermutigen erstmals auf eine 1200er zu steigen. Klare Aussage: Das fette 1200er Eisen ist weder fett und fühlt sich auch gar nicht nach Eisen an. Sie wirkt schon beim Probesitzen klein und kompakt und fährt agiler als die meisten 800er Bikes.

Versuchen wir das Thema langsam aufzuarbeiten. Betrachtet man die neue Triumph von der Seite, kommt das mächtige Gehabe noch pur und direkt rüber. Das liegt vermutlich am prallen Motorblock und an der nach vorne gedrungenen Form. Nähert man sich der Maschine aber von hinten, wirkt sie sofort kompakt und zugänglich. Und beim Probesitzen verliert man auch als kleiner Pilot sofort den Respekt. Sie fühlt sich treu und gar nicht böse an. Das wird nicht allen gefallen. Grosse und schwere Piloten werden das Gefühl haben, dass die Speed Twin unter ihnen verschwindet. Bei der Probefahrt wird sich der Eindruck vom Probesitzen dann noch erhärten.

Triumph Speed Twin 2019 - Erfahrungen auf den ersten Metern

Die Fahrt zum ersten Cafestop war eine grosse Überraschung. Auf den ersten Metern fühlte sich die Maschine ungewöhnlich hölzern an und das Einlenkverhalten war absolut nicht harmonisch. Doch das lag an den Reifen. Triumph geht einen ungewöhnlichen und überraschenden Weg. Sie wählten als Pneus die überaus sportlichen Pirelli Diablo Rosso III. Diese brauchen natürlich etwas Aufwärmzeit und bei 3 Grad Aussentemperatur ist diese Aufwärmphase eben etwas länger. Doch trotzdem ist der Pneu eine gute Wahl. Denn er passt so stimmig in die Idee welche hinter diesem Motorrad steckt.

Triumph Speed Twin 2019 - Lass uns eine kleine 1200er bauen

Die Idee hinter der Speed Twin war offenbar ein Motorrad zu bauen, welches Piloten anspricht die sich bisher keine 1200er zugetraut haben. Trotzdem soll die Maschine aber aussehen wie eine 1200er und auch nach vielen Saisonen noch Adrenalin und Freude spenden. Und genau deshalb hat Triumph die Thruxton-Basis deutlich überarbeitet um daraus eine Speed Twin zu machen. Das Motorrad hat nun eine Radlastverteilung von 50% vorne (Thruxton 48%). Damit spendet sie ein besseres Gefühl für das Vorderrad. Auch wurde sie um 10 Kilo leichter als eine Thruxton. Wobei viel Gewicht bei den Rädern gespart wurde. Somit wirkt die Maschine gleich noch handlicher und agiler. Hinten setzt man auf einen 160er Hinterreifen. Der macht optisch zwar nicht so viel her wie eine fette 190er Musclebike Walze, bietet dann aber eben dieses verspielte Handling welches man an den niedrigeren Hubraumklassen so schätzt. Klar ist die 1200er Triumph kein wirklich leichtes Motorrad. Sie wiegt vollgetankt 215 Kilogramm. Das ist OK, man würde im Sattel aber mit weniger rechnen.

Speed Twin: Stabiles Motorrad welches sich handlich anfühlt?

Beim letzten Test mit der Scrambler 1200 kamen unter dem Video überraschende Fragen nach dem Topseed auf. Bei der Scrambler ist der Topspeed aus Stabilitätsgründen mit 177km/h begrenzt. Pflichtbewusst windete ich auf den Verbindungsgeraden auf Mallorca den Gasgriff aus. Die Tachonadel zirkelt pfeilschnell von 0 auf 100 und auch richtig schnell weiter in Richtung 180. Danach wird es etwas zäh aber auch überaus windig im Sattel. Der Topspeed liegt laut Triumph bei 217 km/h. In der Praxis werden es aber die Nackenmuskeln sein, welche hier den Speed begrenzen. Die wichtige Erkenntnis bei der eigentlich sinnlosen Vollgasbolzerei: Die Maschine ist auch bei hohem Speed sehr stabil. Das gesamte Chassis ist also eine Wissenschaft für sich. Denn einerseits wurde die Radlastverteilung nach vorne verändert und die Maschine wirkt wie eine Handlingrakete. Andererseits aber wurde der Radstand im Vergleich zur Thruxton länger. Am Ende erhält man ein Motorrad welches grundsätzlich sehr stabil am Asphalt liegt. Richtungswechsel macht sie nicht alleine, ein Druck am Lenker ist immer nötig. Auch hat sie immer eine leichte Tendenz von selbst zurück in eine stabile Ausgangslage zu schwenken. All das macht sie zugänglich und empfehlenswert für Street Twin 900 Aufsteiger.

Gasgriffhenkern sei jedoch klar gesagt: Wer den Speed sucht, wird mit einer Scrambler 1200 XC glücklicher werden. Denn diese bietet für geübte Piloten beim Fahrwerk mehr Reserven. Die Speed Twin hat hier zwar eine gute jedoch eher bodenständige Ausstattung. Beim Federbein kann man die Vorspannung auf den Beladungszustand anpassen, weitere Setupmöglicheiten sind jedoch nicht vorhanden. Bei der flotten Ausfahrt hier auf Mallorca war ich insgesamt jedoch zufrieden und empfinde das Setup als rundum passend und gelungen.

Triumph Speed Twin 1200 2019 - Der Motor

Je länger die Ausfahrt dauerte umso mehr verlagerte sich mein Interesse vom quirligen Chassis hin zum Motor. Die Spitzenleistung von 97 Nm war für mich ebenso unspektakulär wie der Maximalwert von 112 Nm beim Drehmoment. Die Tatsache dass einfach immer mindestens 100Nm anstehen beflügelt die Euphorie im Sattel. Möglicherweise waren es die teilweise wirklich rutschigen Asphaltbedingungen welche mich da etwas anspruchsvoll machten, doch beim Ansprechverhalten vom Motor war ich diesmal nicht 100% zufrieden. Im Sport Modus geht der Motor klarerweise direkter und schon bei geringer Bewegung mit dem Handgelenk zügig an die Arbeit. Doch beim Wechsel vom Schiebe- und den Lastbetrieb war mir das Ansprechverhalten einfach zu ruppig. Ein Wechsel in den Rain Modus schaffte da Abhilfe. Ich muss gestehen: Im Laufe des Tages war es der glattgebügelte und ultraweiche Rain-Mode welche mich zufriedenstellte. Denn der dritte Modus Road, war für mich zu nahe am Sport-Modus dran.

Ausstattung Triumph Speed Twin 1200 2019

Ansonsten ist das Motorrad bei der Technik klassenüblich ausgestattet. Es bietet eine Traktionskontrolle, ein ABS, die 3 erwähnten Fahrmodi und eine Anti-Hopping-Kupplung. Erwähnenswert sind jedoch bestimmt die LED Blinker und Scheinwerfer sowie die 16.000 km Serviceintervalle. Ein USB Stecker findet sich unter der Sitzbank. In der Praxis wird man sich für den eigenen Bedarf ein Verlängerungskabel an die gewünschte Stelle legen müssen. Denn unter der Sitzbank ist keinerlei Platz um dort ein Handy zu transportieren.

Anrauchen mit der Speed Twin

Bei der Heimfahrt vom letzten Fotostopp musste es dann schnell gehen. Die Sonne näherte sich dem Horizont und die Temperatur ging spürbar zurück. Bei der flotten Fahrt kamen die Reifen anständig auf Temperatur und die Maschine war dank der sportlichen Pirellis ein überaus präzises Gerät. Der Guide vor mir fuhr mit einer 800er Tiger und startete ein paar Versuche mich zu beeindrucken. Am Kurveneingang stellte er etwas quer und den Gasgriff melkte er kräftig. Doch ich blieb im Sattel cool und folgte schnell und sicher. Auf den Bergabpassagen mit engen Spitzkehren stabilisierte ich die Maschine mit der Hinterbremse und feuerte kräftig aus den Ecken. Die Bremsen begannen hinten dann etwas nervig zu quietschen, bei normaler Fahrweise war dies jedoch kein Thema. Die Maschine ermöglichte flotten Speed, wirkte dabei aber niemals wild oder aggressiv. Das war hier also ganz anders als bei den grossen Scrambler Modellen wo durch die langen Federwege einfach mehr Bewegung im Fahrwerk war.

Triumph Speed Twin 1200 im Vergleich

  • Triumph Scrambler 1200 - je grösser und schwerer der Pilot desto eher Scrambler 1200
  • Kawasaki Z 900 RS - Glaubensfrage. Details and Triumph schöner, Motor an Kawasaki nahezu unschlagbar. Japanischer 4-Zylinder in Reinkultur.
  • BMW RnineT pure - Gemütlichere Sitzposition auf BMW. Motor läuft auf BMW rauer, Triumph ist einfach zu fahren aber bietet gleichzeitig eine aktivere Sitzposition. Kurz: Die BMW passt für Boxerfans die Triumph für genau die Leute die den Boxer nicht mögen aber trotzdem keinen Japaner mögen.
  • Ducati Scrambler - Die 800er ist technisch und motorisch unterlegen die 1100er hat das hochwertigere Fahrwerk für Anraucher ist aber teurer
  • Honda CB 1100 - Die Triumph wirkt viel handlicher und agiler. Feste Brocken im Sattel fühlen sich möglicherweise auf der stämmigeren Honda wohler.
  • Triumph Thruxton - Glaubensfrage! Der Sitzkomfort ist auf der Speed Twin viel höher und damit langstreckentauglicher. Trotzdem: Die Thruxton ist Caferacer Kult und erregt noch mehr Aufmerksamkeit.

Brexit! Problem für Triumph?

Das Thema Brexit beschäftigt offenbar einige Triumph Fans. Denn bei den letzten Videos gab es dazu einige Kommentare. Doch bitte liebe Fans der britischen Marke: Es reicht wenn die verantwortlichen Logistiker und Manager bei Triumph ein paar Sorgenfalten und Stress bekommen. Denn auch wenn aus europäischer Sicht der Brexit eine grosse Sache ist, so ist es für ein global aufgestelltes Unternehmen eine Sache mit der man umgehen kann. Sobald klar ist wie der Brexit abläuft, wird Triumph die Vertriebslogistik darauf anpassen. Triumph produziert Motorräder auch ausserhalb des EU-Raumes und kauft Teile innerhalb und ausserhalb der EU. Daher werden einzelne Effekte des Brexits einen preistreibenden Effekt haben und andere Effekte des Brexits einen senkenden Effekt. Am Ende werden es aber die Mitbewerber sein, an denen sich die Preise der Modelle orientieren. Es gibt nun keinen Grund hastig einen Triumph zu kaufen aber es gibt auch keinen Grund erstmals keine Triumph zu kaufen. Keep cool!

Preis Triumph Speed Twin 2019 Deutschland, Österreich und Schweiz

Die aktuellen Preise zum Zeitpunkt des Tests:

  • Österreich: 14900 Euro (+300 Euro für Twincolour) inkl. Nova und Nebenkosten
  • Deutschland: 12150 Euro (+300 Euro für Twincolour) exkl. Nebenkosten von ca. 450 Euro
  • Schweiz: 13600 CHF (+360 CHF für Twincolour)

Die Triumph Speed Twin 2019 ist aber Ende Februar bei den Triumph Fachhändlern in Deutschland, Österreich und der Schweiz verfügbar. Aktuelle Preise zur Speed Twin findest Du im Marktplatz.

Der Triumph Speed Twin Test 2019 LIVE auf Facebook

Fazit: Triumph Speed Twin 1200 2019

Die Triumph Speed Twin 1200 wirkt auf den Fotos wie ein prächtiges aber auch mächtiges Motorrad. Doch schon beim Probesitzen wird sie schmal und zierlich. Bei der Probefahrt geht sie noch weiter. Sie ist ein zugängliches und einfach zu fahrendes Motorrad. Eigentlich ist sie klein, kompakt und quirlig. Eine gute Wahl wenn du 1200 ccm und 97 PS fahren möchtest und immer dachtest das sei eigentlich viel zu viel. Im Detail ist die Triumph liebevoll und schön verarbeitet. Ein herzerwärmendes Motorrad.


  • Wunderschön gestaltet - auch bei den nicht sofort sichtbaren Details
  • niedrige Sitzhöhe
  • zugängliches und einfaches Handling
  • 1200ccm und 97 PS - einfach zu fahren aber trotzdem emotional serviert
  • Spitzer Kniewinkel für grosse Personen
  • leicht ruppiges Ansprechverhalten im Sport-Modus
  • quietschende Hinterbremse beim Test

Bericht vom 16.01.2019 | 98'830 Aufrufe

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