Honda CB650R vs. Aprilia Shiver 900 Vergleich 2019
Wie viele Zylinder gewinnen die Mittelklasse?
Die Naked Bike Mittelklasse ist wahnsinnig breit aufgefächert und bietet allen Piloten genau das richtige Bike. Zwei Kandidaten der Kategorie sind die Aprilia Shiver 900 und die Honda CB650R, die beide mit 95 PS in den Ring steigen. Doch welches Motorenkonzept überzeugt und geht siegreich hervor? Schaaf und Horvath haben die beiden Nakeds in der wunderschönen Steiermark gegeneinander antreten lassen! Italo V2 oder Nippon Vierzylinder?
900 Kubik gegen 650 Kubik - ein fairer Vergleich?
Auf den ersten Blick könnte unser Vergleich als Themenverfehlung gewertet werden. Die Aprilia Shiver 900 hat mehr Hubraum und Gewicht, auch ihr Preis liegt über dem der Honda CB650R. Doch eine Gemeinsamkeit macht sie für uns interessant: die Leistung. Beide Naked Bikes stemmen 95 PS auf die Strasse und sind somit auch A2 konform. Deshalb stellen wir uns die Frage, wie viele Zylinder es wirklich braucht und welches Motorrad die bessere Wahl in der 'unter 100 PS Liga' darstellt.
Aprilia gegen Honda - oder - V2 gegen R4
Motorisch setzen Italien und Japan auf zwei verschiedene Pferde. Fast schon Aprilia-typisch steckt in der Shiver 900 ein V2, der seine Leistung bei 8.750 U/min produziert, während das Drehmoment von satten 90 Nm bereits bei 6.500 U/min anliegt. Die japanischen Ingenieure von Honda setzen hingegen auf den altbewährten Reihenvierzylinder, der seine 95 Pferde bei kreischenden 12.000 Umdrehungen produziert und 'nur' ein Drehmoment von 64 Nm bei 8.500 Umdrehungen an den Tag legt. Drehorgel gegen aggressiven Bullen - welches Motorenkonzept überzeugt? Leider schenken sich die Nakeds in dieser Kategorie nichts. Während die Aprilia Shiver 900 aus der Spitzkehre deutlich forscher voran geht, hört ihre Drehzahlorgie dort auf, wo die CB650R erst so richtig loslegt. Letztendlich wird hier jeder Fahrer seine Präferenz haben. Will man kleine Berge mit mächtigem V2 Grollen versetzen? Dann ist die Aprilia das Richtige. Sucht man Racing-Feeling für die Landstrasse und scheut nicht vor hoher Drehzahl zurück? Dann sollte das Ersparte zu Honda überwiesen werden.
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Im Fahrwerk wird der Preisunterschied spürbar
Setzt man die Vernunftsbrille auf und beachtet rein die Anschaffungskosten der beiden Naked Bikes, müsste die Honda CB650R gewinnen - mit einem Vorsprung von circa 2.000 Euro! Doch wer braucht schon Vernunft? Insbesondere, wenn man für den Aufpreis hochwertige Komponenten erhält! Die 41mm Kayaba Gabel in der Aprilia Shiver 900, sowie das hübsche Sachs Federbein verrichten grossartige Arbeit und halten das V2 Naked selbst bei forschem Tempo äusserst stabil in der Spur. Kurz: sie sind den Aufpreis allemal wert. In der Honda findet man eine ebenso 41mm breite Upside Downgabel von Showa, sowie ein in der Federvorspannung verstellbares Federbein, die jedoch beide ein komfortableres Setting erhalten haben. Die Konsequenz daraus wird bei flotter Gangart spürbar, sobald die CB650R etwas unruhig wird deutlich nervöser auf der Strasse liegt, als ihre italienische Konkurrentin.
Selbstverständlich muss ein nervöses Fahrwerk nicht unbedingt schlecht sein, denn dadurch erhält die Honda einen sehr frechen Charakter, durch den man sich schneller fühlt, als man eigentlich ist. Wer jedoch die präzise Linie in der Kurve sucht, wird bei der Aprilia Shiver 900 besser aufgehoben sein.
Austattung: Honda CB650R vs. Aprilia Shiver 900
Auch in der Ausstattung kann sich die Aprilia dank ihres höheren Preises mehr leisten. So finden wir auf ihr ein überarbeitetes TFT-Display, Ride-by-Wire, drei Fahrmodi, drei Einstellungen der Traktionskontrolle, sowie ein vollständig abschaltbares ABS. Auf der Honda CB650R wartet eine Ausstattung, die sich auf das Wesentliche konzentriert - fast puristisch möchte man meinen! Zu ihrem Nachteil? Auf keinen Fall! Das LC-Display wurde schön gelöst und macht einen mächtigen Sprung im Vergleich zur Vorgängerin mit Namensendung F. Ansonsten muss man sich "nur" mit einer einstufigen Traktionskontrolle (abschaltbar) und ein ABS zufrieden stellen, da die Honda noch ohne Ride-by-Wire auskommen muss, weshalb Spielereien wie Fahrmodi schwerer umzusetzen sind. Dank dem seidigen Vierzylinder haben wir Leistungsmodi aber nicht vermisst, einzig der Eingriff der Traktionskontrolle fällt deutlich ruppiger aus, als auf der Shiver 900.
SCHAAFs Fazit zum Vergleich
Neben der gleichen Spitzenleistung lassen sich noch ein paar weitere Gemeinsamkeiten der beiden Nakeds finden. Sowohl Shiver als auch CB650R funktionieren gut für kleinere und grössere Piloten. Auch das erforderliche Fahrkönnen ist sehr ähnlich, das Handling funktioniert gleichermassen mühelos. Ebenso lassen beide die gemütliche als auch die flotte Gangart zu. Erst bei ausgesprochen rasanter Fahrweise ist Schluss mit den Gemeinsamkeiten. Denn dann lässt sich erspüren, dass die Shiver rund 2000€ mehr kostet und dementsprechend auch ein wesentlich hochwertigeres Fahrwerk besitzt. Das Ansprechverhalten ist deutlich sensibler, die Aprilia liegt bei Fahrmanövern, wo es im Sattel der Honda ein wenig zu schaukeln beginnt, immer noch satt auf der Strasse. Naturgemäss handelt auch die Traktionskontrolle im Italo-Bike mit viel mehr Feingefühl, der elektronische Gasgriff macht's möglich. Doch sobald der Geschwindigkeitsrausch endet, könnte man sich durchaus fragen, ob der saftige Aufpreis immer noch gerechtfertigt ist. Denn nun fühlen sich beide Motorräder wieder gleichwertig an.
Selbst in Sachen Sound kann nur der persönliche Geschmack entscheiden, denn auch die Honda hat akustisch einiges zu bieten. Und spätestens nach dem Absteigen wird einem abschliessend bewusst, dass das Design der CB650R sogar stimmiger ist, als jenes der Shiver. Optisch ist der Preisunterschied also definitiv nicht erkennbar. In meinen Augen ist die Japanerin die vernünftigere Entscheidung. Hätte ich die Wahl zwischen den beiden würde ich mich dann trotzdem für die Shiver entscheiden. Denn Motorrad fahren hat für mich nämlich kaum etwas mit Vernunft zu tun.
Aprilia Shiver 900 2019 Preise
Honda CB650R Preise
Fazit: Aprilia Shiver 900 2019
In der Bedienung des Displays und der Fahrmodi hat die Aprilia Shiver 900 eindeutig ihre Eigenheiten - doch hier lassen wir den italienischen-Diva-Bonus durchgehen. Denn während der Fahrt ist das Mittelklasse Naked Bike ein wahres Gedicht und lässt "watscheneinfach" von Kurve zu Kurve schlängeln. Dank hochwertigen Fahrwerkskomponenten lässt sie sich wie auf Schienen dirigieren, während der 95 PS starke V2 Benzin in auditive Glücksgefühle verwandelt! Auch die Sitzposition verleiht ein gutes Gefühl und gibt den Eindruck, als könnte man die Shiver 900 durch jeglichen Radius stemmen. Wenn man also über die vielleicht etwas angestaubte Optik hinwegkommt, findet man in der Aprilia ein famoses Mittelklasse Naked Bike, das jede Landstrassen-Hetz in wahres Seelengold verwandelt!- kraftvolles V2 Aggregat
- herrlicher Sound
- A2 tauglich
- umfangreiches Elektronikpaket
- stabiles Fahrwerk in Kombination mit sportlichem Chassis
- sehr einfach zu fahren
- bequeme aber sportliche Sitzposition
- Fahrmodi Auswahl unnötig kompliziert
- Scheinwerferoptik etwas angegraut
Fazit: Honda CB650R 2019
Mit der CB650R hat Honda einen sehr klassischen Ansatz des Mittelklasse Naked Bikes gewählt: drehfreudiger Motor, wenig Elektronik, aber viel Fahrspass. Selbstverständlich muss man das Schreien des Reihenvierzylinders mögen, dank der verbesserten Abstimmung sorgt er jetzt aber schon im mittleren Drehzahlbereich für genügend Vortrieb. Die CB650R empfiehlt sich allen, die ein sehr lebendiges Motorrad suchen, das bei höherem Tempo eine erfahrene Hand benötigt, um perfekt durch den Radius gezirkelt zu werden. Ihr komfortables Fahrwerk gibt ihr bei schneller Gangart einen nervösen Eindruck - doch dadurch entsteht der wilde Charakter der neuen CB650R- drehfreudiger Vierzylinder
- Motorabstimmung gut gewählt
- toller Sound
- fahraktives Motorrad
- hübsches Display
- Vorderradorientierte Sitzposition
- breiter Lenker
- Fahrwerk vielleicht zu komfortabel
- weniger Elektronik als die Konkurrenz
Bericht vom 26.04.2019 | 32'927 Aufrufe