BMW F 900 R Test

Endlich wieder Mittelklasse!

Einige Jahre lang gab es von BMW kaum etwas zu hören im Bereich der nackten und heiss umkämpften Mittelklasse. Dies soll sich mit Einführung der neuen BMW F 900 R nun aber ändern, und zwar gehörig. Das bayrische Nakedbike soll das Vorgängermodell und selbst die Konkurrenz in Sachen Performance alt aussehen lassen. Kamerakind Schaaf hat während der Fahrpräsentation für euch herausgefunden, wozu der Roadster wirklich fähig ist.

Um die 100 PS, rund 200 kg schwer und schön knackig abgestimmt. Viel mehr braucht es in Wahrheit nicht für das allergrösste Vergnügen auf kurvigen Landstrassen. Für viele von uns stellt es sogar den Idealfall fürs unbeschwerte Kurvenräubern dar. Ich jedenfalls teile diese Ansicht. Natürlich ist gewaltig viel Leistung etwas Wunderbares. Weniger wunderbar jedoch sind die Geschwindigkeitsbereiche, in welche man sich mit einem kurzen Dreh am Gasgriff eines solchen PS-Monsters hineinkatapultieren kann. Und zwar im Nullkommanichts. Auf diesen Raketen geht es für mich oft nicht mehr um das reine Fahrvergnügen. Viel mehr ist es ein Kampf zwischen dem Need for Speed und meiner sicherlich ausbaufähigen Vernunft. Genau aus diesem Grund sind die weniger starken Zweiräder in der Lage, in mir für weitaus grössere und unbeschwertere Endorphinausschüttung zu sorgen. Und auf dem Papier sieht die BMW F 900 R eigentlich mehr oder weniger exakt nach einem solchen Freuden- und Adrenalinspender aus!

Mehr Motorleistung für die F 900 R

Meine Vorfreude wurde zunächst aber noch ein wenig geschmälert, als ich mich beim Anflug auf das sonnige Almeria durch das Werbeprospekt blätterte. Dort erfuhr ich nämlich, dass die R ihr Aggregat aus der 850er GS erhalten hat, von welchem ich sicherlich kein grosser Befürworter bin. Für meinen Geschmack geht dem chinesischen Motor nämlich viel zu früh die Luft aus. Allerdings wurde der neue 900er Motor, wie die Zahl schon vermuten lässt, ordentlich aufgebohrt. Und zwar von 853 auf 895 Kubik. Die ersten Autobahn-Kilometer brachten dann die endgültige Entwarnung, der 900er Murl marschiert nun wesentlich engagierter nach vorn, auch jenseits des mittleren Drehzahlbereichs. Maximal werden 105 PS bei 8.500 und 92 Nm bei 6.500 Umdrehungen geleistet. Immerhin 15 PS mehr als bei der Vorgängerin, der F 800 R.

Die F 900 R mit ausbaufähigem Sound

Je nach gewähltem Fahrmodus (ab Werk und ohne Aufzahlung gibt es nur Road und Rain) wird das Gas entweder herrlich geschmeidig oder würzig-scharf (im aufpreispflichtigen Dynamic Modus) angenommen. Der Motor hat in allen Drehzahlbereichen beste Manieren, er beherrscht langsame Ortsgebiete und rasantes Winkelwerk zugleich. Es handelt sich um ein Triebwerk, das perfekt gehorcht und vollkommen berechenbar funktioniert. Mehr oder weniger steril. Für meinen Geschmack zu klinisch, ich bin einfach kein Freund der vollkommenen Linearität, wenn es um Kraftentfaltung geht. Der relativ unspektakuläre Sound hilft dann auch nicht unbedingt weiter, wenn es darum geht, mir in's Herz zu fahren. Aber dies betrifft nur meinen persönlichen Geschmack. Objektiv betrachtet kann man dem Motor genau gar nichts vorwerfen. Er funktioniert perfekt. Auch der aufpreispflichtige Schaltassistent Pro, also für rauf und runter, arbeitet ohne Fehler. Er braucht zwar ein wenig Druck am Fuss, schaltet dafür aber makellos durch.

Das Handling der F 900 R

Und auch ich vergesse schliesslich die Nähmaschinen-artige Geräuschkulisse, sobald die F 900 R auf kurvige Landstrassen trifft. Denn dort, auf den ungeraden Wegen nämlich, öffnet sich schliesslich auch mein Herz. Und das schafft die Nackerte in erster Linie dank ihres Fahrwerks. Natürlich war auf der Testmaschine die Bestausstattung verbaut, ein Dämpfer mit 142mm Federweg, der dank Dynamic-ESA zum semi-aktivem Federbein wird. Vorne lässt sich in keiner Ausstattungsvariante etwas verstellen, was aber definitiv nicht notwendig ist, der 135mm lange Federweg der 43mm Up- Side-Down Gabel erledigt seinen Job wirklich hervorragend. Die beiden Räder, bereift mit Bridgestone S21 Gummis, bleiben ständig im Kontakt mit der Strasse. Das Motorrad ist ausgesprochen stabil, lässt sich auch durch wilde Herumturnerei im Sattel und schnelle Richtungswechsel nicht aus der Ruhe bringen. Ausreichend komfortabel und trotzdem keine Schauklerei. Absolut grossartig. Die F 900 R ist sicherlich nicht das agilste Mittelklasse-Nakedbike. Aber dennoch ausgesprochen einfach in der Bedienung und enorm kompetent in sportlichen Belangen.

Bremstest mit der F 900 R

Die Bremsen passen auch ins Gesamtkonzept, zwei 320mm Scheiben vorne mit radial montieren Brembo-Vierkolbensätteln stoppen fahrfertige 212kg vehement, aber nur, wenn der Fahrer danach verlangt. Die feine Dosierung über den verstellbaren Hebel nämlich gelingt mühelos. Die 265mm grosse Scheibe hinten hat auf meinem Testbike eine Statistenrolle übernommen, gespürt hab ich mit ihr in erster Linie ABS-Rütteln, aber bis dahin nicht sonderlich viel Bremskraft. Nicht weiter tragisch. Übrigens, wer mehr Geld als den Basispreis in die Hand nimmt, der bekommt auch noch ABS Pro obendrauf, ein Antiblockiersystem also, welches schräglagenabhängig arbeitet. Apropos Schräglage: Greift man während einer solchen in die Vorderradbremse, dann neigt die R dazu, sich aufrichten zu wollen. Die 800er hat es ihr sozusagen vorgelebt und vollständig ablegen kann auch das aktuelle Modell diese Neigung nicht. Allerdings stört diese im normalen und flotten Fahrbetrieb aber nicht weiter.

Aufpreispflichtige Extras in und an der F 900 R

Mit entsprechendem Geldeinsatz kann die BMW elektronisch gewaltig aufgerüstet werden. Auf eine Art und Weise, die man so in der Mittelklasse eigentlich anderswo nicht finden kann. Dazu gehören Features wie ein adaptives Kurvenlicht. Ein besonders helles Tagfahrlicht. Der Schlüssel muss nicht mehr in der Zündung versenkt werden. Eine Motorschleppmoment-Regelung, die zusätzlich zur serienmässigen Anti-Hopping-Kupplung ein ungewolltes Stempeln des Hinterrads verhindern kann. Ein Bremsassistent, der verhindert, dass ab einer gewissen Bremskraft automatisch kein Gas mehr angenommen wird. Für den Fall, dass man während einer Notbremsung unabsichtlich am Hahn drehen sollte. Ein Dynamic Pro Fahrmodus, in welchem man Parameter wie Gasannahme, ABS, Rad-Abhebe-Erkennung frei konfigurieren kann. Lauter elektronische Wundermittel sozusagen. Das grösste Wunder jedoch stellt das Connectivity-System dar. Dieses nämlich gehört zur Standard-Konfiguration der F 900 R und kostet tatsächlich keinen Aufpreis.

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Verbrauch BMW F 900 R

Wäre der aus Kunststoff gefertigte Tank mit 13 Litern Fassungsvermögen nicht so klein, könnten auch Freunde der Langstrecke auf ihre Kosten kommen. Die Sitzposition nämlich ist zwar wunderbar sportlich, mit ordentlicher Vorderrad-Orientierung und standesgemässem Kniewinkel, aber in keiner Weise unentspannt. Wer also kein Problem damit hat, bei Verbrauchswerten zwischen hohen 4 und niedrigen 6 Litern pro 100 alle 200 Kilometer tanken zu gehen, der kann sich aus dem Zubehör Seitenkoffer und Windschild besorgen und unbesorgt auf die grosse Reise gehen. Am besten mit zusätzlichem Tempomat und Heizgriffen, welche ebenso optional erhältlich sind. Die eigene Körpergrösse wird einem dabei jedenfalls auch nicht im Weg stehen, die Standardsitzhöhe von 815 kann nämlich zwischen 770 und 865mm variiert werden. So geht Zugänglichkeit!

Die F 900 R für Einsteiger und Fortgeschrittene

Zusammenfassend lässt sich nun also sagen, dass der bayrische Angriff auf die Mittelklasse ein wahrlich ernstzunehmender ist. Der Preis (ab 8.800€ in Deutschland, 9.990€ in Österreich) ist absolut konkurrenzfähig, so lange man nicht übertrieben viele Häkchen auf der Liste der aufpreispflichtigen Extras setzt. Die F 900 R soll in erster Linie ja ein unbeschwerter Freudenspender sein, sobald es kurvig wird. Dies ist ihr wichtigster Auftrag. Und zur blossen Erfüllung dessen, braucht sie glücklicherweise gar keines dieser Häkchen. Kurvig kann sie richtig gut. Und noch viel mehr. Schon ab echtem Mittelklasse-Preis.

Fazit: BMW F 900 R 2020

Die BMW F 900 R bietet einfach zu bedienenden Kurvenspass, enorm hohe Stabilität, eine aktive Sitzposition und einen reibungslosen Motor. Wer es gerne schnell und kurvig hat, der wird mit ihr glücklich.


  • einfaches Handling, hohe Stabilität
  • Fahrwerk mit feinem Ansprechverhalten
  • braver Motor
  • Bremsen ohne Tadel
  • Aktive und trotzdem ertragbare Sitzposition
  • Unendlich lange Zubehörliste
  • kleiner Tank (13l)
  • Braver Motor

Bericht vom 26.01.2020 | 102'102 Aufrufe

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