Triumph Speed Twin 2021 - Erster Test der erneuerten Schönheit

Nur ein Euro 5 Update?

Triumph lud zur Präsentation der neuen Speed Twin ins kurvenreiche Umland Lissabons. Das perfekte Territorium um die Versprechungen hinsichtlich besserer Fahrdynamik zu überprüfen.

Die Triumph Modern Classics sind seit Jahren ein durchschlagender Erfolg für den britischen Traditionshersteller. Der Bogen spannt sich von den 900er Modellen Street Twin und Street Scrambler bis hin zur (super-)sportlichen Thruxton RS. Mit letzterer teilt sich die Speed Twin auch das druckvolle 1200er Zweizylinderaggregat. Im Gegensatz zur feinen Fahrwerks-Ware, die in der Truxton RS verbaut ist, konnte die erste Speed Twin aber nur mit durchschnittlichen Komponenten aufwarten. Genau an dieser Stelle setzten die Ingenieure an und überarbeiteten die Speed Twin.

Wunderschöne Szenerie, die ideal auf die Speed Twin abgestimmt scheint

Ganz zufällig kam man bei Triumph wohl nicht auf die Idee, die Präsentation der neuen Speed Twin rund um Lissabon stattfinden zu lassen. Die Mischung aus Historischem wie den Unesco Weltkulturerbe Stätten Sintra und Mafra auf der einen Seite und flotten Kurven in bewaldetem Hinterland auf der anderen, scheint perfekt in das Bewegungsprofil eines Speed Twin Käufers zu passen. Optisch hat man an der klassischen Schönheit nur zarte Retuschen vorgenommen - warum auch etwas reparieren, dass nicht kaputt ist, dachte man sich wohl.

Kleine Änderungen gab es dann aber doch: Eine neue Auspuffanlage ziert die Speed Twin nun, glücklicherweise gelang es den Designern in Hinckley die Katalysatorbox, die aufgrund der Abgasnorm Euro 5 erforderlich war, elegant zu verbergen. Die Linienführung der gebürsteten und nach oben gezogenen Edelstahl-Doppelschalldämpfer-Anlage ist sehr gelungen und fügt sich passgenau in die Seitenansicht der Speed Twin ein. Eine Erwähnung sind auch die neu designten Aluguss-Felgen, mit ihren 12 Segmenten kommt sie klassischen Speichenfelgen schon ziemlich nahe und bietet dennoch alle produktionstechnischen und fahrdynamischen Vorteile des modernen Druckguss-Verfahrens.

Motor und Elektronik - es wurde an den richtigen Schrauben gedreht

Man darf sich von der klassischen Optik der Speed Twin nicht täuschen lassen. Die altehrwürdige Dame hat es faustdick hinter den Ohren. Zwischen 3.000 und 7.000 Umdrehungen pro Minute liegen stets mindestens 100 Newtonmeter Drehmoment an, zwischen 4.000 und 6.000 U/Min sind es derer rund 110, die maximalen 112 Nm liefert der 1200 Kubik Twin bei 4.250 Touren. Mehr als genug Schmalz also, um es mit den allermeisten Naked Bikes auf den Landstrassen dieser Welt aufzunehmen. Der Sound ist dabei ein guter Indikator, ob man im richtigen Drehzahlbereich unterwegs ist; Faustregel: Wenn er leiwand klingt, schiebt er auch leiwand an. Die Speed Twin ist ein wahrer Wolf im Schafspelz, der jetzt 100 PS Maximalleistung erreicht. Der grosse Zweizylinder dreht schnell und sauber hoch, sodass ab und an der Wunsch nach einem Quickshifter aufkommt, den Triumph der Modern Classics Modellreihe leider bis dato vorenthält.

Auch eine 6-Achsen-IMU sucht man in der Speed Twin vergeblich, somit arbeiten ABS und Traktionskontrolle nicht schräglagenabhängig. Davon abgesehen agieren die Helferlein erfreulich unauffällig. Die Traktionskontrolle greift, wie man es von Triumph gewohnt ist, auf den jeweilig aktivierten Fahrmodus abgestimmt ein und lässt sich darüber hinaus unabhängig vom gewählten Fahrmodus deaktivieren. Nils kritisierte bei seinem Test des 2019er Modells das Ansprechverhalten als unpassend scharf und kam lediglich mit dem Rain-Modus gut zurecht. Triumph hat sich diese Kritik, die auch von vielen Speed Twin-Besitzern geteilt wurde, zu Herzen genommen. Beim neuen Modell sind kaum mehr Lastwechselreaktionen auszumachen und die Twin geht auch im Road-Modus sanft ans Gas. Wenn einen der Hafer sticht ist man naheliegender Weise mit dem Sportmodus am besten bedient.

Zugeständnisse an die modernen Zeiten macht Triumph bei der Beleuchtung: Blinker und Rücklicht arbeiten genauso mit LED-Technik, wie das Tagfahrlicht im Frontscheinwerfer. Dieser ist als Fels in der Brandung noch in Halogentechnik ausgeführt. Praktisch ist der USB-Anschluss unter der Sitzbank, mit dem sich das Smartphone oder andere stromdurstige Geräte während der Fahrt laden lassen.

Im Sattel der neuen Triumph Speed Twin: Fahreindrücke

Aufgrund der unsäglichen Delta-Variante des Corona-Virus und der damit in Zusammenhang stehenden Reisebeschränkungen für deutsche Staatsbürger, war unsere Testfahrt eine austro-italo-britische Exklusivveranstaltung. Nur drei weitere Kollegen waren mit den Guides und mir unterwegs. Schade für die anderen, gut um möglichst authentische Fahreindrücke und noch mehr Kilometer im Sattel zu sammeln. An den Foto und Videopunkten waren wir sehr schnell durch und so konnte ich mich zu 100% aufs Wesentliche konzentrieren: Wie fährt die neue 2021er Speed Twin?

Das Vorgängermodell hatte bei flotterem Tempo das Problem, dass das Fahrwerk die Kraft des potenten Twins nicht zu 100% auf die Strasse übertragen werden konnte. Auch die Bremsen der alten Speed Twin schoben einer allzu scharfen Gangart relativ rasch einen Riegel vor. An diesen beiden Fronten wurde also gearbeitet. und das Ergebnis kann sich sehen lassen. Endlich steckt das sahnige Doppelkammerherz der Speed Twin in einem würdigen Körper. Die neue Upside-Down-Gabel von Marzocchi mit 43 mm Durchmesser und Cartridge-Dämpfung ist deutlich straffer, als die zuvor verbaute klassische Teleskopgabel mit den nostalgischen Faltenbälgen. Dadurch werden zwar Fahrbahnunebenheiten direkter an den Piloten weitergegeben, die Transparenz für das Vorderrad und das Feedback vom Reifen erreichen den Fahrer dafür absolut unmittelbar. Auch die Stabilität in längeren Radien ist nun deutlich höher und die Spur wird unbeirrbar gehalten -sportliches Fahrwerk: Check.

Ein neues Kapitel wird auch beim Thema Verzögerung aufgeschlagen: Die Bremsen der neuen Speed-Twin-Generation wurden mit edler Brembo-Ware (4-Kolben M50 Radial-Monobloc-Bremssätteln vorne und doppelten 320mm Brembo Scheiben) versehen. Die Bremsleistung ist hervorragend, der Druckpunkt passt und selbst den Vergleich mit der superscharfen Thruxton RS braucht die Speed Twin nunmehr nicht zu scheuen. Dass hinten ein schwimmend gelagerter Nissin Zweikolben-Bremssattel mit 220-mm-Scheibe werkt, verkommt in Anbetracht des fulminanten Auftritts der Vorderbremse beinahe zur Nebensache. Somit können wir hier das dritte Häkchen (nach Motor und Fahrwerk) im Lastenheft für schnelles Fahren setzen.

Die Information, dass sich die neue Speed Twin ihren Erstausrüstungsreifen mit der radikalen Speed Triple 1200 RS teilt, stimmte mich etwas skeptisch. Natürlich bietet der Metzeler Racetec-RR bei Bedingungen, wie wir sie im kurvenreichen Norden Lissabons vorfanden (27 Grad Lufttemperatur, trocken, Sonnenschein) phänomenalen Grip und auch von der kurzen Aufwärmzeit war ich positiv überrascht. Unter diesen Verhältnissen zaubert einem der Hypersportreifen also ein Grinsen ins Gesicht. Wie die Sache bei 5 Grad und Nieselregen im November ausschaut, wird sich weisen. Optisch täte man der schönen Twin natürlich nichts Gutes, aber aus meiner Sicht wäre ein Sport-Touring-Pneu ala Conti RoadAttack 3, Bridgestone T32, oder auch Roadtec 01 SE um bei Metzeler zu bleiben, goldrichtig für den Einsatz auf der Speed Twin.

Ergonomie der Triumph Speed Twin - Size matters

Es kommt eben doch auf die Grösse an! Selten hat dieser Spruch so ins Schwarze getroffen, wie im Sattel der Triumph Speed Twin. Mit 1,87 Metern ist man einfach eine Spur zu gross für dieses herrliche Moped. Der Lenker ist eine Spur zu niedrig und etwas zu nahe am Körper, der Kniewinkel aufgrund der relativ hoch montierten Rasten auf Dauer doch zu spitz, es ist ein Jammer! Kollegen unter 1,85 oder noch besser 1,80 Meter hatten damit natürlich überhaupt keine Probleme. Die Sitzhöhe von 809 mm ist an sich gar kein Problem, nur ist der wunderschöne Tank zur Sitzbank hin so schmal, dass der Knieschluss bei meiner Grösse nicht 100 % passt.

All das sind natürlich gute Nachrichten für kleinere Piloten und Pilotinnen. Die Schrittbogenlänge muss nicht besonders lang sein, um auf der Speed Twin einen sicheren Stand zu haben. Rangieren fällt also leicht, das ist gut so, denn aufgrund des relativ geringen Lenkeinschlages, bleibt einem häufiges Vor und Zurück, etwa beim Einparken, nicht erspart. Nur beim langsamen Fahren im Sommer wünschen sich kleinere Personen wieder längere Beine: Die Abwärme, die der massive Zweizylinder ausstrahlt, ist nichts für Zartbesaitete.

Optik und Haptik auf höchstem Niveau - die Verarbeitung der Speed Twin lässt keine Wünsche offen

Lässt man den Blick über die Armaturen schweifen, so erfreuen klassische Rundinstrumente das Auge des Piloten. Die Verarbeitung und Materialanmutung ist auf hohem Niveau und die lackierten Teile strahlen mit der portugiesischen Sonne um die Wette. Feine Frästeile da, kleine Triumph-Logos dort, etwas Chrom an passender Stelle: Eines steht fest, bei der Triumph Speed Twin fährt das Auge mit! Knöpfe und Schalter fühlen sich gut an und lassen sich problemlos und intuitiv bedienen. Die Menüführung gibt keine Rätsel auf, schliesslich gibt es auch nicht so viel einzustellen. Apropos Einstellen: Sowohl Kupplungs-, als auch Bremshebel sind serienmässig verstellbar.

Farbvarianten und Zubehör für die Triumph Speed Twin 2021

Wir fassten die Speed Twin im charakteristischen Red Hopper aus, die aus meiner Sicht am besten gelungene Farbvariante. Der mattschwarze Motorblock und die neuerdings schwarz eloxierten Scheinwerfer- und Kotflügelhalterungen kommen hier besonders gut zur Geltung. Die rote Grundlackierung mit silberfarbenen und schwarzen Akzenten zitiert die klassischen Formen der Speed Twin in überzeugender Manier. Daneben kommt die Speed Twin in zwei weiteren Farbvarianten: Matt Storm Grey mit dezenten gelben Akzenten oder das zeitlose Jet Black. Mit über 50 Teilen aus dem Triumph Original-Zubehör, wie zum Beispiel geänderter Blinker mit integriertem Rücklicht oder Heizgriffen, kann jeder Pilot seine Speed Twin noch weiter individualisieren.

Dezente Navigationslösung dank einer Kooperation von Triumph und Beeline

Ebenfalls einen Premieren-Auftritt bei unserer Testfahrt hatte die neue Navigationslösung, die Triumph in Zusammenarbeit mit der Firma Beeline entwickelte. Das kleine leichte und optisch dezente Gerät ermöglicht im Zusammenspiel mit einer App simple Pfeilnavigation. Bei unserer vormittäglichen Etappe konnten wir uns von der Funktion überzeugen. Fazit: Es tut was es soll, die Ablesbarkeit geht in Ordnung, für Personen mit Sehschwäche ist die Darstellung aber etwas klein geraten. Die Montage am Lenker der Speed Twin erfolgt mittels elastischer Bänder in Windeseile. Leider ist das kleine Navi bei normaler Sitzhaltung unterhalb des Sichtfeldes. Weitere Informationen zu Preis und Funktion entnehmt ihr Horvaths Bericht über Beeline.

Die Speed Twin in schnöden Zahlen: Gewicht, Test-Verbrauch, Reichweite, Standgeräusch

Mit 216 kg fahrfertig ist die neue Speed Twin ein halbes Kilogramm schwerer geworden, als das bisherige Modell. Der Verbrauch wird von Triumph mit 5,1 Liter auf 100 Kilometer angegeben, was sich bei unserer Testfahrt (hauptsächlich Landstrasse, aber auch relativ viele Ortschaften) haargenau bestätigten. Dieser Verbrauch entspricht einem CO² Ausstoss von 116 g / km. In Kombination mit dem schlanken 14,5 Liter Tank ergibt sich eine Reichweite von über 280 Kilometern. Das Standgeräusch der Speed Twin ist mit 93 dB erfreulich niedrig.

Good News für Käufer in Österreich und Deutschland: Doppelte Garantiezeit

Triumph bietet bei der Speed Twin, wie bei allen anderen Neumotorrädern, die in Deutschland oder Österreich registriert werden eine volle Herstellergarantie von vier Jahren ohne Kilometerbegrenzung. In den Garantiejahren drei und vier entfällt nun die Selbstbeteiligung und die Garantie erstreckt sich zudem nun auch auf Triumph-Zubehör, das mit dem Bike gekauft wurde. Die Garantiebedingungen laufen ab der Registrierung des neuen Motorrads und werden durch die Übergabe einer Garantieurkunde bestätigt. Auch beim Thema Wiederverkauf ist die Garantie ein echtes Argument, da der Garantieanspruch beim Verkauf des Motorrads einfach auf den neuen Besitzer übertragen wird.

Verfügbarkeit und Preis - was ihr für die Speed Twin wann ablegen müsst

Preislich ordnet sich die neue Speed Twin 300 Euro über dem 2020er Modell ein, was in Anbetracht der gebotenen Mehr-Performance vollkommen in Ordnung geht. In Deutschland liegt sie somit bei 12.550 Euro zuzüglich Nebenkosten, in Österreich müssen NoVA sei Dank, 14.700 Euro den Besitzer wechseln. Alle Angebote und tatsächlichen Preise zur Triumph Speed Twin findet ihr natürlich am 1000PS Marktplatz. Die Speed Twin wird ab August 2021 beim Triumph-Händler eures Vertrauens erhältlich sein.

Fazit: Triumph Speed Twin 1200 2021

Das Bessere ist des Guten Feind, dieser Spruch bewahrheitet sich im Fall der neuen Triumph Speed Twin wieder einmal eindrucksvoll. Die Briten haben an den Schwachstellen der Vorgängerin gearbeitet und die klassische Schönheit damit zu einer echten Fahrmaschine gemacht, die sich auch vor modernen Nakedbikes nicht verstecken muss. Leider können grosse Piloten, die kleine 1200er nicht ganz so problemlos geniessen, wie Fahrer unter 1,85 Meter. Sei es drum, die Speed Twin ist für mich das perfekte Modern Classic Motorrad - sie vereint klassisches Aussehen mit modernem Fahrverhalten, wie derzeit kein anderes Motorrad am Markt.


  • grandioser Motor
  • wertige Verarbeitung und Materialanmutung
  • Drehmoment in jeder Lebenslage
  • spielerisches Handling
  • gutes Fahrwerk
  • performante Bremsen
  • starke Hitzeentwicklung unter dem Fahrer
  • für grosse Piloten etwas zu zierlich
  • grosser Wendekreis

Bericht vom 03.07.2021 | 64'376 Aufrufe

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