Einfach im Umgang? - Suzuki GSX-S1000 2022 im Alltagstest
Zugänglich genug für Anfänger und unerfahrene Piloten?
Suzukis GSX-S1000 ist ein mächtiges Naked-Bike mit mehr als genug Power und sportlicher Performance. Aber wie schlägt sie sich im Alltag? Wie schwer ist es die über 150 Pferde zu bändigen? Wir haben das an der kroatischen Küste überprüft.
Sich bei der Suzuki GSX-S1000 und ihrem legendären K5-Motor zu fragen, ob sie denn sportlich fahren kann, ist wie die Heiligkeit des Papstes, oder die Nützlichkeit von WD-40 anzuzweifeln. Dass sie fahrdynamisch überzeugen kann, hat sie schon beim ersten Test der Suzuki GSX-S1000 2021 gezeigt. Selbst gegen die 1000er-Naked-Bike Konkurrenz ist sie beim Vergleichs-Test von Suzuki GSX-S1000 und Honda CB1000R schon angetreten. Aber wie sieht es abseits kurviger Landstrassen und schneller Rennstrecken aus? Wie ist es die GSX-S1000 täglich zu fahren? In der Stadt zu bewegen? Bei Kälte? Und nicht zu vergessen: Wie zugänglich ist sie für weniger erfahrene Piloten? All das haben wir an der kroatischen Küste überprüft.
Weitere mächtige Naked-Bikes
Suzuki GSX-S1000 in der Stadt
Wir befinden uns in Opatija im Norden Kroatiens, gleich östlich neben der im Sommer sehr beliebten Halbinsel Istrien. Bei unserem Test ist es allerdings gerade einmal Februar, da wird es auch in Kroatien noch recht frisch. Doch die Strassen bleiben Schnee- und Salzfrei und in der Sonne lässt sich der nahende Frühling bereits erahnen. Der Küstenabschnitt rund um Opatija wir als die kroatische Rivijera bezeichnet und ist von schönen, alten Jugendstil-Gebäuden aus der Zeit der Habsburger Monarchie dominiert. In dieser schicken Kulisse testen wir die stylische Kawasaki Z650RS, die klassische Royal Enfield Classic 350 und die neue CFMOTO 700CL-X. Während diese Retro-Eisen schon mit der Stadt im Hinterkopf entwickelt wurden, gilt das nicht für die Suzuki.
Das merkt man schon allein am Einschlag der Suzuki GSX-S1000. Schnell rangieren, oder flotte Wenden in engen Gassen kann man eher vergessen, nur allzu schnell steht der Lenker voll an. Zusammen mit dem auch nicht gerade kurzen Radstand von 1460 mm läuft es oft darauf hinaus, dass man mehrfach reversieren muss. Die Sitzhöhe von 810 mm erleichtert wenigstens das Erreichen des Bodens, wenn auch der breit bauende Vierzylinder Motor den Schrittbogen im Stand recht weit und lang macht, schmale Pilot:innen könnten also nicht mehr ganz so einfach hinunterreichen. Das fahrfertige Gewicht von 214 kg ist zwar nicht übertrieben hoch, verglichen mit anderen Nakeds aber doch viel und genug, um die Masse nicht beim Rangieren nicht so ohne weiteres zu bewegen, vor allem bei unebener Strasse. In Summe gibt es sicher einfachere Bikes in puncto Handhabung im Stand. Doch als Hilfe gibt es ja den Motor, der selbst bei langer Stehzeit bei kalten Temperaturen sofort und problemlos anspringt, Easy Start system sei dank. Der Hebel zur Trennung der Mehrscheiben-Kupplung im Ölbad braucht etwas Handkraft, lässt die Leistungsabgabe aber sehr fein dosieren. Schon hier im Stand ist der Druck des Motors zu spüren. Zusätzliches Gas ist gar nicht notwendig, das Standgas, etwas Gefühl an der Kupplung und der verbaute Suzuki Low RPM Assist reichen für Manöver am Parkplatz. Auch darüber hinaus überzeugt der K5-Motor. Er schiebt sich souverän durch den Verkehr und kommt selbst bei bewusst untertourigem Fahren nicht ins Stottern. Selbst der Quickshifter hat kein Problem mit langsamen Geschwindigkeiten. Bei längerer Fahrt wird Abwärme von unten spürbar, was im Februar ganz angenehm, im Hochsommer aber vermutlich recht warm ist.
Suzuki GSX-S1000 auf der Autobahn
Das LC-Display der GSX-S1000 ist vielleicht nicht mehr die aktuellste Anzeige am Markt, aber dafür sehr übersichtlich und logisch angeordnet. Die Ablesbarkeit bei starker Sonneneinstrahlung könnte noch etwas besser sein. Zur Einstellung der drei Fahrmodi, oder der 5-fach verstellbaren Traktionskontrolle, muss der entsprechende Knopf mal nur kurz, mal länger gedrückt werden, was anfangs zwar nicht intuitiv erscheint, aber durch den Gebrauch von nur einer Taste in der Realität schnell, praktisch und ohne den Blick gross von der Strasse zu nehmen, möglich ist. So kann man sich komplett auf die Umgebung und den Verkehr konzentrieren. Der Sattel bietet recht viel Bewegungsfreiheit, sodass bei Bedarf das Hinterteil auch nah am Tank platziert werde kann, wodurch die Sitzposition sehr aufrecht und übersichtlich ausfällt. Bei höheren Geschwindigkeiten rutscht man einfach nach hinten und schon ist man in der windschnittigen Angriffsposition.
Der bärenstarke 999 ccm Reihenvierzylinder schüttelt auf der Autobahn bei ca. 5000 U/min lässig die 130 km/h aus dem Ärmel, hat spürbar noch jede Menge Reserven nach oben. Immer wieder ertappe ich mich beim unfreiwilligen Rasen, das mächtige Aggregat treibt einfach zum schnell Fahren an. Dabei ist der Motor so souverän, dass es sich problemlos auch mit ihm Cruisen lässt. In Kombination mit der gelungenen Ergonomie, die auf einen allzu scharfen Kniewinkel verzichtet und sonst je nach Körperhaltung sportlich oder bequem ausfallen kann, ist die Suzuki GSX-S1000 für ein Naked-Bike gut für längere Anreisen geeignet. Ein Tempomat wäre noch eine nette Ergänzung. Aber die Reichweite ist auf der GSX-S auch ein Thema. Mit 19 Liter Tankvolumen und bei einem angegebenen Verbrauch von 6,1 l/100km sollte sie etwas über 300 km schaffen. Doch entweder steigt der tatsächliche Verbrauch bei flotterer Fahrt schnell an, oder die Reserve-Anzeige leuchtet allzu früh auf, denn oft beginne ich schon nach knapp über 200 km nervös die Tankanzeige zu beäugeln. Mehr als 250 km schaffen wir nicht zwischen den Tankstopps.
In ihrem Element - Handling & Fahrverhalten der Suzuki GSX-S1000
Schliesslich liegen alle Autobahnen und Ortsgebiete hinter uns und wir kommen endlich zum zur Suzuki GSX-S1000 passenden Terrain: Kurviger Landstrasse. Aber obwohl die Küstenstrasse ausgezeichneten Asphalt aufweist und man auf ihr sehr viel Fahrspass haben kann, ist das noch immer nicht ein Heimspiel für die GSX-S, denn die bevorzugt eher längere Radien. Das hat gleich mehrere Gründe. Der Motor ist als Vierzylinder mit seinen 152 PS bei 11000 U/min und 106 Nm bei 9250 U/min zwar auf hohe Drehzahlen ausgelegt, der K5-Motor hat aber auch untenrum mehr als genug Kraft. Es ist eher die doch recht lange Übersetzung, die in engen Radien auffällt. Auf dem 20 km langen Küstenstück von Moscenicka Draga nach Polmin verlasse ich kein einziges Mal den zweiten Gang, zu eng liegen dafür die Kurven beieinander und zu kurz sind die Geraden. Versucht man das Drehzahlband voll auszunutzen, ist man auch im zweiten Gang schnell jenseits der 120 km/h. Mit dem Druck des K5 erreicht man diese Geschwindigkeiten noch dazu sehr schnell.
Noch ein Grund für die Tendenz zu längeren Radien ist an jedem Kurveneingang spürbar. Obwohl der Lenker des GSX-S1000 im Vergleich zum Vorgängermodell um 1,15 cm breiter wurde, will sie trotzdem eher mit dem Körper, als über den Lenker gesteuert werden. Gerade in engen Kurven ist ein über den Lenker drückender Fahrstil agiler und einfacher, was die Suzuki aber nur ungern mit sich machen lässt. Regelrecht träge fühlt sie sich an und braucht einiges an Kraft, um Lenkimpulse zu befolgen. Rutscht man jedoch mit dem Hintern auf die Seite des Sitzes, lehnt den Oberkörper nach innen und fährt zumindest im Ansatz einen Hang-Off-Stil, ist sie wie verwandelt. Sofort kippt sie willig in Schräglage, zieht dort dank des voll einstellbaren Fahrwerks präzise durch den Radius und beschleunigt vom Scheitelpunkt, begleitet vom mörderischen Kreischen des Vierzylinders, wie ein Geschoss aus der Kurve. Meint man es Mal zu gut mit der Gashand, was gerade bei schlechtem Belag und dem massiven Drehmoment schnell passieren kann, greift die regelbare Traktionskontrolle schnell und sauber ein. Allerdings gilt es hier im Vorhinein die richtige Stufe zu wählen, denn schräglagenabhängige Systeme sind bei der GSX-S1000 nicht mit an Bord.
Zu mächtig für Anfänger? - Suzuki GSX-S1000 Test 2022
Für Einsteiger gibt es noch die A2-taugliche Suzuki GSX-S950, die auf 95 PS begrenzt ist. Ihre Existenz ist auch wichtig, da die GSX-S1000 nicht wirklich Anfänger-freundlich ist. Gut, welcher Einsteiger greift auch zu einem 152 PS-Bike und erwartet sich ein zugängliches Bike? Aber bei der GSX-S1000 kommt noch die lange Übersetzung, die die Geschwindigkeitsnadel schon in den unteren Gängen sehr schnell hochschiessen lässt, und die eigene Fahrdynamik hinzu. Sie ist ja agil, allerdings nur wenn sie richtig bedient wird. Fahranfänger könnten aber mit dem störrischen Einlenkverhalten bei drückendem Fahrstil überfordert sein, gerade wenn sie mit mehr Geschwindigkeit als beabsichtigt auf die Kurve zufahren. Ausserdem fehlen noch schräglagenabhängige Systeme, die Leistung und Bremserei auch in Extremsituationen sicher regeln. Aber dafür sind die Bremsen mit den zwei 310 mm Scheiben vorne goldrichtig für die Landstrasse dimensioniert. Sie bieten genug Verzögerungskraft für scharfe Bremsmanöver, weisen aber nicht die übermässige Bissigkeit von supersportlichen Bremsanlagen auf. So lässt es sich leicht und fein dosiert Geschwindigkeit verringern.
Für wen eignet sich die Suzuki GSX-S1000 2022?
Die Suzuki GSX-S1000 ist 2022 ein grandioses Motorrad, sofern man sie richtig nutzt. Von dem im Vergleich zur Konkurrenz nicht ganz so umfassenden Elektronik-Paket darf man sich nicht abschrecken lassen, denn erstens funktionieren die Systeme auf der Suzuki wirklich sehr gut und zweitens ist dafür auch der Preis der Suzuki GSX-S1000 nicht auf dem Niveau der Konkurrenz. Ein 1000er-Naked Bike, was Performance-technisch schon an der Grenze zu den Hyper-Nakeds kratzt, ist mit einem besseren Preis-Leistungsverhältnis kaum zu finden. Hauptargument für die GSX-S ist der K5-Motor, der sich trotz seines Alters auch 2022 richtig gut anfühlt und ein breites Grinsen unter den Helm zaubert. Nur umgehen sollte man mit dermassen viel Leistung und dem Handling der Suzuki können, denn sonst werden aus dem Grinser schnell vor Schreck geweitete Augen. Die Suzuki GSX-S1000 ist eben ein echtes "Männer-Motorrad" für versierte Biker, die mächtig die Sau rauslassen wollen. Abgesehen vom Rangieren schlägt sich die Suzuki aber auch im Alltag ganz gut.
GREGOR
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Fazit: Suzuki GSX-S1000 2022
Die neue GSX-S1000 ist vom Grundaufbau her eine alte Bekannte – Motor und Chassis stammen nach wie vor von der Vorgängerin. Allerdings wurde die Maschine in vielen Bereichen modernisiert und präsentiert sich vor allem optisch auf einem extrem hohen Level. Das merkt man auch am gelungenen Finish der verbauten Teile. Der Motor kann zwar nicht in der Liga der superpotenten Hyper-Nakeds mitspielen, funktioniert nun mit Ride-by-Wire (Euro5-tuglich) aber sehr harmonisch und gut. Auch das konventionelle Fahrwerk geht einen guten Kompromiss zwischen Sportlichkeit und Komfort ein. Hammerargumente sind definitiv das gelungene Design, der serienmässige Quickshifter mit Blipper und nicht zuletzt der vergleichsweise niedrige Preis.- souveräner Motor
- hervorragender Schaltassistent samt Blipper
- ausgewogenes Handling, braucht aber Körpereinsatz
- hervorragendes Design
- bequeme Sitzposition
- sehr guter Preis
- Elektronikpaket nicht sehr umfangreich
- Display bei Sonne nicht sonderlich gut ablesbar
- mit drückendem Fahrstil etwas träge
Bericht vom 20.03.2022 | 38'132 Aufrufe