Yamaha MT-10 alt gegen neu - muss es immer die Neue sein?

Wie schlägt sich die Yamaha MT-10 2022 gegen die SP von 2021?

Als die erste Yamaha MT-10 vor rund sieben Jahren die Bühne betrat, musste sie sich vorrangig wegen ihrer Optik so manche Kritik gefallen lassen - nicht jeder verstand das bullige Design auf Anhieb. Auf fahrtechnischer Ebene gab es allerdings nicht wirklich viel zu bemängeln, die MT-10 der ersten Generation ist auch heute noch ein richtiger Dampfhammer in der Riege der Hyper-Naked Bikes. Ist das brandneue Modell also wirklich viel besser? Wir vergleichen alt gegen neu!

Es ging wohl vielen anderen so wie mir, als sie die Yamaha MT-10 vor sieben Jahren zum ersten Mal sahen. Nur Kanten und zerklüftete Teile mit dieser eigenartigen Playmobil-Front hatten rein gar nichts Elegantes an sich. Grob gesagt also kein wirklich schönes Motorrad. Wenig später habe ich mich allerdings an diese aussergewöhnliche Optik gewöhnt und hatte da auch schon das wahre Vergnügen, diese nackte Rakete zu fahren - da relativiert sich sogar für mich die Optik, wenn ein Motorrad so gut fährt.

Der grosse Fortschritt der Yamaha MT-10 liegt im Zentrum der Maschine!

Allerdings ist auch diese tolle MT-10 nun schon in die Jahre gekommen, was man jedoch nur merkt, wenn man sie mit dem neuen Modell vergleicht. Dass wir die normale MT-10 von 2022 mit einem 2021er-Modell der MT-10 SP verglichen, soll dabei nicht weiter stören, denn der grösste Fortschritt liegt in der Weiterentwicklung des Motors, der bei MT-10 und MT-10 SP ident ist. Ich möchte gar nicht behaupten, dass die sechs PS (166 bei 11.500 Umdrehungen statt 160 PS) und ein Newtonmeter mehr (112 bei 9000 Touren statt 111 Nm) wirklich den grossen Unterschied ausmachen würden, sondern das neue Ride-by-Wire-System und die Euro5-Abstimmung machen das Triebwerk weitaus umgänglicher. Viele Fans der alten MT-10 behaupten zwar, dass sie sich nicht an der ziemlich ruppigen Gasannahme beim Wegfahren stossen und dafür diesen pulsierenden CP4-Charakter (Yamaha nennt den Hubzapfenversatz des Reihen-Vierzylinders Crossplane, abgekürzt CP4) lieben, allerdings macht die Neue alles besser, ohne dabei auf diesen kernigen Biss in allen Drehzahlbereichen zu verzichten. Denn wenn man ehrlich ist, spielt sogar die alte MT-10 immer noch in der Oberliga der Hyper-Naked Bikes mit, die ja nun bereits über 200 PS haben können.

Die Ergonomie musste bei der Yamaha MT-10 nicht grossartig verändert werden

An der Ergonomie erkenne ich ehrlich gesagt keine grossen Veränderungen, das war aber auch gar nicht notwendig. Ganz im Gegenteil, ich bin froh, dass Yamaha auch der neuen MT-10 diese aufrechte, bequeme Sitzposition gelassen hat, wodurch sich auch das neue Modell als langstreckentauglichstes Hyper-Naked empfiehlt. Ich persönlich würde Yamaha raten, so wie bei der Vorgängerin wieder eine Tourer-Version mit höherem Windschild und Gepäcksystem anzubieten. Dementsprechend ist auch das Handling der beiden Modelle sehr ähnlich, ich fühle mich auch auf der neuen MT-10 extrem wendig und gut aufgehoben. Die Federelemente können zwischen normaler MT-10 und SP-Version samt elektronisch verstellbarem Öhlins-Fahrwerk natürlich nicht ganz gerecht verglichen werden. Ich kann aber auch bei der neuen normalen MT-10 eine durchaus gelungene Abstimmung erkennen, die bei aller gegebener Präzision sogar einen gewissen Komfort bietet, der bestens zu der gemütlichen Sitzposition passt. Die Öhlins-Komponenten der alten SP sind zwar immer noch auf höchstem Niveau, die neue SP (die zum Zeitpunkt des Tests leider noch nicht verfügbar war) vertraut jedenfalls bereits auf die neueste Generation, das semi-aktive EC 2.0 - klarerweise auch wieder in edlem Gold gehalten.

Die Bremse der neuen MT-10 packt heftig zu

In Sachen Bremsen konnte man sich schon bei der Anlage der alten MT-10 nicht beschweren, die neue Anlage mit dem Brembo Hauptbremszylinder beisst aber nun tatsächlich so arg zu, dass selbst Konkurrentinnen, die für eine richtig arg zupackende Bremse bekannt sind, sich hinten anstellen müssen. Da muss ich meinen ersten Eindruck von der Präsentation im März sogar revidieren, offenbar waren die Bremsen auf den ersten Modellen noch nicht ganz eingearbeitet. Bei meinem Vergleichstest nun in der Schweiz packte die Vorderradbremse der neuen MT-10 jedenfalls so heftig zu, dass ich Fahranfängern oder Ungeübten eine sehr behutsame Betätigung empfehle.

Die Elektronik der alten Yamaha MT-10 ist nicht schlecht, die der neuen aber besser

Neben dem verbesserten Motor sehe ich den grössten Fortschritt der neuen MT-10 in der aufgerüsteten Elektronik. Die Armaturen sind interessanterweise auf der neuen MT-10 und der alten MT-10 SP exakt die gleichen, denn damit konnte sich bei der Vorgängerin die SP-Version von der normalen Version mit LCD-Cockpit abgrenzen. Die Menüführung hat man daher bei beiden schnell im Griff, die Grösse von nur 4,2 Zoll spielt dank der guten Ablesbarkeit gar nicht so eine grosse Rolle, wie man glauben könnte. Weitreichende Unterschiede gib es aber bei den Features selbst, denn bei der neuen MT-10 kommt bereits eine 6-Achsen-IMU zum Einsatz, die eine schräglagenabhängige Traktionskontrolle und ein Kurven-ABS ermöglicht. Auf gutem Asphalt vielleicht noch nebensächlich, können diese Gimmicks etwa bei nasser Fahrbahn durchaus den Unterschied zwischen fahren und liegen machen. Besonders erfreulich befinde ich, dass nun bereits die günstigere Version der MT-10 einen vollwertigen Schaltassistenten samt Blipper spendiert bekommt, bei der Vorgängerin hatte die normale MT-10 gar keinen und die, von mir getestete SP-Version nur einen zum Raufschalten. Gerade das ist für mich nun nicht mehr zeitgemäss, wenn ich mich beim Raufschalten freue, dass ich die Gänge durchknallen kann, nur um dann beim Herunterschalten zu merken, dass ich die Gänge nicht ohne Kupplung hinein bekomme. Da bin ich mittlerweile der Meinung: Entweder alles oder gar nichts.

Welche Yamaha MT-10 ist denn nun die Bessere?

Spätestens mit dem moderneren Schaltassistenten ist für mich klar, dass ich die neue Yamaha MT-10 tatsächlich besser finde und daher eher empfehlen möchte, als die Vorgängerin. Zusammen mit dem optimierten Motor kann man von einer gelungenen Weiterentwicklung sprechen, was für mich persönlich auch beim Design gelungen ist - auch die neue MT-10 ist eindeutig eine MT-10, nur hübscher und vor allem gefälliger.

Am Ende läuft alles über den Preis…

Aber das Aussehen ist klarerweise sehr subjektiv, die Preise sind hingegen harte Fakten. Die von uns getestete MT-10 SP kostet 16.000 Schweizer Franken, die neue MT-10 mit 16.500 Franken unwesentlich mehr. Die gebrauchte SP von 2021 hat mit fast 4000 Kilometer zwar schon einige Fahrten am Buckel, verwöhnt aber neben dem hochwertigen elektronisch verstellbaren Öhlins-Fahrwerk auch mit der exklusiven SP-Aufmachung. Wem also Fahrwerk und Federelemente wichtiger sind als besserer Motor, Blipper und mehr Elektronik sollte zur gebrauchten SP greifen, alle anderen zur neuen MT-10. In Kürze fährt ohnehin auch die neue MT-10 SP in die Schauräume, mit 19.500 Franken gewiss kein Schnäppchen, dafür mit der neuesten Generation des elektronischen Öhlins-Fahrwerks und einigen anderen exklusiven Features ausgestattet. Am anderen Ende der MT-10-Skala gibt es sogar noch eine brandneue normale MT-10 von 2020 um 15.500 Franken - also für den einen oder anderen um die entscheidenden 1000 Franken günstiger als die neue MT-10. Und falls jemand gerne die alte MT-10 SP als Neufahrzeug mit null Kilometer hätte, auch damit kann yamaha-motor in Bern dienen - in der Filiale in Stettlen gegen 17.500 Franken abzuholen. Am besten aber direkt auf www.yamaha-motor.eu den nächstgelegenen Händler suchen und aus den vielen Neufahrzeugen und Gebrauchten/Occassionen auswählen!

Fahrendes Motorrad

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Fazit: Yamaha MT-10 2022

Die neue MT-10 ist eine richtig gelungene Evolution der Vorgängerin, bleibt sich vom Charakter her aber vollkommen treu. Das neue Elektronik-Paket mit einer 6-Achsen-IMU ist eine Wucht, alle Features sind so gut aufeinander abgestimmt und spielen dermassen gut zusammen, dass der Fahrer in jeder Situation optimal von der Elektronik unterstützt wird, ohne grossmächtig bevormundet zu werden. Die restlichen Komponenten bei Fahrwerk und Bremsen gehen voll in Ordnung und die Optik im Mad Max-Brachialo-Stil wurde zwar im direkten Vergleich zur Vorgängerin ein wenig entschärft, bleibt aber immer noch einzigartig und eindeutig als MT-10 erkennbar.


  • Herrlicher CP4-Motor
  • tolles Elektronik-Paket
  • eigenständige Optik
  • angenehme Sitzposition
  • gut ablesbare Armaturen
  • Kurven-ABS
  • Kupplungshebel nicht verstellbar
  • keine Stahlflex-Bremsschläuche
  • Display etwas klein

Fazit: Yamaha MT-10 SP 2021

Die Yamaha MT-10 SP begeistert mit einem hohen Mass an Perfektion in Kombination mit einer Wagenladung Emotion. Selten gelingt es japanischen Herstellern so tief in die Domäne der Europäer einzudringen. Das Motorrad fährt bei Bedarf sehr böse, kann aber auch ganz zivil im Stadtverkehr genutzt werden. On Top bekommt man mit dem elektronisch verstellbaren Öhlins-Fahrwerk auch noch viel Fahrkomfort spendiert. In Summe ein hervorragendes Universaltalent das deutlich mehr kann als nur böse auszusehen.


  • Eigenwilliger Sound
  • herrlich punchiger Motor
  • hochwertiges Fahrwerk und Chassis
  • akzeptabler Windschutz
  • überraschend angenehme Sitzposition
  • Traktionskontrolle und ABS nicht schräglagenabhängig
  • Schaltassistent nicht makellos und ohne Blipper
  • hoher Preis

Bericht vom 15.06.2022 | 27'693 Aufrufe

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