Honda Africa Twin DCT 2016 vs. 2022

Was bringen 6 Jahre Entwicklung?

6 Jahre und 436.000 km liegen zwischen Varahannes Honda Africa Twin DCT 2016 und der aktuellen Africa Twin Adventure Sports DCT 2022. Wie viele Verbesserungen gelangen den Ingenieuren, liegt die Alte gar in manchen Bereichen vorn?

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Hoher Besuch im 1000PS Büro: Varahannes gibt uns samt seiner Africa Twin die Ehre

Es ist Juli im 1000PS Büro, Urlaubszeit; leere Gänge und freie Plätze in der Redaktion gehören zum guten Ton. Daher habe ich besondere Freude, als mich Hannes Bagar, besser bekannt unter seinem Pseudonym Varahannes, anruft und mir ankündigt, dass er mit seiner Africa Twin - aktueller Tachostand nicht weniger als 437.000 km - vorbeikommen würde. Da zufälligerweise eine aktuelle Africa Twin Adventure Sports DCT im Hof steht, ist die gemeinsame Ausfahrt aufgelegt. Ich bin gespannt, schliesslich ist es meine erste Gelegenheit eine 1000er Africa Twin zu bewegen und dann gleich die wohl Legendärste Österreichs.

Honda Africa Twin 2016 vs. 2022: Technische Daten im Vergleich

Wenig überraschend, sind sich die beiden Maschinen technisch sehr ähnlich. Wer es ganz genau wissen möchte, dem lege ich unseren Motorradvergleich Africa Twin 2016 vs 2022 ans Herz. Dazu ergänzend möchte ich festhalten, dass das Gewicht der beiden Africa Twins aufgrund der Zubehörteile beinahe ident ist. Stolze 258,5 kg drückt die Adventure Sports DCT 2022 (inkl. Kofferhalterungen) randvoll getankt auf die Waage. Bei Hannes CRF1000L DCT sind es gar 259 kg, er hat neben Kofferträgern, Sturzbügeln, Heizgriffen, Motorschutz und Nebelscheinwerfern auch einen Kettenöler verbaut.

Über 400.000km - gehört die 2016er Africa Twin zum alten Eisen?

Da Hannes natürlich an der aktuellen 1100er interessiert war, starte ich auf seiner Africa Twin DCT. 437.735 km stehen hier auf der Uhr, diese Zahl lässt einen ehrfürchtig werden. Im Cockpit (vor allem an der Minus-Taste des DCT) kann man den Zahn der Zeit und vor allem der überdurchschnittlichen Laufleistung etwas spüren. Dennoch steht die Twin dank regelmässiger Pflege gut da. Hannes Logbuch verrät mir, dass alleine in den Wintermonaten mehr als 90.000 km auf gesalzenen und gestreuten Strassen zurückgelegt wurden. Der Rostbefall am Rahmen und anderen frei liegenden Teilen hält sich dennoch in Grenzen, beeindruckend.

Auf den ersten Metern fällt mir sofort der im Vergleich zur 1100er schmälere Lenker auf, dennoch fühle ich mich im Bezug auf die Ergonomie auf Anhieb wohl. Hannes Motorrad hat noch den Originalsattel, er ist weicher als der, der 1100er aber nicht durchgesessen. Dennoch würde ich im direkten Duell der aktuellen Africa Twin den Vorzug geben, da sie absolut luxuriöse Platzverhältnisse für grössere Piloten bietet.

Trotz weniger Hubraum, Leistung und Drehmoment (und der irren Laufleistung) geht es auf der 1000er vom Fleck weg zügig voran. Durch die engere Getriebeabstufung kann sie ihren Performance-Nachteil gegenüber der neueren Schwester gut kaschieren. Insbesondere in mittleren Drehzahlregionen merkt man beim Umstieg, dass man auf der 1100er souveräner unterwegs ist. Wirklich beeindruckend ist das satte Klangbild der Africa Twin CRF1100L, das trotz Euro 5 ein Grinsen ins Gesicht zaubert. Hannes 1000er ist hier dank einem Slip-On von Akrapovic ebenfalls gut ausgestattet.

Ausstattung und Display zeigen unterschiedliche Welten

Der herausragende Unterschied, der die rasante Entwicklung auf diesem Gebiet gut darstellt findet sich beim Aufsitzen direkt vor einem: Das Display. Während in der Africa Twin DCT von 2016 ein blasses LC-Display werkt, protzt die aktuelle Honda mit einem 6,5 Zoll TFT-Touchscreen. Darunter findet sich noch ein (sehr gut ablesbares) LC-Display, dass bei der Nutzung diverser Apps, über die serienmässige Integration von Apple Carplay bzw. Android Auto, die wichtigsten Infos (Kilometerzähler, Geschwindigkeit, gewählte Fahrstufe) bereitstellt. Die Ablesbarkeit der alten LC-Einheit auf der 1000er ist insbesondere bei direkter Sonneneinstrahlung schlecht, ein im wahrsten Sinne des Wortes gänzlich anderes Bild zeigt der sehr helle Screen auf der 1100er. Gestochen scharf präsentieren sich alle Informationen.

Das ist insbesondere deshalb wichtig, weil das umfangreiche Softwarepaket an der 2022er Africa Twin mit einem herausfordernden Bedienungskonzept gesegnet ist. Ohne in die Tiefe gehen zu wollen, soll ein kurzes Beispiel den Umfang erläutern: Beide Maschinen haben für den Offroadeinsatz ein abschaltbares Hinterrad-ABS. Beim 2016er Modell ist zu diesem Zweck ein grosser Knopf im Cockpit vorhanden, den man (im Stand) drückt und somit das ABS deaktiviert. Um dasselbe Ergebnis in der aktuellen Version zu erreichen, braucht es nicht weniger als 4 Klicks im Display.

Die aktuelle Africa Twin glänzt ausstattungsseitig mit sechs Fahrmodi, Kurvenlicht, einstellbare Motorbremswirkung schräglagenabhängigen Sicherheitsfeatures, LED Beleuchtung rundum, Tempomat, Heizgriffen, verstellbarer Windschild. All das sind Dinge, die der Africa Twin von 2016 fehlen. Das DCT bietet natürlich auch hier die Schaltschemata D, S1, S2 und S3 ansonsten gibt es mangels Ride-by-Wire (bekam die Africa Twin erst 2018) keine Elektronikspielereien, abgesehen von herkömmlichem ABS und einer dreistufigen Traktionskontrolle. In der Praxis geht einem der Tempomat vermutlich am meisten ab.

Fahrwerk: Elektronische Wunderwaffe trifft auf konventionelles Setup

Die Fahrwerke in den beiden Honda Africa Twins haben viel gemeinsam: Sie stammen aus dem Hause Showa, sind voll einstellbar und bieten 230 mm Federweg vorne und 220 mm Federweg hinten. Während man in der 1000er für Änderungen jedoch selbst Hand anlegen muss, erledigt das in der Adventure Sports 2022 die Elektronik. Semi-aktiv passt sich das E-Fahrwerk an die jeweiligen Gegebenheiten an. Beiden Fahrwerken kann ein absolut breiter Einstellbereich attestiert werden, mit der E-Variante nutzt man diesen jedenfalls deutlich öfter aus, als mit der konventionellen. Bei unserem Test, der sich auf befestigte Strassen beschränkt, kam ich jedoch auch mit dem Fahrwerk der Africa Twin 1000 äusserst gut zurecht.

Fahreindrücke im Afirca Twin Duell neu gegen alt

Beide Twins machen im Kurvengeläuf unserer Testrunde mächtig Spass. Die langen Federwege spürt man zwar, aber wenn man sich darauf eingestellt hat sind beachtliche Kurvengeschwindigkeiten drin. Dass die Adventure Sports selbst im härtesten Pre-Set der Gabel ordentlich einfedert, liegt vor allem an den wunderbar verzögernden Bremsen. Hier ist den Honda-Ingenieuren im Vergleich zu 2016 ein spürbarer Schritt nach vorne gelungen. Auch die Stopper auf der alten Maschine sind in Ordnung, beim Umsteigen aber dann doch weniger bissig, das ABS regelt grober und der Eingriff ist deutlicher spürbar.

Durch den breiteren Lenker punktet die 1100er vor allem in engen Kehren, wunderbar lässt sie sich nach dem Initialimpuls durch den Radius dirigieren. Am Scheitelpunkt der Kurve macht einem es das Ride-by-wire leicht, sanft Gas anzulegen. Hier hat der Pilot im Sattel der 1000er das Nachsehen. In Kombination mit dem etwas forscheren Antritt von unten raus macht man auf der neuen Africa Twin echt Meter.

DCT 2016 vs. 2022 Unterschiede neu vs alt

Vorab muss festgehalten werden, dass das DCT 2016 mit über 400.000 km absolut sensationell funktioniert. Der Stellmotor am Hannes Maschine wurde einmal getauscht und alle 48.000km wurde das DCT serviciert, ansonsten waren keine Eingriffe bei dieser beachtlichen Laufzeit nötig.

Im direkten Vergleich fällt auf, dass das neue System, das in der Adventure Sports 2022 verbaut ist, weiterentwickelt wurde. Neben der bereits erwähnten Einbeziehung der Schräglage für die Schaltvorgänge, wurde das Ansprechverhalten in den ersten zwei Fahrstufen überarbeitet, um einen noch sanfteren Übergang vom Last in den Schubbetrieb zu realisieren. Die Verbesserungen machen sich vor allem beim Runterschalten vom zweiten in den ersten Gang vor Kurven bemerkbar. Bringt die 2016er DCT-Version hier noch etwas in Unruhe (trotz verbauter Anti-Hopping Kupplung) in die Africa Twin, passt die aktuelle DCT-Version die Drehzahl ideal an. So bemerkt man den Gangwechsel sehr wohl akustisch und in der Motorbremswirkung, aber das geschieht ohne auch nur die geringste Unruhe in die Fuhre zu bringen. Die Schaltzeiten konnten über die Jahre merklich reduziert werden.

Fazit Test Honad Africa Twin 2016 vs. 2022

Ein Blick in den Gebrauchtmarkt zeigt, dass das Preisniveau der Angebot am 1000PS Marktplatz für die Honda Africa Twin hoch und stabil ist. Dennoch kann man sich im Vergleich zu einer neuen Africa Twin Adventure Sports gut 40 - 50 Prozent des Kaufpreises sparen. Fahrer, die auf die letzte Ausbaustufe hinsichtlich Elektronik und Sicherheitsfeatures verzichten können, haben die Chance eine richtig gute und unanfällige Reiseenduro zu erwerben. Das zeigen zum einen die hohen Kilometerstände der Angebote im Gebrauchtmarkt, zum anderen war auch schon das erste Baujahr technisch sehr ausgereift. Für Details kann ich euch unsere Gebrauchtberatung zur Honda CRF1000L Africa Twin ans Herz legen.

Den grössten Schritt hat man bei Honda neben den umfangreichen Features definitiv beim Fahrwerk und beim DCT gemacht. Die Elektronik der aktuellen Africa Twin ist der Perfektion bereits unheimlich nahe gekommen. Wer auf die aller letzte DCT-Ausbaustufe verzichten kann, ist auch mit den ersten 1100er Modellen gut beraten. Ihr seht also: Mit dem Kauf einer Honda Africa Twin kann man so gut wie nichts falsch machen.

Hinweis: Die Einzelfazits wurden aus den Einzeltests der beiden Modelle übernommen.

Fazit: Honda CRF1000L Africa Twin DCT 2016

Die Legende ist zurück, behauptete Honda vollmundig - die Mission ist aber zu einem Höchstmass gelungen, die Africa Twin mit dem eher sperrigen Namen CRF1000L Africa Twin ist eine sehr wendige und ausgezeichnet fahrbare Enduro, die auf allen Untergründen gut funktioniert. So auch auf Schotter und Single Trails, wo ein einfaches Handling natürlich sehr wichtig ist. Mit 95 PS fehlen ihr zwar stolze 65 PS auf die Elite, für ein solch ausgewogenes Handling braucht man aber nicht mehr. In einer Sache ist die CRF1000L Africa Twin sogar völlig konkurrenzlos - sie kann mit einem Doppelkupplungsgetriebes DCT (Dual Clutch Transmission) geordert werden.


  • extrem gut und angenehm fahrbar
  • Motor dreht brav hoch
  • tolles Handling
  • funktioniert im Gelände sehr gut
  • sehr reisetauglich
  • einzigartiges Doppelkupplungsgetriebe DCT
  • der Motor ist unspektakulär

Fazit: Honda CRF1100L Africa Twin Adventure Sports DCT 2022

Die Africa Twin ist für mich eine Reiseenduro wie eine Reiseenduro sein soll. Das galt schon fürs Vorgänger-Modell und änderte sich auch mit dem Anwachsen von Hubraum und Leistung nicht. Weil diese mit 102 PS zum einen überschaubar blieb und es Honda dabei sogar schaffte, ein paar Kilo gegenüber der CRF1000L abzuspecken. Also blieb ihr die Vielseitigkeit, funktioniert sie auf der Autobahn genauso wie im Gelände. Das Fahrwerk schluckt so ziemlich alle Unebenheiten, der Motor bleibt in jeder Lebenslage souverän, Ergonomie und Sitzkomfort sind beispielhaft. Ein Motorrad für alle Tage genauso wie für die grosse Reise – wo immer die auch hingehen mag.


  • durchzugsstarker Motor
  • ausgereifte elektronische Fahrhilfen
  • wunderbar funktionierendes DCT
  • Touch-Screen-Farbdisplay
  • gute Ergonomie
  • Langstreckentauglichkeit
  • Windschild mit gutem Einstellbereich
  • Semi-aktives Fahrwerk nahe an der Perfektion
  • Bedienkonzept der Elektronik wenig übersichtlich und intuitiv
  • Handguards für Offroad-Einsatz wenig robust

Bericht vom 06.08.2022 | 37'596 Aufrufe