BMW R 1300 GS vs. KTM 1290 Super Adventure S - Duell der Giganten
Ist die 1300er-GS wirklich die neue Referenz?
Dass die neue BMW R 1300 GS gegen die etablierte und erwiesen gute Konkurrenz antreten wird müssen, war ja klar. Überraschend ist, dass wir sie nun bereits Mitte November in einem harten Vergleich gegen die mächtige KTM 1290 Super Adventure S antreten lassen - ist die 1300er-GS wirklich die neue Referenz oder kürt ein Kubik mehr Hubraum die KTM zur Siegerin?
Sieht man sich ausgewählte Daten unserer beiden Reiseenduros an, so könnte man meinen, sie wären sich so ähnlich wie eineiige Zwillinge. Beide mit Zweizylindermotoren, diese mit 1300 und 1301 Kubik Hubraum, Stahlrahmen, exakt gleiche Reifendimensionen, elektronische Fahrwerke, massenhaft Assistenzsysteme, ein Millimeter Sitzhöhen-Differenz und gerade mal 4 Prozent Gewichtsunterschied - das hört sich doch alles verdammt gleich an, oder? Tatsächlich sind auch beide Modelle grundehrlich in der Sparte der Reiseenduros angesiedelt, da gibt es weder bei der BMW noch bei der KTM die Überlegung, ob das irgendwelche Crossover-Geschwüre oder gar Sporttourer wären.
Die Sitzpositionen auf BMW R 1300 GS und KTM 1290 Super Adventure S
Dennoch gibt es entscheidende Unterschiede, durch die sich BMW R 1300 GS und KTM 1290 Super Adventure S richtig gut voneinander differenzieren. Da wäre mal die Sitzposition, die auf beiden als überaus bequem zu beurteilen ist, die BMW ist nun sogar aktiver und sportlicher geworden - wer hätte gedacht, dass eine GS mal eine verhältnismässig sportliche Sitzposition haben wird. Die KTM ist da sogar noch mehr eine klassische Reiseenduro, man sitzt etwas höher, hat aber das Geschehen über den breiten Lenker genauso gut im Griff wie auf der BMW. Gegenüber der neuen GS-Generation hat die KTM sogar einen Vorteil, ihre Sitzhöhe ist serienmässig in den beiden Höhen 849 und 869 Millimeter variierbar, die BMW hat ihren Sattel auf 850 Millimeter Höhe. Wer auf der Bayerin tiefer oder höher sitzen will, hat (wie üblich) im BMW-Zubehörprogramm eine grosse Auswahl an Sitzbänken, das kostet aber natürlich Aufpreis. Hat die KTM also in diesem Kapitel die Nase vorn? Nun, wer gerne bequem auf seinem Motorrad sitzt, dabei aber aktiv und sportlich das Geschehen kontrollieren will, ist mit der KTM 1290 Super Adventure S bestens bedient. Wer davon ausgeht, dass die BMW in der Regel die gemütlichere Sitzposition als all ihre Konkurrentinnen hat, muss mit der neuen 1300er aber umdenken. Die KTM hat zwar mit ihrem etwas niedrigeren Lenker noch mehr eine aktive, supermoto-artige Sitzposition, die BMW ist aber spürbar sportlicher geworden und hat somit eine richtig agile, keineswegs schlechtere Ergonomie. Völlig neu ist auf der Bayerin wiederum die unerwartet schlanke Tanksilhouette, der Knieschluss ist richtig eng, die abstehenden Boxer-Zylinder stören die Ergonomie ja nicht wirklich. Die KTM ist auch in diesem Bereich weit mehr eine klassische Reiseenduro, bei der die Beine im Tankbereich weiter abgespreizt werden müssen. Nicht wirklich störend, im direkten Vergleich aber eben spürbar.
Die BMW R 1300 GS hat beim Handling die Nase ein wenig vorn
Die Sitzpositionen passen also schon mal sehr gut für eine aktive, sportliche Fahrerei, das Handling entspricht grundsätzlich bei beiden Maschinen diesem Charakter. Allerdings muss man bei der KTM kleine Abstriche bei der Agilität in Kurven machen, die mit anderen Reifen - von uns höchstpersönlich ausgetestet - besser funktioniert als mit den serienmässigen Mitas Terra Force-R. Das mögen ja keine schlechten Reifen sein, aber diese Leichtfüssigkeit, die wir an der grossen, viel unhandlicher aussehenden 1290 SA S so lieben, wird doch etwas mehr unterdrückt. Also kann auch hier die BMW mit ihren Metzeler Tourance Next 2 etwas mehr punkten - die 1300er-GS kippt in die Radien, dass es nur so eine Freude ist. Die Raddimensionen selbst spielen dabei im direkten Vergleich keine Rolle, da sie völlig ident sind. Und es zeigt sich wie so oft, dass ein 120/70-19er-Vorderrad zwar spürbar, aber nicht entscheidend unhandlicher als ein 17er ausfallen muss. Grosses Lob gilt zum Abschluss im Handling-Kapitel den Fahrwerken der beiden Maschinen, beide mit elektronischen Fahrwerken ausgestattet (KTM in Serie, BMW gegen Aufpreis) kommt trotz hohem Komfort-Level sowohl auf der BMW als auch auf der KTM eine angenehme Rückmeldung und keinerlei Unruhe in die Fuhren. Klarerweise können sie ohnehin per Knopfdruck (KTM) oder Drehrad (BMW) noch straffer und somit sportlicher abgestimmt werden, doch bereits die mittleren Abstimmungen erlauben eine flotte Fahrt mit richtig guten und sinnvollen Reserven. Und keine Sorge, auch in sportlicher Einstellung mangelt es nicht völlig an Komfort.
Sind 20 Kilo mehr als die Werksangabe der BMW R 1300 GS wirklich dreist?
Dass auch das Gewicht der Maschinen in dieser Klasse eine Rolle spielt, ist verständlich, denn wenn schon knapp 250 Kilo fahrfertig bewegt werden sollen, ist jedes gesparte Kilo von Vorteil. Dennoch sei erwähnt, dass gerade die BMW mit ihrem glücklichen Schwerpunkt ein dermassen angenehmes und intuitives Handling an den Tag legt, dass man ihr die paar Kilos mehr keineswegs ankreiden sollte. Die KTM ist dabei relativ schnell abgehandelt, laut KTM soll sie 243 Kilo fahrfertig wiegen, auf unserer 1000PS-Viehwaage lesen wir, den Tank bis zum Rand vollgefüllt, 246 Kilo ab - alles im grünen Bereich. Bei der BMW wird es hingegen komplizierter, die wird von BMW mit 237 Kilo fahrfertig angegeben, von uns wurden aber 256,5 Kilo voll gewogen - fast 20 Kilo mehr! Das relativiert sich allerdings ein wenig, wenn man bedenkt, dass die R 1300 GS, die wir von der Bike Factory in St. Pölten zur Verfügung gestellt bekamen (danke an dieser Stelle!), bereits mit einer enorm aufgefetteten Ausstattung daher kommt. Die Zusatzkilos durch Hauptständer, elektrisches Windschild und Gepäckträger, um nur einige zu nennen, läppern sich nun mal zusammen. Es wird wohl wirklich schwer werden, eine 1300er-GS ohne jegliche Zusatzausstattung zu finden, um diese auf die Waage zu stellen. Dreiste 20 Kilo über der Werksangabe werden es aber definitiv nicht sein.
Ein mächtiger Dampfhammer mit 1301 Kubik auf der KTM 1290 Super Adventure S
Bei all den wichtigen Faktoren, die auf einer grossen, modernen Reiseenduro eine Rolle spielen, sind es glücklicherweise immer noch die Herzen der beiden, die dem Piloten das breiteste Grinsen ins Gesicht zaubern. Wie anfangs erwähnt, wären sich die beiden Zweizylinder-Triebwerke mit gerade mal einem läppischen Kubik Unterschied äusserst ebenbürtig, in Wahrheit haben beide ihren erfrischend eigenen Charakter. Beginnen wir beim älteren Modell, der V2 der KTM hat zwar bereits einige Jährchen am Buckel, die Erfolgsformel des mächtigen Dampfhammers mit 1301 Kubik Hubraum ist aber aktueller denn je. Denn die Ride-by-Wire-Abstimmung wird immer feinfühliger und der brachiale Antritt haut dir nach wie vor den Hammer in den Rücken - aber auf eine richtig sympathische, weil gut kontrollierbare Art und Weise. Es sind nun mal 160 PS bei 8750 Umdrehungen und stolze 138 Newtonmeter bei 6750 Touren, die mobilisiert werden - bestimmt keine Werte, die man belächeln sollte. Allerdings mischt sich die Elektronik erst so akkurat am Limit ein, dass man so wie auf den anderen KTMs mit diesem Pracht-Motor glaubt, man hat dieses Kraftwerk ganz alleine unter Kontrolle.
Kaum zu fassen - der Motor der neuen BMW R 1300 GS ist noch bulliger geworden!
In Bezug auf den vehementen Antritt hat die BMW trotzdem noch mehr zu bieten, sie konnte gegenüber ihrer 1250er-Vorgängerin nochmals ein Schäuferl nachlegen - mehr geht aktuell wirklich nicht! Einfach nur beeindruckend, wie heftig der Boxer-Zweizylinder anschiebt, beim Hochschalten vor allem vom ersten in den zweiten Gang, aber auch noch in höheren Gängen fühlt man sich wie per Katapult nach vorne geschossen, so herrlich fährt das unfassbare Drehmoment von 149 Newtonmeter ein! Die Leistung ist mit nun 145 PS bei 7750 Umdrehungen zwar bescheidener als jene der KTM, doch gerade auf diesen verhältnismässig schweren Maschinen zählt das Drehmoment doch ohnehin mehr. Ausserdem ist der neue Boxermotor nun auch in höheren Drehzahlen noch kräftig unterwegs und kann somit in einem breiteren Drehzahlband genutzt werden. Will man in diesem Bereich also eine Siegerin küren, wäre es auf den ersten Blick die BMW, die mit ihrem abartigen Antritt noch ärger anschiebt als die KTM. Einen mächtigen Antritt, Feuer beim Hochdrehen und ein herrliches Charisma hat aber auch die Mattighofenerin, die in Wahrheit kaum weniger agil und trotzdem gut kontrollierbar ans Werk geht.
BMW lässt sich den Kardan-Wechsel bei 80.000 Kilometer bezahlen!
Eine Eigenheit, die viele Fans an der BMW schätzen, ist der Antrieb über Kardan, während auf der KTM das Hinterrad über eine Kette angetrieben wird. Vorteil des Kardan ist unbestritten, dass er als wartungsarm gilt, eine Kette will ja regelmässig gepflegt und geschmiert werden, damit sie ein möglichst langes Leben hat. Doch gerade in Sachen Lebensdauer gehen nun die Wogen der potentiellen Käufer der grossen GS hoch - wollen die Bayern doch glatt, dass man bei 80.000 Kilometern den Kardan tauschen lässt, wofür dann voraussichtlich knapp 800 Euro nur für das Material aufzuwenden sind! Nach kurzer Rechnung stellt man jedoch fest, dass man mit Kettenantrieb auf ganz ähnliche Kosten kommt, wenn man davon ausgeht, dass man für diese Kilometerleistung je nach Fahrweise vermutlich drei bis vier Antriebssätze benötigt. Hinzu kommt eben noch das Kettenöl und die Arbeitszeit. Für alle Besitzer von älteren BMW-Modellen mit Kardanantrieb, also 1200er- und 1250er-GS, R, RT und wie sie alle heissen, sei im Übrigen erwähnt, dass auch bei diesen Maschinen nun ein Kardanwechsel offiziell von BMW angeordnet wird. Dieser sogar schon bei 60.000 Kilometern, allerdings werden hier die Kosten von BMW übernommen.
Keine Blösse bei der Elektronik auf BMW R 1300 GS und KTM 1290 Super Adventure S
Die Motoren sind also die Schlagobershauberln auf den beiden Maschinen, heutzutage muss (offensichtlich) aber auch ein Haufen Elektronik und Ausstattung in einer grossen Reiseenduro eingefüllt werden, damit man sie auch wirklich ernst nimmt. Nun, in Sachen Assistenzsysteme sind beide serienmässig voll auf Zack, Kurven-ABS, schräglagenabhängige Traktionskontrollen und einstellbare Fahrmodi sind sowohl bei der R 1300 GS als auch bei der 1290 Super Adventure S Serie. Bei der KTM sind sogar das ausgereifte elektronisch verstellbare WP-Fahrwerk und der Tempomat mit Abstandsradar bereits ab Werk dabei, diese Features und noch mehr kann man bei der BMW dazu bestellen - muss man aber nicht. Daher liegt der Grundpreis der BMW R 1300 GS zwar unter jenem der KTM, auf die Ausstattung der KTM gebracht, ist die BMW wiederum etwas teurer. Aber nicht so weit entfernt, dass die Preiszettel an den Maschinen für die eine oder die andere ausschlaggebend sein könnten.
"Tja, der erste Test im bereits kalten November offenbart, dass die neue BMW R 1300 GS tatsächlich die beste GS aller Zeiten ist. Die Tugenden, die eine Reiseenduro erfüllen muss, erfüllt sie tadellos und der Motor, der ja auch bei der Vorgängerin schon mit seinem phantastischen Antritt überzeugt hat, wurde noch spritziger und bietet ein breiter nutzbares Drehzahlband. Der mittlerweile „alten“ KTM 1290 Super Adventure S auf und davon fahren kann sie dennoch nicht - weder real, noch im übertragenen Sinn. Denn das Kraftwerk in der KTM kann ebenfalls extrem antrittsstark und spritzig bewegt werden und das Handling ist alles andere als behäbig. Ebenso ist die KTM in Sachen Ausstattung keineswegs abgeschlagen, mit einigen Elektronik-Features bereits ab Werk legt sogar sie die Latte hoch. Ein Kopf an Kopf-Rennen also in dem es auf jeden Fall einen Sieger gibt - den zahlungskräftigen Käufer!"
VAULI
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Fazit: KTM 1290 Super Adventure S 2024
Die KTM 1290 Super Adventure S ist alles andere als ein altes Eisen. Der Euro5-Motor glänzt nach wie vor unfassbar mit seinen 160 PS und dem argen Drehmoment von 138 Newtonmeter. Die verfeinerte Elektronik sorgt für eine noch geschmeidigere Fahrbarkeit, was aufgrund des herrlich agilen Handlings in sehr viel Spass beim Kurvenräubern mündet. Doch auch für Komfort-Freaks und all jene, die Wert auf die Reisequalitäten dieser Motorradgattung legen, hat die neue SA S einiges zu bieten. Ein nettes, serienmässiges Feature ist der adaptive Tempomat ACC, der selbständig den Abstand zum Vordermann einhält - und richtig gut funktioniert. Empfehlenswert ist in jedem Fall der Quickshifter+ oder gleich das allumfassende TechPack - bei dem Grundpreis fallen knapp 1000 Euro Aufpreis dann auch nicht mehr so stark ins Gewicht.- sehr sportliches, aber auch kultiviertes V2-Kraftwerk
- trotz hohem Gewicht äusserst spielerisches Handling
- bequeme, fahraktive Sitzposition
- gute Bremsen inklusive Kurven-ABS
- umfangreiches Elektronik-Paket
- adaptive Cruisecontrol ACC
- übersichtliche, gut strukturierte Armaturen mit riesigem 7 Zoll-Display
- Schaltassistent und andere Features aufpreispflichtig
- eigenwillige Optik
- straffe Sitzbank
VAULI
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Fazit: BMW R 1300 GS 2024
BMW hat sich für die neue R 1300 GS viel Zeit genommen. Das Motorrad wirkt wirklich neu, fährt anders als bisherige Modelle und präsentiert sich trotzdem sehr ausgereift. Hier steckt wahnsinnig viel Reiseenduro-Knowhow mit drinnen. Das Motorrad wird in der Praxis Fahrern anderer Marken leichter zugänglich gemacht und sportliche Piloten werden das neue Chassis sowie den nun agiler drehenden Motor schätzen. Die Möglichkeiten zur Individualisierung sind nach wie vor höchst umfangreich - die Bandbreite der Möglichkeiten ist sogar grösser als je zuvor. Wer möchte, kann sich einerseits eine wirklich kompakt wirkende „Enduro“ konfigurieren, während auf der anderen Seite ein luxuriöser Dampfer aufgebaut werden kann.- kräftiger Motor mit atemberaubend gutem Ansprechverhalten
- tolle Traktion
- sehr stabiles Fahrverhalten, trotzdem agil und kurvenfreudig
- praxistaugliche Konfigurationsoptionen
- Handschützer mit überraschend gutem Windschutz
- in minimaler Ausstattung wirkt das Motorrad kompakter und sportlicher als bisher
- gut integrierter (optionaler) Radartempomat
- leicht verständliches Bedienkonzept
- gut ablesbares Display
- vielfältige Möglichkeiten zur Anpassung der Ergonomie
- kräftige Bremsen
- präzises Getriebe
- trotz hohem Drehmoment sehr zugängliches Fahrverhalten
- Fahrwerk zwar auf hohem Niveau, jedoch kein makelloses Ansprechverhalten und kein breiter Einstellbereich
- Front Collision Warner (FCW) löst bei sportlicher Fahrweise Fehlalarme aus
- ABS System gibt bei sportlicher Fahrweise zu viel Rückmeldung in den Bremshebel
Bericht vom 17.11.2023 | 34’664 Aufrufe