Bruderduell: Suzuki V-Strom 800 vs. V-Strom 800 DE

Welche V-Strom 800 ist für wen die richtige Wahl?

Erst kam die DE mit 21-Zoll-Vorderrad und voll einstellbarem Fahrwerk, ein Jahr später die etwas "abgespeckte" strassenorientierte 19-Zoll-Variante. Suzuki schwamm damit bei der V-Strom 800 ein klein wenig gegen den Strom, wird doch üblicherweise das besser ausgestattete Top-Modell eher nachgereicht. Wir sind beide mittlerweile ausgiebig gefahren und haben uns die Unterschiede nicht nur auf dem Datenblatt angesehen, sondern vor allem, wie sie sich im Sattel der Motorräder anfühlen.

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Dieser Motor kann gar nicht genug Modellvarianten bekommen

Das Prunkstück ist bei beiden V-Stroms dasselbe: Der fürs Modelljahr 2023 neu entwickelte 776-Kubik-Reihenzweizylinder, der ja auch das Naked Bike GSX-8S oder den Sportler GSX-8R antreibt. Und dieser Motor kann eigentlich gar nicht genug Modellvarianten bekommen! Mit seinem 270-Grad-Hubzapfenversatz und der daraus resultierenden Zündfolge ähnelt er vom Charakter einem V2 und fühlt sich beim Fahren insgesamt stärker an, als die 84 PS, die ihm in den Reiseenduros bei 8.500 U/min zur Verfügung stehen. Die 78 Newtonmeter Drehmoment, die bei 6.800 Touren anliegen, verpassen ihm jene fast allgegenwärtige Präsenz, die man gerade auf der Reise schätzen wird, ab 2.000 Umdrehungen ruckelt da gar nichts. Unterstützt wird der Fahreindruck vom präzisen Getriebe und einem in beiden Modellen serienmässigen Quickshifter, der keine Vergleiche zu scheuen braucht und einem ein Grinsen unter den Helm zaubert. Selbstverständlich sind auch das Suzuki Easy Start System und der Low RPM Assistant mit an Bord: Das eine ermöglicht das Anlassen des Motors auch ohne Betätigen der Kupplung mit einem kurzen Druck auf den Startknopf, das andere erhöht die Drehzahl bei untertourigem Fahren automatisch, um ein Absterben des Motors zu verhindern.

Sportlichere Sitzposition für aktiveres Fahren auf der Strasse

Aber damit ist auch auch schon fast wieder vorbei mit den Gemeinsamkeiten, sieht man vom recht intuitiv zu bedienenden 5-Zoll-TFT-Farbdisplay ab. Schon beim Aufsitzen werden die Unterschiede deutlich. So ist bei der mit einem 19-Zoll-Vorderrad ausgestatteten V-Strom 800 die Sitzhöhe mit zugänglichen 825 Millimeter um drei Zentimeter niedriger als bei der DE, die ja auf einem 21-Zoll-Vorderrad daher rollt, die Sitzposition insgesamt sportlicher. Dies wurde erreicht, in dem die Fussrasten gegenüber der DE um 14 Millimeter nach hinten und 7 Millimeter nach oben gerückt wurden, dazu ist der schmälere Lenker niedriger (13 Millimeter) und weiter nach vorne (23 Millimeter) platziert als jener der DE. So sitzt man mehr im als auf dem Motorrad, das satter auf der Strasse liegt, lässt sich die V-Strom 800 spielerisch auch durch engstes Winkelwerk zirkeln - hier hat sie doch doch Nase vorne, obwohl sich auch die DE keineswegs träge anfühlt.

Das bessere Fahrwerk steckt in der DE

Ist die 800er deshalb aber auch wirklich das bessere Motorrad auf der Strasse? Jein. Denn bei sportlicher Fahrweise, die bei beiden Modellen ein wenig durch die überschaubare Schräglagenfreiheit eingebremst wird, was nichts anderes heisst, als dass man sich an das Kratzen der Rasten-Angstnippel gewöhnen wird müssen, kommt auch das Fahrwerk ins Spiel. Und da bietet jenes voll einstellbare der DE doch ein Mehr an Präzision bzw. Möglichkeiten, es sich auf die individuellen Bedürfnisse zu adaptieren. Bei der 800er ist das Fahrwerk auf der weicheren Seite, die Gabel lediglich in der Vorspannung einstellbar, am Federbein lassen sich Vorspannung (mittels praktischem Handrad) und Zugstufe justieren. Für nicht zu schwere Piloten, die auch nicht ständig mit dem Messer zwischen den Zähnen unterwegs sind, wird das ausreichen, zu zweit und/oder beim sportlichen Andrücken gerät das Fahrwerk aber doch bald an seine Grenzen. Performant sind die Bremsen, die bei der strassenorientierteren 800er etwas bissiger zu Werke gehen und das Motorrad gut verzögern.

Sobald es von der Strasse runter geht, hat die DE deutlich die Nase vorne

Aber was eine Reiseenduro sein will, will auch über unbefestigte Wegen gefahren werden - und sobald es von der asphaltierten Strasse runter geht, hat die DE deutlich die Nase vorne. Mit ihren 220 Millimeter Federweg werden Unebenheiten wie nix weggebügelt, die Bodenfreiheit von ebenfalls 220 Millimeter ist gegenüber den 185 Millimeter der 880er im Gelände klar im Vorteil. Natürlich kann man auch mit der V-Strom 800 Offroad fahren, mit der DE geht dies aber einfach flotter und somit entspannter von statten. Das 21-Zoll-Vorderrad, übrigens mit Speichenfelgen gegenüber den Gussrädern der Schwester, rollt ruhiger über Hindernisse hinweg, die 150 Millimeter Federweg der 800er geraten da weit früher an ihre Grenzen: Gehts mit der flotter über den Schotter, neigt das Fahrwerk schon mal zum Durchschlagen. Das (zweistufige) ABS lässt sich übrigens nur bei der DE am Hinterrad deaktivieren, auch der Gravel-Mode der (dreistufigen) Traktionskontrolle ist der DE vorbehalten. Die mit 230 Kilo vollgetankt freilich alles andere als ein Leichtgewicht ist, auch wenn man es ihr beim Fahren kaum anmerkt, im Fall des Falles aber dann doch Schweissperlen produzieren wird. Die V-Strom 800 bringt 223 Kilo auf die Waage.

Für wen ist nun welche V-Strom 800 die bessere Wahl?

Gute Alltagsmotorräder sind sie beide, auch bereit für die grosse Tour, wofür man im Zubehör jede Menge Ausstattung findet. Der Windschutz ist ab Werk bei der mit dem grösseren Schild ausgestatteten 800er deutlich besser, dies lässt sich aber rasch tauschen, Tempomat ist für beide (noch?) keiner Verfügbar, was bei Reisemotorrädern schade und mit Ride by Wire an Bord schwer nachvollziehbar ist. Wer regelmässig und auch engagierter die Strasse verlassen will, wird mit der 800 DE auf Sicht mehr Freude haben, allerdings mit in Österreich 12.590 Euro auch um 1.100 mehr ausgeben müssen, als für die V-Strom 800, mit der man wirklich auch schon viel Motorrad fürs Geld bekommt. Und die mit ihren 19/17-Zoll-Rädern ja eigentlich die echte V-Strom ist, wenn man die Modell-Historie betrachtet. Inklusive mehr Agilität auf der Strasse, wobei sich hier die DE ebenfalls nicht verstecken muss.

Bericht vom 20.08.2024 | 10'581 Aufrufe

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