KTM 990 Super Duke 2006 vs. KTM 1390 Super Duke R EVO 2024
Wann wurden wir unersättlich?
Extreme Motorräder im Lauf der Zeit. Beinahe 20 Jahre trennen die beiden KTM Super Duke Modelle. Wie geht das Duell aus?
Zwei Motorräder, zwei Jahrzehnte, zwei Welten
Zwischen 2006 und 2024 hat sich unsere Welt dramatisch verändert. 2006 war ein Jahr, in dem Smartphones gerade erst ihren Durchbruch erlebten, soziale Medien in den Kinderschuhen steckten und die globale Vernetzung noch nicht das heutige Ausmass erreicht hatte. Der technologische Fortschritt hat seither nahezu jeden Aspekt unseres Lebens revolutioniert, von Kommunikation und Arbeit bis hin zu Freizeit und Mobilität.
Diese rasanten Veränderungen haben auch die Motorradbranche tiefgreifend beeinflusst. Innovationen in der Motorentechnik, Fahrwerkstechnologie und Elektronik haben das Motorradfahren sicherer, effizienter aber auch berechenbarer gemacht. Während Motorräder 2006 noch durch mechanische Finesse glänzen mussten, steht den Entwicklern 2024 eine ganze Armada an Highend-Systeme und -Technologien zur Verfügung, die das absurde Leistungsniveau, das Naked Bikes erreichen sicher fahrbar machen. Können beide Welten parallel existieren? Haben sie gleichermassen eine Daseinsberechtigung? Vor dem Hintergrund dieser Überlegungen haben sich Zonko und ich in einen spannenden Vergleichstest gestürzt.
KTM 990 Super Duke 2006 vs. KTM 1390 Super Duke R / EVO 2024: Leistung und Motor
KTM 990 Super Duke 2006
Die KTM 990 Super Duke war 2006 mit ihrem 999-ccm-V2-Motor und 120 PS ein wahres Kraftpaket. Der Motor zeichnet sich immer noch durch seine raue und unkultivierte Charakteristik in niederen Drehzahlregionen aus,, zeigte sich aber beim flotten Landstrassenfahren überraschend seidig mit guter Gasannahme und auch nach heutigen Massstäben gelungenem Durchzug. Auch nach 18 Jahren und über 36.000 Kilometern überzeugt der Motor noch immer durch seine Leistung. Garniert wird die Performance durch den markanten, aber auf Dauer zu lauten Klang der nachgerüsteten Mivv-Auspuffanlage.
KTM 1390 Super Duke R / EVO
Die 2024er KTM 1390 Super Duke R EVO hebt die Leistung auf ein neues Level. Mit einem vergrösserten LC8-V-Twin-Motor und 1.350 ccm Hubraum liefert sie beeindruckende 190 PS bei 10.000 U/min und 145 Nm Drehmoment bei 8.000 U/min. Die variable Ventilsteuerung und das neue Cam-Shift-System sorgen im Vergleich zur Vorgängerin für 10 PS Mehrleistung und Einhaltung der Euro 5+ Abgasnorm. Trotz der enormen Leistung zeigt sich der Motor im unteren Drehzahlbereich bemerkenswert kultiviert und zugänglich, was ein angenehmes Fahrerlebnis selbst in Ortschaften ermöglicht. Im 4. Gang mit 50 km/h am stark befahrenen Seeufer entlangzuckeln? Kein Problem! Diese Übung geht der 990 Super Duke aus 2006 nicht ganz so leicht von der Hand. Auch in puncto Verbrauch lässt die 1390 Super Duke R EVO ihre Urahnin im wahrsten Sinne des Wortes alt aussehen: Während sich der 999-ccm-V2-Motor der 990 Super Duke gut und gerne 10 Liter auf 100 km genehmigt, reichen dem 1.350-ccm-V2 in der Regel 5 Liter. Hier und bei den emittierten Abgasen und Schadstoffen ist vermutlich der grösste Entwicklungsschritt gesetzt worden.
Fahrwerk und Bremsen KTM 990 Super Duke 2006 vs. KTM 1390 Super Duke R / EVO 2024
Das Fahrwerk der 990 Super Duke arbeitet auch nach heutigen Massstäben tadellos. Die voll einstellbaren WP-Komponenten bieten ein sauberes Ansprechverhalten und eine gelungene Balance zwischen Komfort und Performance. Die erste Super Duke ist dabei eindeutig für die Anforderungen beim (flotten) Landstrassenritt ausgelegt. Die Bremsanlage, bestehend aus Brembozangen und 320-mm-Scheiben vorne, sorgt für sehr solide Verzögerung, muss sich allerdings im direkten Duell der feinen Ware auf der 2024er Super Duke geschlagen geben.
Fahrwerksunterschiede: KTM 1390 Super Duke R vs. KTM 1390 Super Duke R / EVO
In unserem dreitägigen Testprogramm hatten wir die Gelegenheit beide Varianten der KTM 1390 Super Duke zu bewegen, die R und die R EVO. Die KTM 1390 Super Duke R nutzt die neueste Generation der WP-Apex-Komponenten. Die vordere 48er-Upside-down-Telegabel und das Zentralfederbein hinten sind beide voll einstellbar, wobei das hintere Federbein sogar separate Einstellungen für "Highspeed" und "Lowspeed" bietet. Die Federwege betragen 125 Millimeter vorne und 140 Millimeter hinten.
Die EVO-Variante der 1390 Super Duke R zeichnet sich durch ein semi-aktives Fahrwerk aus, erkennbar an den blauen Gabelmanschetten. Sie bietet die neueste, dritte Generation WP Semi-Active Technology mit fünf Fahrwerksmodi: "Auto", "Comfort", "Rain", "Street" und "Sport". Optional erhältlich sind die Modi "Track" und "Pro", wobei letzterer zusätzlich einen automatischen Beladungsausgleich bietet. Das EVO-Fahrwerk hat zudem eine Anti-Dive Funktion und eine Factory-Start-Option, bei der das Heck für mehr Traktion beim Start abgesenkt wird.
Die Unterschiede zwischen der Standard 1390 Super Duke R und der EVO-Version sind signifikant. Während die Standardversion ein traditionelles, aber hochwertiges voll einstellbares Fahrwerk bietet, hebt die EVO-Variante die Performance dank semi-aktiver Technologie auf ein neues Niveau. Diese erlaubt es dem Fahrer, das Fahrwerk per Knopfdruck-Einstellungen direkt aus dem Sattel an verschiedene Fahrbedingungen anzupassen. Die zusätzlichen Modi und Funktionen der EVO-Version, wie der automatische Beladungsausgleich und die Anti-Dive Funktion, bieten eine Flexibilität und Performance, die man in der Praxis schnell zu schätzen lernt und schnell nicht mehr missen möchte. Auch die Standardversion bietet ein tolles Fahrwerk, doch wie so oft ist das Bessere der Feind des Guten. Verglichen zur alten Super Duke, bieten jedoch beide 1390er Modelle fahrwerksseitig einen massiven Mehrwert. Alljene die die Landstrasse gerne hinter sich lassen um ein paar Turns auf der Rennstrecke zu drehen, sind hier eindeutig besser aufgehoben.
KTM 990 Super Duke 2006 vs. KTM 1390 Super Duke R / EVO 2024: Ergonomie und Sitzposition
Die 990 Super Duke bietet eine aufrechte und entspannte Sitzposition, die sie der Offroad-Herkunft ihres Rahmens zu verdanken hat. Der breite Lenker und der entspannte Kniewinkel laden zu längeren Fahrten ein. Die Sitzposition kann für kleinere Piloten aufgrund der Sitzhöhe von 855mm herausfordernd sein. Der weiche Sattel ist Geschmackssache, für manche ist es vermutlich der Gipfel des Komforts für andere zu viel des Guten. Bei forscherer Fahrweise vermisst man im Vergleich zur neuen Super Duke den sicheren Halt, da der alte Sattel aus sehr rutschigem Material besteht.
Die Ergonomie der 1390 Super Duke R (EVO) verbindet Komfort mit sportlichem Anspruch. Die Sitzposition ist deutlich vorderradorientierter, der breite Lenker sorgt für gute Kontrolle bei niedrigen Geschwindigkeiten. Die Sitzhöhe macht das Biest auch kleineren Fahrern zugänglich. Die moderne Sitzposition und das fortschrittliche Fahrwerk der 1390 Super Duke machen sie vielseitiger als die 990 Super Duke.
Dynamische Fahrt: KTM 990 Super Duke 2006 vs. KTM 1390 Super Duke R / EVO 2024
Die 990 Super Duke von 2006 ist und bleibt ein herausforderndes Motorrad, das auf Fahrspass ausgelegt ist. Gibt man ihr die Sporen, offenbart sie ihr wahres Gesicht. Sie lässt sich immer noch sportlich bewegen, auch wenn sich aufgrund ihrer Konstruktion bei sehr schneller Fahrt Grenzen auftun: Die Kehrseite der oben verliehenen Komfortmedaillie: Die Front kann in schnellen Wechselkurven leicht werden, wodurch das Gefühl fürs Vorderrad verloren geht, diese Intransparenz macht es zu einer schwierigen AUfgabe an der neuen Super Duke dranzubleiben.
Die 1390 Super Duke R (EVO) bietet eine unglaubliche Dynamik auf der Strasse. Die Maximalleistung von 190 PS zwar erst im fünfstelligen Drehzahlbereich an, doch der riesige V-Motor liefert schon aus tieferen Drehzahlen unglaublich viel Drehmoment. Beim Umschalten auf die schärfere Nockenwelle bei rund 6.500 U/Min geht dann die Post ab. Trotz dieses Riesen-Aggregats zwischen den Beinen fühlt sich die 1390er leicht und wendig an. Minimale Impulse des Fahrers werden unmittelbar in Bewegung umgesetzt. Die semiaktive Federung sorgt für ein straffes und direktes Fahrgefühl in jeder Situation. Dynamisch macht KTM hier kaum jemand was vor. Das Handling ist agil, und die Brembo-Bremsen bieten hervorragende Dosierbarkeit und Bremskraft. Die Gesamtabstimmung des Motorrads ist grossartig gelungen.
Preisvergleich heute und damals: KTM 990 Super Duke 2006 vs. KTM 1390 Super Duke R / EVO 2024
Im Jahr 2005 wurde die 990 Super Duke in Österreich zum Preis von 13.890 Euro auf den Markt gebracht. Auf den ersten Blick könnte man zu dem Schluss kommen, die 1390 Super Duke R (EVO) ist damit doppelt so teuer wie die Super Duke 990 damals war. Inflationsbereinigt entspricht die Summe von 13.890 Euro im Jahr 2005 jedoch einem Betrag von rund 23.200 Euro nach heutiger Kaufkraft. Angebote am 1000PS Marktplatz starten für Neufahrzeuge der KTM 1390 Super Duke R bei 21.990 Euro und somit unter dem Niveau des Einführungspreises der ersten Super Duke. Für gut erhaltene Exemplare der 990er Super Duke werden immer noch stolze Summen fällig. Eine Super Duke ist also niemals ein günstiges Vergnügen - ein Biest hat eben seinen Preis.
Test-Fazit: KTM 990 Super Duke 2006 vs. KTM 1390 Super Duke R EVO 2024
Bei aller Nostalgie und persönlicher Wertschätzung für die Ur-Super Duke: Objektiv betrachtet übertrifft die 1390 Super Duke R EVO die 990 Super Duke in allen dynamischen Aspekten. Von der fortschrittlichen Federung über das leistungsstarke Bremssystem bis hin zum brachialen Motor und dem niedrigen Verbrauch hat die 990er hier kein Leiberl. Die allgegenwärtige Elektronik der 1390 suggeriert ein überlegenes Fahrgefühl und bieten in jeder Lebenslage mehr Sicherheit. Die zwei Jahrzehnte Entwicklung waren also nicht umsonst. Dennoch bietet die erste Super Duke auch im Jahr 2024 noch ein tolles Fahrerlebnis. Man bekommt sie mittlerweile für überschaubares Geld. Wenn man auf ein gut gepflegtes Exemplar stösst, kann man damit sicher noch mehrere Jahre Freude im Sattel haben. Für Verächter der modernen Helferlein ist die 990 Super Duke eine grossartige Wahl.
Hinweis: Die Fazits zu den Einzelmodellen wurden aus dem jeweils letzten Einzeltest entnommen.
POKY
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Fazit: KTM 990 Super Duke 2006
Immer noch kann man präzise in den Kurveneingang stechen oder das Bike anstellen. Immer noch kann man jeden Radius spielend und nach Belieben korrigieren. Immer noch macht die Superduke mehr Spass als Gaudi in der Lederhose. Und immer noch kann man es mit ihr mit jedem aufnehmen.- Höchstleistungsgerät
- extremes Potenzial - nicht zur Gänze erreichbar.
- Geometrie
- suboptimaler Fahrkomfort
- Design der Intrumente.
POKY
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Fazit: KTM 1390 Super Duke R 2024
Der Hammer Motor ist sicher eines der grundlegendsten Elemente der neuen 1390 Super Duke R. Es gibt hier keinen anderen Hersteller, der bei einem V2 Motor diese Performance bei gleichzeitiger Laufkultur und Einhaltung aller Abgasnormen hinbekommt. Allein das Triebwerk garantiert schon Fahrspass pur und ermöglicht Power Wheelies bis in den dritten Gang bei gleichzeitig guter Dosierbarkeit. Somit konnte das Beast tatsächlich nochmals nachgeschärft werden und bietet einen enormen Spass auf der Rennstrecke sowie auf der Strasse, auch wenn man sich dort extrem zurückhalten muss, um nicht für immer den Schein abgeben zu müssen.- Bärenstarker V2 mit unerreichter Laufkultur und Dosierbarkeit
- Breites Einsatzspektrum von Landstrasse bis Rennstrecke
- Gute Ergonomie
- Schaltautomat im Teillast etwas ruppig
- TC Regelung auch auf der kleinsten Stufe zu viel
- Fahrwerk der „R“ mit Schwächen für Rennstreckenbetrieb
- Die Gehäuse der Schaltereinheiten am Lenker geben leicht nach und bewegen sich
- Viel aufpreispflichtiges Zubehör wie z.B. Schaltautomat
POKY
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Fazit: KTM 1390 Super Duke R EVO 2024
Die KTM 1390 Super Duke R EVO beweist, dass sie sowohl auf der Rennstrecke als auch im städtischen Alltag eine aussergewöhnliche Figur macht. Ihre beeindruckende Kombination aus Leistung, Komfort und Technologie macht sie zu einer erstklassigen Wahl für Fahrer, die keine Kompromisse zwischen Adrenalin und Alltagstauglichkeit eingehen wollen. Das semiaktive Fahrwerk, die flexible Ergonomie und die fortschrittliche Motorsteuerung stellen sicher, dass dieses Motorrad mit seiner brachialen Leistung stets souverän, spassig und eigentlich auch recht einfach bewegt werden kann. Dieses Gesamtpaket kostet auch nicht wenig, selbst im Vergleich zu anderen Hyper Nakeds. Mit dem grossen V2-Motor und der damit einhergehenden Motorcharakteristik, bietet die 1390 Super Duke R aber auch ein einzigartiges Fahrerlebnis.- Riesen V2 mit endlos Leistung und Druck über das gesamte Drehzahlband, der dank moderner Elektronik dennoch unkompliziert und leicht beherrschbar bleibt
- Sehr potente, gut dosierbare Bremsen
- Sportliche Ergonomie mit Vorderrad-Fokus, welche Hangoff bevorzugt, doch auch drückendes Fahren ermöglicht.
- Semi-aktives Fahrwerk mit tollem Ansprechverhalten und einer breiten Spreizung zwischen Komfort- und Sport-Einstellungen
- Modernste elektronische Systeme mit an Bord
- Schöner Klang von aussen, doch Fahrer bekommt wenig davon mit
- Quickshifter und Co. könnten bei dem hohen Kaufpreis serienmässig mit an Bord sein
Bericht vom 21.08.2024 | 11'319 Aufrufe