Yamaha MT-09 mit oder ohne AMT? Neue Schaltautomatik im Test
Wie schlägt sich die automatisierte Schaltung in der Praxis?
Yamaha hat nun ganz neu ein automatisiertes Schaltgetriebe, das AMT-System, im Programm. Wir haben eine MT-09 mit und eine ohne AMT in der Schweiz durch sämtliche Fahrsituationen und Szenarien gejagt, die einem Motorrad begegnen können. Welches System schlägt sich wo besser?
Erst eine Woche zuvor war Kollege Frankee in Spanien auf der erstmaligen Präsentation der neuen Y-AMT Schalttechnologie von Yamaha. Nun haben wir die MT-09, das erste Motorrad aus Yamahas Modellpalette mit optionalem AMT, schon für einen hausinternen Vergleich ausgeführt. Auf den kurvigen und abwechslungsreichen Strassen der zentralen Schweiz treten zwei MT-09 Schwestern gegeneinander an - eine mit konventionellen Schaltgetriebe und eine mit AMT-System. In verschiedenen Alltagsszenarien und realitätsnahen Situationen müssen sie zeigen, welche Technologie mehr Vorteile bietet.
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Yamaha Y-AMT in der Stadt - Dichter Stop&Go Verkehr
Wir starten unseren Vergleich in Sursee, wo auch das Hauptquartier von Yamaha Schweiz zu finden ist. Die erste Aufgabe ist es, das Stadtgebiet zu verlassen. Das dichte Gedränge und Autokolonnen vor Kreuzungen und Kreisverkehren sind ideal, um die AMT-Technologie in Stop&Go-Situationen zu testen. Zwei GoPros zählen mit, wie oft der Fahrer auf der konventionellen MT-09 den Kupplungs- und Schalthebel auf unserer ca. 20 minütigen Stadtetappe betätigen muss. 29-mal muss Frankee in Summe Hand oder Fuss bewegen.
Auf der AMT MT-09 wiederum spart man sich diesen Vorgang komplett. Im entspannten Automatikmodus "D" schaltet das Motorrad selbstständig und dosiert beim Anfahren und bei langsamen Geschwindigkeiten die Kupplung elektronisch. Das fühlt sich auch natürlich an, die Kupplungsbedienung ist präzise und das Gas fein genug dosierbar, um auch bei dichtem Verkehr kontrolliert dahinzurollen. Anfangs wird man teils noch vom leichten Ruck der Schaltvorgänge überrascht, doch man gewöhnt sich recht schnell daran. Da stört die mangelnde Flexibilität des AMT schon mehr. Manuelle Inputs über die Schalttaster sind auch im Automatikmodus jederzeit möglich, werden aber nicht immer vom System akzeptiert. Zum Beispiel weigert es sich, bei 50 km/h den 4. Gang einzulegen, obwohl dies im manuellen Modus und mit konventionellem Schaltgetriebe problemlos möglich ist. In Summe erhöht das AMT im dichten Stadtverkehr aber durch das Ersparen des Kuppelns den Komfort schon beträchtlich.
Yamaha Y-AMT beim Rangieren und Parken - Die Feinbedienung
Bevor es hinaus in die Weiten der Landstrassen geht, überprüfen wir noch die Feinbedienung der AMT Technologie. Sei es beim Durchschlängeln durch Autokolonnen, engen Rangiermanövern oder dem Einparken unter Platzmangel - hier ist eine maximal präzise Dosierung des Vortriebs gefragt. Wie bei jedem neuen System braucht es etwas Eingewöhnung mit der Gasdosierung des AMT und zum Meistern der Bedienung reicht der eine Tag, den wir mit der AMT MT-09 haben, leider nicht. Dennoch sind wir zuversichtlich, dass unser Testergebnis stimmt.
Wir suchen uns einen unebenen Parkplatz mit groben Pflastersteinen, um das Parkmanöver noch etwas anspruchsvoller zu gestalten. Hierfür reicht die Präzision des AMT absolut, auch wenn es mit manuell kontrollierter Kupplung etwas runder geht. Das kann aber auch nur an der vertrauteren Bedienung liegen. Um endgültig zu klären, welches System sich feiner dosieren lässt, veranstalten wir ein Rennen. Wer es langsamer in gerader Linie über den Parkplatz schafft, gewinnt. Das Ergebnis ist eindeutig: Das AMT-System mag während der ersten paar Grad Drehung am Gasgriff sanft und kontrolliert Leistung ans Hinterrad schicken, aber kein Vergleich zur manuellen Kupplung. Frankee schiebt sich mit der konventionellen MT-09 nur wenige Millimeter vorwärts, während mich das AMT mit jedem Gasstoss schnell mehrere Zentimeter nach vorne versetzt. Wer maximale Kontrolle über sein Motorrad haben möchte, greift also lieber zur normalen Getriebetechnologie.
Yamaha Y-AMT bei gemütlicher Landstrassenfahrt
Endlich freie Fahrt auf der Landstrasse, wo wir es zuerst einmal gemütlich angehen. In den unteren Drehzahlen und bei geringeren Geschwindigkeiten, wie etwa im Stadtverkehr, fällt der automatisierte Schaltvorgang der Yamaha MT-09 mit dem Y-AMT-Getriebe deutlicher auf. Besonders beim langsamen Fahren ist das Schalten spürbar, was teilweise zu einem etwas ruckartigen Fahrerlebnis führen kann. Auf der Landstrasse hingegen, wenn man entspannt und gleichmässig unterwegs ist, verringert sich diese Spürbarkeit erheblich. Hier wird das Schalten als deutlich sanfter und fliessender wahrgenommen, sodass der Fahrer kaum merkt, dass ein Gangwechsel stattfindet. Das sorgt insgesamt für ein angenehmes Fahrgefühl, das sich besonders bei gemächlichem Cruisen positiv bemerkbar macht.
Allerdings fällt auf, dass das Y-AMT-Getriebe beim Fahren auf Landstrassen auch seine Tücken hat. Egal ob im D- oder D-Plus-Modus, das Motorrad zeigt manchmal eine gewisse Trägheit beim Herunterschalten, was vor allem in Kurven problematisch sein kann. Es kommt vor, dass der Schaltvorgang mitten in der Kurve erfolgt, was den Fahrer aus dem Fluss bringen und irritieren kann. Auch wenn man eher entspannt und nicht sportlich unterwegs ist, sollte man stets darauf vorbereitet sein, dass das Motorrad in unerwarteten Momenten schaltet. Ist man jedoch darauf eingestellt, lässt es sich mit dem AMT herrlich geschmeidig und mühelos dahincruisen.
Yamaha Y-AMT beim Überholvorgang
Beim Überholen auf der Landstrasse zeigt das Y-AMT-Getriebe der Yamaha MT-09 durchaus seine Stärken, insbesondere wenn man abrupt am Gas dreht. In solchen Momenten reagiert das System schnell und schaltet sofort einen Gang herunter, was dem Fahrer den nötigen Schub für ein Überholmanöver gibt. Diese direkte Reaktion ist zwar positiv, dennoch bleibt eine gewisse Unsicherheit bestehen, da der Fahrer nicht immer genau weiss, wie stark das System herunterschaltet oder in welchem Gang man sich letztlich befindet. Das kann in kritischen Situationen, in denen Präzision und Kontrolle gefragt sind, zu einem etwas unvorhersehbaren Fahrerlebnis führen.
Um diese Unsicherheit zu umgehen, empfiehlt es sich, den Seesaw-Switch zu nutzen und manuell zu schalten sowohl im D-Modus als auch im sportlicheren D-Plus-Modus. Hierbei zeigt sich jedoch ein weiteres Problem: Die Flexibilität in diesen Modi ist begrenzt, da das Motorrad nicht so tief herunterschaltet, wie es in einem rein manuellen Modus möglich wäre. Vor allem bei sportlicheren Überholmanövern wäre ein tieferes Herunterschalten sinnvoll, um mehr Kontrolle und Power zu haben. Daher empfiehlt es sich, bei gemächlicheren Überholmanövern im D-Modus selbst zu schalten, während bei sportlicheren Fahrten der manuelle Modus die bessere Wahl sein könnte, um das volle Potenzial des Motorrads auszuschöpfen. Wie auch Yamahas Schaltassistenten der dritten Generation, lässt es auch das AMT System zu, dass man mit offenem Gas herunterschaltet und bei geschlossener Drosselklappe in höhere Gänge wechselt.
Yamaha Y-AMT beim bergab Fahren
Das Bergabfahren mit der Yamaha MT-09 und dem Y-AMT-Getriebe ist ein spannendes Thema, da Automatikgetriebe oft unvorhersehbar wirken können, insbesondere in solchen Situationen. Erfreulicherweise hat Yamaha hier eine beeindruckende Lösung gefunden: Das Motorrad hält den gewählten Gang bei, auch wenn dieser hochtourig ist, sobald es bergab geht. Dies sorgt dafür, dass die Motorbremse aktiv bleibt, was besonders im D- oder D-Plus-Modus ein sicheres und kontrolliertes Herunterfahren ermöglicht. Obwohl das System den Bergabfahrtswinkel erkennt, kann es dennoch notwendig sein, manuell einen oder zwei Gänge herunterzuschalten, um mehr Kontrolle zu haben.
Für noch mehr Sicherheit und Konstanz, besonders in Situationen, in denen man kurzzeitig Gas geben muss etwa beim Herausfahren aus Kurven , besteht die Möglichkeit, dass das Getriebe automatisch hochschaltet. Um dies zu vermeiden, empfiehlt es sich, beim Bergabfahren für kurze Zeit in den manuellen Modus zu wechseln. Dadurch bleibt das Motorrad im gewählten Gang, ohne selbstständig zu schalten, was dem Fahrer eine maximale Kontrolle über die Gangwahl und die Motorbremse gibt. Insgesamt ist das System aber so ausgelegt, dass man auch im Automatikmodus sicher und entspannt bergab fahren kann, solange man gelegentlich manuell nachjustiert.
Sportliches Beschleunigen mit der Yamaha Y-AMT Schaltautomatik
Wer beschleunigt auf der MT-09 eigentlich schneller? Der Mensch mit Quickshifter, oder doch der Computer mit AMT? Ein sportlicher Parallelstart soll es zeigen. Wir starten nebeneinander mit ident eingestellter Elektronik und beschleunigen auf 80 km/h. Dies wiederholen wir drei mal, um etwaige Unterschiede zwischen den beiden Automatikmodi, D und D+, und dem manuellen Modus des AMT festzustellen. Das Ergebnis: Keinerlei Beschleunigungsunterschiede feststellbar. Man merkt, dass das AMT System auf sportliche Fahrt ausgerichtet ist. Selbst im gemütlichen D-Modus versteht das System, dass es bei stark geöffnetem Gas den Gang für maximale Beschleunigung ausdrehen und das gesamte Drehzahlband nutzen soll. Wird der erste Gang voll ausgenutzt, braucht es in dem Geschwindigkeitsbereich gar keinen Schaltvorgang, beide MT-09 Bikes ziehen also gleich schnell davon.
Yamaha Y-AMT Vorteile bei sportlicher Kurvenfahrt
Die Auslegung auf eine sportliche Fahrweise ist auch spürbar, sobald wir kurvige Strassen in Angriff nehmen und es etwas fliegen lassen. Denn beide Automatikmodi schalten beim weiten Öffnen der Drosselklappe in eine Art Sporteinstellung und drehen dann die Gänge schön aus. Dabei fühlen sich D-Modus und D+ sehr ähnlich an. Der grösste Unterschied ist, wie lange es nach der letzten stärkeren Öffnung des Gasgriffs dauert, bevor die Automatik hochschaltet. Beide Modi schalten aber natürlich genug, dass man ohne Probleme und Störungen sportlich durch die Radien ziehen kann. Wünscht man sich doch einen anderen Gang, kann man manuellen Input geben und das System bleibt auch in diesem Gang, bis sich Beschleunigungszustand, Geschwindigkeit oder Drosselklappenstellung in grösserem Mass ändern. Klingt kompliziert, funktioniert aber in der Praxis recht intuitiv.
Im manuellen Modus hat man sowieso die Schaltung selbst im Griff und kann, wie das heute bei vielen Autos mit Schaltwippen auch der Fall ist, über die Schalter am linken Lenkerende nach eigenem Gutdünken blitzschnell durch die Gänge jagen. Die Gangwechsel gehen dabei extrem schnell und sportlich vonstatten, was in Kombination mit dem herrlichen CP3-Dreizylindermotor der MT-09 grosse Freude im Winkelwerk bereitet. Die Seesaw-Schalter könnten aber etwas mehr haptisches Feedback liefern, denn bei unpräziser Handpositionierung kann es durchaus passieren, dass man mit dem Daumen unabsichtlich herunterschaltet und dabei die Berührung bzw. Betätigung des Schalters durch den Handschuh nicht einmal spürt. Anfangs zuckt auch der linke Fuss mehrfach zum nicht vorhandenen Schalthebel, es braucht hier also wieder eine Umgewöhnung. Das System funktioniert aber in Summe sehr gut.
Spezialszenario: Notbremsungen mit dem Yamaha Y-AMT
Beim Testen, wie sich das AMT-System beim sportlichen Bremsen verhält, ist uns eine interessante Eigenschaft der Technologie aufgefallen. Im Falle einer Notbremsung, bei der sehr abrupt bis zum Stillstand gebremst wird, kommt das AMT nicht mit dem automatischen Runterschalten der Gänge nach. Stattdessen wird die Kupplung elektronisch getrennt, das Motorrad stirbt also nicht ab, und im Stand schaltet das AMT die Gänge herunter. Das führt zu der fast schon komischen Situation, dass man nach der Bremsung still steht, das Motorrad aber unter einem leicht ruckt und Gang für Gang einlegt.
Zusammenfassung: Vor- und Nachteile des automatisierten Y-AMT Schaltgetriebes von Yamaha
Das AMT bietet durch die elektronische Steuerung der Kupplung Komfort-Vorteile in der Stadt und ermöglicht durch das automatische Schalten der Gänge sehr entspanntes Cruisen. Dem System würde aber mehr Flexibilität bei manuellen Eingriffen in den Automatikmodi gut tun. Im sportlichen Betrieb bietet die MT-09 mit AMT-Getriebe viel Fahrspass und eine Erfahrung, die vielen von Autos mit Schaltwippen bekannt sein wird. Das System funktioniert in diesem manuellen Modus eigentlich einwandfrei. Nur die Haptik der Schalter könnte man noch etwas transparenter gestalten, doch das ist schon Jammern auf sehr hohem Niveau. Wer in der Stadt mühelos dahincruisen und gleichzeitig im Winkelwerk blitzschnell durch Gänge knallen möchte, sollte sich das AMT-System von Yamaha näher ansehen. Mit einem Aufpreis von ca. 500 € ist die neue Technologie auch nicht übermässig teuer und auf vergleichbarem Preisniveau, wie das ähnliche E-Clutch System von Honda.
GREGOR
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Fazit: Yamaha MT-09 Y-AMT 2024
Yamahas neues automatisiertes Schaltgetriebe in der MT-09 bietet eine interessante Alternative zum manuellen Schalten. Im "AT"-Modus wird das Fahren besonders im Stadtverkehr durch automatisiertes Kuppeln erleichtert, während der "MT"-Modus Fahrspass und Sportlichkeit bewahrt. Der Leerlauf befindet sich jetzt an erster Stelle, gefolgt von den Gängen 1 bis 6, was sanftere Schaltvorgänge ermöglicht. Zwar erfordert die Y-AMT-Technologie etwas Eingewöhnung und es gibt Einschränkungen, wie das fehlende „Gleiten“ durch Ziehen der Kupplung, dennoch bleibt das Fahrgefühl dynamisch.- Erleichtertes Fahren im Stadtverkehr
- Bewahrt sportliches Fahrgefühl im „MT“-Modus
- Sanfte Schaltvorgänge durch neue Anordnung der Gänge
- Keyless Ride inklusive
- Eingewöhnungszeit erforderlich
- Kein "Gleiten" durch Kupplung vor Kurven
- System könnte im Automatik-Modus "gehorsamer" bzw. flexibler sein.
- Dosierung des Vortriebs nicht so präzise möglich, wie mit konventioneller Kupplung
- Zusätzliche Kosten von 500 EUR
Bericht vom 30.10.2024 | 7’912 Aufrufe