Südamerika Tour

Abenteuer Südamerika von Joe Pichler. Von der Küste Venezuelas bis in die Bergwelt Perus. Ein erster Zwischenbericht.

Manana (morgen), das Wort aus meinem ohnehin beschränkten Spanisch-Wortschatz, das ich schon nicht mehr hören kann. Der Zoll am Flughafen von Caracas raubt mir nicht nur die letzten Nerven, sondern reisst auch ein ordentliches Loch in meine Reisekassa. Gar nicht so einfach eine Motorrad nach Venezuela zu bringen. Aber nach 2 Tagen ist es geschafft, alle Formalitäten sind erledigt. I'm on the road again.
Hier in Venezuela, macht das Motorradfahren noch richtig Spass. Kurvige, steinige Pisten entlang der Küste oder gut ausgebaute Fernstrassen im Landesinneren. Und dazu ein einzigartiger Benzinpreis.
17,6 Liter kosten 1706 Bolivares, das sind 57 Cent, und entspricht sage und schreibe 3 Cent je Liter. Kein Wunder, dass hier noch so viele uralte Amischlitten herumfahren, die mindestens 25 Liter auf 100 km brauchen. In der einzig offenen Bar in Chichiriviche treffe ich dann Raoul Jose. De donde vas? Von wo kommst du, ist seine Frage. De Austria. Meine Antwort. Natürlich kennt Raoul Jose Australia, das Land mit den vielen Kängurus. Nach dem dritten Bier hat er es dann endlich begriffen, ich bin nicht aus Australia sondern aus Austria!
Er kennt dann nicht nur Österreich, sondern sogar 2 Österreicher, Adolf Hitler und Arnold Schwarzenegger. Werde mal mit dem Aussenministerium sprechen müssen, eine etwas besseres Image hätte sich die Heimat meiner 990 Adventure schon verdient.


Nun geht es weiter in die KTM Hochburg Kolumbien

Das Meer hat 28°C, kilometerlange Sandstrände fahre ich mit dem Motorrad entlang. Eine frisch gefangene Languste kostet 10 Euro und das Bier ist eisgekühlt. In den Bars von Cartagena geht es erst ab Mitternacht so richtig los, dafür dauert es dann bis in den frühen Morgen. Wie die Einheimischen im Tu Candela Salsa tanzen ist unbeschreiblich. Nur eines ist klar, in Österreich würde man sie sofort wegen unzüchtiger Handlungen in der Öffentlichkeit einsperren.
Eigentlich sollte man ja in Kolumbien aus Sicherheitsgründen die Hauptstrassen nicht verlassen. Aber es macht keinen Spass nur auf der bestens ausgebauten Panamericana Richtung Süden zu sausen. In Carmen de Bolivar biege ich ins Gebiet des Rio Magdalena ab. Hier gibt es keine asphaltierte Strassen mehr, auf schlammigen Pisten geht es weiter, da habe ich wenigstens meine Pirelli MT21 nicht umsonst montiert. Nach Auskunft des Hotelchefs in Momboz soll es noch vereinzelt Guerilla in der Gegend geben. Er meint aber: Ich soll mir keine Gedanken darüber machen, mit meiner 990 Adventure bin ich so schnell, dass sie mich ohnehin nie erwischen würden.
Juan Vela ist der KTM Importeur für Kolumbien, und er zeigt mir Bogota auf seine Art. Mit über 100km/h rasen wir durch den dichten Stadtverkehr. Autoslalom auf Kolumbianisch. Mit einem breiten Grinsen sagt Juan, eine KTM ist das einzige Fahrzeug mit dem auch Stadtfahren noch Spass macht. Die Auskunft über die Sicherheitslage im Süden des Landes ist nicht gerade aufbauend. Eine Mitarbeiterin der öster. Botschaft rät mir definitiv davon ab, mit dem Motorrad südlich von Cali weiterzufahren. Ich soll entweder fliegen oder mit dem Schiff fahren. Juan sagt jedoch, es ist kein Problem, solange ich nicht in der Nacht fahre und auf den Hauptstrassen bleibe.
Mein Plan von Popayan nach San Agustin zu fahren ist aber leider nicht durchführbar. Die Piste führt durch Guerillagebiet. Kolumbien hält einen traurigen Weltrekord. 2005 gab es 4000 Entführungen, das sind 11 pro Tag. Da ich nicht ein Teil dieser makabren Statistik sein möchte, geht es auf der Panamericana weiter nach Ecuador.


In Mariscal in Quito treffe ich in einer Stunde mehr Touristen als in Kolumbien in 3 Wochen. Eine Reiseagentur neben der anderen, haufenweise Internetcafes und dazu unzählige Bars und Restaurants wo mein sein Geld loswerden kann. Bevor ich hier meine gesamte Reisekassa verprasse mache ich mich lieber auf den Weg in den Dschungel. Aber zuerst geht es auf den 4064 Meter hohen Papallacta Pass. Es ist eisig kalt und mein Dank gilt dem Erfinder der Heizgriffe die auf meiner KTM montiert sind. Ab der Passhöhe geht es nur mehr abwärts. Mit jeder Kehre wird es wärmer, vor mir liegt der tropische Regenwald des Amazonasgebietes. Aber die Region Ornella ist auch das Hauptölfördergebiet Ecuadors. Wie riesige Würmer winden sich die Pipelines durch die Landschaft. Und ausgerechnet hier, mitten unter den Ölbohrtürmen gibt es kein Benzin. Seit Tagen bereits sind alle Tankstellen trocken. Manana, morgen soll der ersehnte Tankwagen kommen. Für den Ausflug in die Laguna Limoncocha brauche ich aber keinen Benzin, das kleine Kanu wird mit reiner Muskelkraft betrieben. Bei einer Fischerfamilie finde ich für 3 Tage eine Unterkunft. Das Fischen nicht zu meinen Stärken zählt habe ich schon immer gewusst. Nur dass nach einer Stunde erst 3 mickrige Piranhas angebissen und mir 20 andere den Köder weggefressen haben, ist schon deprimierend. Aber es gibt ja noch Ronaldo, er hat mit dem Speer einen Prachtkerl erwischt und das Abendessen ist gesichert.



In Quito ist es nun auch vorbei mit der grossen Freiheit, meine Frau Renate kommt mit dem Flugzeug, und wird mich den Rest der Reise bis ans Ende der Welt begleiten. Um ihr den Einstieg in die Reise möglichst angenehm zu gestalten, machen wir zuerst mit der Free Enterprise für 5 Tage die Galapagos Inseln unsicher. Schnorcheln mit Seelöwen, Schildkröten und Haien. Leguane zum Angreifen nahe. Nach 5 Tage am Schiff bin ich trotzdem wieder froh, auf zwei Rädern unterwegs zu sein. Vorbei an Cotopaxi und Chimporazo geht es Richtung Süden, bis zum Tungurahua. Am 16. August 2006 ist der 5023 Meter hohe Vulkan zum letzten mal ausgebrochen und hat Dörfer und Strassen zerstört. Die Strasse am Fusse des Berges ist offiziell gesperrt, kann aber auf eigene Gefahr befahren werden. Die Strasse ist faktisch nicht mehr vorhanden, ganze Streckenabschnitte wurden im August in die Tiefe gerissen und müssen immer wieder notdürftig repariert werden. Nach jedem Regen schiessen neue Schlammlawinen in die Tiefe. Mühsam kämpfen wir uns vorwärts und fahren quer durch das zerstörte Gebiet. Obwohl es riesig Spass macht die guten Offroadeigenschaften der 990 Adventure auszukosten, all zulange sollten wir uns hier nicht aufhalten. Der Blick auf den rauchenden Krater ist faszinierend und bedrohlich zugleich.


Die Grenze nach Peru ist überschritten, und entlang der Panamericana geht es nun Richtung Süden. Die Traumstrasse des Kontinentes ist ein Asphaltband bis zum Horizont. Über 200 Kilometer geht es mehr oder weniger schnurgerade durch die Desierto de Sechura, eine öde Steinwüste, nur vereinzelt tauchen Sanddünen auf. Müllberge neben der Strasse kündigen die nächsten Dörfer an, die an Trostlosigkeit kaum zu überbieten sind. Dazu ein starker Gegenwind, der das Motorradfahren zu keinem Vergnügen macht. Nicht gerade eine Traumstrecke. Ich bin froh eine 990 KTM mit 100 PS zu haben, da ist die eintönige Etappe in 2 Stunden heruntergespult. Kurz vor Chiclayo traue ich meinen Augen nicht. Ein einsamer Radfahrer kämpft sich gegen den Wind Richtung Süden. Peter aus Dresden ist mit seinem vollbepackten Drahtesel unterwegs nach Feuerland. Am 1.Juni ist er in Alaska gestartet, Ende Februar möchte er Ushuaia erreichen. Er hat schon viel erlebt auf den bisherigen 17.000 km, aber der heutige Tag war einer der härtesten. Um 3 Uhr früh ist er gestartet und hat bereits 140 km zurückgelegt. Davon musste er wegen dem starken Gegenwind 100 km im Stehen fahren.


Es ist bereits später Nachmittag als wir Ayacucho erreichen. Der ,,Winkel der Toten'' was Ayacucho heisst, war einst das Zentrum der Guerillabewegung Sendero Luminoso, der leuchtende Pfad. Jahrelang war es nicht möglich diese Region zu besuchen, heute ist es angeblich wieder friedlich. Wir sind trotzdem froh die Stadt vor Einbruch der Dunkelheit erreicht zu haben. Unzählige Kurven und Kehren auf staubigen Pisten liegen bereits hinter uns und bis Cusco sind es immer noch 2 Tage. Nach 43.450 Höhenmetern in nur 14 Tagen erreichen wir ziemlich geschafft die einstige Hauptstadt des Inkaimperiums. Das entspricht einem Schnitt von 3.103 Höhenmeter pro Tag, oder zum Vergleich: 2 mal täglich die Grossglockner Hochalpenstrasse. Nur halt auf staubigen steinigen Pisten in eisige Höhen bis zu 5.000 Meter und nicht auf einer gut ausgebauten Asphaltstrasse. Machupichu, das Touristenziel in Peru. Bis zu 4.000 Besucher täglich. Der Grossteil wählt die bequeme Anreise mit der Eisenbahn. Wanderer wählen den völlig überlaufenen Inca Trail. Aber mit einer 990 Adventure gibt es noch einen anderen Weg, über den Abra Malaga Pass. Die Piste ist spektakulär aus den Felsen geschlagen. Hunderte Meter tiefe Abgründe direkt neben der schlammigen, rutschigen Fahrbahn. Leitplanken gibt es natürlich keine, ein Fahrfehler kann hier fatale Folgen haben. Je näher wir unseren Ziel der Station Hydro Electrica kommen umso schlechter wird die Piste. Ein einsamer Raupenfahrer kämpft gegen die Naturgewalten und versucht die Schäden des letzten Erdrutsches zu beseitigen. Zu guter letzt wird noch der reissende Urubamba auf einer schwankenden, eigentlich für Fussgänger gebauten, Hängebrücke überquert. Das sind dann die Momente wo sich Renate am Sozius fragt: Womit habe ich das verdient? Die letzten 8 Kilometer müssen auch wir mit dem Zug zurücklegen, und die Aussicht auf Machupicchu im Morgenlicht entschädigt für alle Strapazen.


www.josef-pichler.at

Text und Bild: Josef Pichler

Autor

Bericht vom 08.01.2007 | 5'317 Aufrufe

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