Kawasaki Vulcan S 2015 Test

Ein neues Cruiser-Konzept soll Einsteiger begeistern

Der Mittelklasse-Cruiser ist tot, lang lebe der Mittelklasse-Cruiser! Kawasaki stürzt sich neuerdings als Trendsetter ins Geschehen - und präsentiert einen Mittelklasse-Cruiser, der es vor allem auf Einsteiger abgesehen hat. EIgentlich sehr klug, denn wem alles andere zu sportlich oder zu schwer ist, findet mit der Vulcan S eine treue und vor allem einfach zu bedienende Partnerin.

Trends sind schnellebig, was heute noch total hipp und in ist, kann morgen schon belächelt werden - oder überhaupt ignoriert. So war es auch bei den Mittelklasse-Cruisern, die in den 90er-Jahren des vorigen Jahrhunderts einen Boom erlebten, den niemand für möglich gehalten hatte. So schnell diese durchschnitlich 650 Kubik grossen Cruiser aber auch den Markt dominierten, so schnell waren sie wieder weg. Danach brauchte man sich erst gar nicht mit weniger als 1500 Kubik in einem Crusier blicken lassen. Zu dieser Zeit waren im Übrigen auch die grossen Superbikes ein Renner - nach denen bis zum letzten Jahr kein Hahn mehr krähte und die erst heuer wieder mit über 200 PS starken Raketen voll einschlagen könnten.

Jedenfalls ist es fix, dass sich Trends durchaus wiederholen können und dann sollte man möglichst früh dabei sein - oder überhaupt der Trendsetter selbst. Das versucht nun Kawasaki mit der Vulcan S, ein handlicher, günstiger Mittelklasse-Cruiser, der auf der nackten ER-6n basiert. Von ihr bekommt die Vulcan S den Motor samt Underfloor-Auspuff - schon diese Tatsache ist ein absolutes Novum. Denn gerade dieser 649 Kubik grosse Parallel-Zweizylindermotor ist für seine quirlige Drehfreude bekannt, passt so etwas überhaupt in einen Cruiser?

Mehr Schwungmasse für mehr Punch

Erstaunlicherweise ja, denn der Motor wurde für seinen Dienst in der Vulcan S ordentlich überarbeitet. Änderungen an Einlasskanälen, Nockenwellenprofilen und grösseren Drosselklappengehäusen sorgen für eine kräftigere Drehzahlmitte, für ein ruckelfreies Hochdrehen aus dem Drehzahlkeller wurde zusätzllich die Schwungmasse des Triebwerks um 28 Prozent schwerer. Damit kann die Vulcan S tatsächlich ohne störendes Ruckeln ab knapp 2000 Touren hochgedreht werden und bollert dann sogar ein wenig, wie man es von hubraumstarken Cruisern gewohnt ist.

Heiteres Ausdrehen bis 10.000 Touren!

Eher nebensächlich ist auf einem Crusier die Leistung, 61 PS leistet die Vulcan S bei 7500 Touren, das höchste Drehmoment von 63 Newtonmeter leigt bei 6600 Umdrehungen an. Allerdings zeigen diese Werte bereits am Papier, dass sich sowohl Leistung als auch Drehmoment erst im höheren Bereich vollzählig versammeln. Ganz seltsam wird es, wenn man die Vulcan S voll ausdreht, da ist nämlich erst bei knapp 10.000 Touren Schluss - für einen Cruiser etwas ganz Neues. Allerdings kann es meiner Meinung nach nicht schaden, den Motor höher ausdrehen zu kkönnen, solange er bei niedrigen Drehzahlen nicht gleich schlapp macht. Und schliesslich kommt ein weiter gespreiztes Drehzahlband auch Neulingen und Einsteigern zugute - um die sich die Vulcan S ja auch vorrangig bemüht.

Ergo-Fit-System für die optimale Sitzposition

Dieses Bestreben merkt man unter anderem an der Sitzposition auf der Vulcan S, deren Entwickler grössten Wert auf einen guten Stand des Fahrers gelegt haben. Schon die normale Sitzhöhe ist mit 705 Millimetern äusserst niedrig, durch das "Ergo-Fit"-System hat man sogar die Möglichkeit, einen noch niedrigeren Sattel zu montieren. Ebenso lassen sich bei diesem System die Fussrasten und der Lenker auf die persönlichen Bedürfnisse abstimmen - individueller geht es auf einem Einsteigerbike wohl kaum! Einziger Wermutstropfen ist, dass diese Anpassung mit zusätzlichen Kosten verbunden ist: Der niedrigere Sattel (es gibt auch einen höheren für grössere Fahrer) kostet genauso Aufpreis wie der,. um 44 Millimeter näher zum Fahrer gerückte Lenker. Am günstigsten ist da wohl die Verstellung der Fussrasten um 25 Millimeter nach vorne oder nach hinten, die lediglich eine etwas längere oder kürzere Schaltstange benötigt.

Gutmütiges Handling und ansatzweise Sport

Der Wille zählt dennoch, das Ergo-Fit-System bietet damit Individualisierungs-Möglichkeiten, die bisher in dieser Klasse nicht möglich waren. Auch die verstellbaren Hebel für Kupplung und Vorderradbremse kommen vor allem, aber nicht nur Einsteigern entgegen - Gimmicks, die eigentlich auf jedem Motorrad Standard sein könnten, aber immer noch nicht sind. Damit funktioniert die Bedienung der Vulcan S mindestens ebenso einfach wie jene der ER-6n, die ja schon länger als sehr gutes und dennoch sportliches Einsteiger-Naked Bike bekannt sit. Sportliches Flair kommt daher auch bei der Vulcan S auf, einerseits wegen des bereits erwähnt quirligen Motors, andererseits wegen des relativ schmalen 160er-Hinterreifens und des gut abgestimmten Fahrwerks. Konzeptbedingt sind die vorne gar nicht und hinten nur in der Federvorspannung abstimmbaren Federelemente natürlich eher komfortabel abgestimmt, allerdings keineswegs schwammig oder weich. Auch die vordere Bremsanlage liess mich nur vor der Ausfahrt an der guten Funktion zweifeln - warum muss ein Cruiser unbedingt eine EInzelscheibe haben, wenn doch die Schwesternmodelle ER-6n, ER-6f und Versys 650 allesamt Doppelscheibenbremsen besitzen?

Nur eine Bremsscheibe vorne - dennoch gute Ergebnisse

Allerdings ist die Funktion auch auf der Vulcan S zumindest auf nasser Fahrbahn tadellos. Die 300 Millimeter-Scheibe lässt sich in Kombination mit der Doppelkolben-Zange bestens dosieren, das Bosch 9.1M-ABS verhält sich wie gewohnt sehr unauffällig. Die gute Performance trotz der Einzelscheibe könnte man nun auch dem, für einen Cruiser sehr niedrigen Gewicht zuordnen, allerdings ist der Begriff niedrig sehr relativ zu betrachten: Mit 228 Kilo fahrfertig ist die Vulcan S tatsächlich ein Leichtgewicht unter den Cruiser-Kolleginnen, geht man aber davon aus, dass die Vulcan S vor allem auf der nackten ER-6n basiert, die fahrbereit 208 Kilo auf die Waage bringt, fragt man sich, woher die 20 Extra-Kilos kommen.

Eine Erklärung ist der neu aufgebaute Rahmen, der, einem Cruiser entsprechend vor allem im Heckbereich massiver baut. Allerdings hat der neue Rahmen nicht nur optische Gründe sondern auch praktische, im Bereich des Sattels baut das neue Stahlgeflecht viel schmäler und ermöglicht dadurch einen sehr engen Stand des Piloten mit den Füssen - und schon wären wir wieder beim Thema Einsteiger. Und im Zusammenhang damit bei der einzigen Rüge für die Vulcan S: Der neue Cruiser besitzt nämlich eine Ganganzeige, die wie bei einigen ihrer Schwestern sehr spacig an das Cockpit angebaut ist - allerdings ebenfalls nur als Zubehör - wobei wohl gerade Einsteiger dieses Gimmick gut brauchen können und gerne serienmässig dabei hätten.

Fazit: Kawasaki Vulcan S 2015

Die Vulcan S belebt die Szene der "kleinen" Mittelklasse-Cruiser neu - und das nicht nur wegen ihres eigenwilligen Designs sondern auch wegen ihrer betont auf Einsteiger abzielenden leichten Fahrbarkeit. Die niedrige Sitzhöhe und der schmale Sattel begünstigen einen sicheren Stand des Fahrers bzw. der Fahrerin am Boden, der niedrige Schwerpunkt sorgt zudem für ein einfaches und sicheres Handling. Auch der Motor passt gut zum unkomplizierten Auftritt, lässt sich ab 2000 Touren anständig hochdrehen und setzt erst bei rund 10.000 Touren ein Ende - das hat es bei einem Cruiser überhaupt noch nie gegeben. Das "Ergo-Fit"-System kostet zwar Aufpreis, erlaubt dem Vulcan S-Besitzer aber auch grosszügige Individualisierungs-Möglichkeiten.


  • drehfreudiger Motor, der sich auch im unteren Drehzahlbereich gut benimmt
  • anständige Bremse mit ABS
  • eigenwillige Optik
  • schmaler und daher wendiger 160er-Hinterreifen
  • Ergo-Fit-System für eine optimale Anpassung an den Fahrer
  • ausreichend komfortables Fahrwerk
  • Ergo-Fit-System kostet Aufpreis
  • mässiger Windschutz
  • Ganganzeige nur optional erhältlich

Bericht vom 25.02.2015 | 40'335 Aufrufe

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