Yamaha XJR 1300 2015 Test

Die Letzte ihrer Art?

Yamaha schickt noch einmal den riesigen luftgekühlten Motor mit der XJR 1300 und der XJR 1300 Racer ins Rennen. Erster Test.

Da hat uns Yamaha richtig viel Emotionen pur eingeflösst. Die neue XJR 1300 wurde im Deus ex Machina Shop und Cafe in der Nähe von Sydney präsentiert (Hier die Fotos vom Event). Dort ist quasi das australische Epizentrum der Caferacer-Szene und die aktuellen XJR 1300 Modelle wurden im coolen Laden von einigen Sahnestücken flankiert.

Für mich hätte sich Yamaha diese Mühe nicht machen müssen. Die Japaner geniessen in diesem Segment sehr viel Glaubwürdigkeit. Die alten japanischen Superbikes waren vor Jahrzehnten ja quasi die Urgrossväter der aktuellen XJR 1300. Seit damals fanden die riesigen Vierzylindermotoren in vielen Modellen ein Zuhause. Für den aktuellen Caferacer Boom hat man die XJR 1300 dann nur ein wenig modernisieren müssen, sie ein wenig an die aktuellen Trends angepasst und ihr mit der XJR 1300 Racer gleich ein fertiges Custombike von der Stange zur Seite gestellt.

Der Moment des Losfahrens muss zelebriert werden

Das Heck wurde an beiden Modellen deutlich kürzer und der Scheinwerfer wurde kompakter. Trotzdem bietet das Motorrad natürlich vor allem durch den massiven Motorblock eine wuchtige Erscheinung. Der Motorblock kommt nun durch den kompakteren Tank noch intensiver zur Geltung. Beim ersten Aufsitzen sieht und spürt man sofort dieses monströse Teil welches hier links und rechts aus dem Motorrad quillt. Auch wenn man sich sehr bemüht, ein wassergekühltes Aggregat bietet einfach nicht jenes Charisma wie dieser erdige Motor mit Kühlrippen.

Doch auch wenn das Motorrad insgesamt einen glaubhaften Auftritt macht und Yamaha hier das Event sehr cool aufzieht, muss sie bei der Testfahrt einfach gut fahren. Nach dem Losfahren konzentrierte ich mich mal auf die Sitzposition. Im Sattel der Racer brauchte ich ein wenig um mich wohl zu fühlen. Die ersten Kilometer waren noch verkrampft, doch nach der ersten Pause sprang der Funke über. Der Moment des Aufsteigens, des Anstartens und des Losfahrens kann mit diesem Machobike wirklich zelebriert werden. Die enge Jean muss gut sitzen, eine lässige Lederjacke soll nicht zu viel verdecken, wenn man den Fuss cool über den liebevoll verarbeiteten Sattel schwingt. Die Racer erweckt man, bestückt schon in der Serie mit einem Akrapovic, deutlich hörbar zum Leben. Die maskuline und selbstbewusste Sitzposition wirkte mittlerweile nicht mehr aufgesetzt und man kann die Abfahrt vor dem Cafe richtig geniessen. Geniessen kann man dann auch die flüssigen Passagen aber auch enge Kehren im Sattel der XJR 1300 Racer.

Am Papier wenig Leistung, an der Ampel maximale Beschleunigung

Das Herzstück, der Motor, ist mit Fakten schon deutlich schwieriger zu beschreiben als der Rest vom Motorrad. Denn die knapp 100 PS sind eigentlich mittlerweile eine gern gewählte Motorisierung bei Mittelklasse Motorrädern. Wenn ich nun sage, dass die XJR 1300, egal aber Racer oder normal, wirklich leiwand anschiebt dann ist das eher durch den mächtigen Hubraum zu erklären. Die Leistung oder eigentlich das Drehmoment kommen bei der XJR niemals gekünstelt über eine gequälte Kupplung zur Geltung. Man lässt sie kurz einschleifen und kann die Drehzahl auch beim Losfahren problemlos auf 1.000-1.500 Touren fallen lassen. Danach wird das Aggregat einfach und sehr direkt nur durch den Gasgriff dirigiert. Melkt man diesen an der Ampel ordentlich aus, kommen Vierzylinder-Fans voll und unzensuriert auf ihre Kosten. Die Beschleunigung macht Dir im Sattel eine grosse Freude und macht auch die reifen Bartträger zu jungen Burschen. Ich persönlich finde den Motor besser als je zuvor, auch weil er so makellose Manieren besitzt. Ansprechverhalten und Kaltstartverhalten sind trotz klassischer Optik topmodern. Etwas ungewohnt und bei der langen Tour auch störend, ist jedoch der etwas streng zu bedienende Gasgriff. Da bin ich von den vielen Ride by Wire Modellen wohl schon etwas zu verwöhnt.

XJR 1300 Racer etwas cooler, aber auch unpraktischer

Leider führte uns die Tour auch durch lästigen Stop and Go Verkehr. Da sassen nun eindeutig die XJR 1300 Fahrer auf dem besseren Modell. Das klassische Nakedbike bietet jetzt mehr Sitzkomfort und man lässt den nervigen Stop-and-Go Verkehrt entspannt über sich ergehen. Die Sitzposition macht dann insgesamt auch den Unterscheid aus. Die Racer wirkt cooler bietet aber etwas weniger Nutzwert im Alltag. Die XJR 1300 kann auf langen Touren genauso eingesetzt werden wie für Fahrten in der Stadt. Die XJR 1300 ist aber auch ein Motorrad welches den letzten Feinschliff noch vom stolzen Besitzer verpasst bekommen muss. Frisch aus dem Schauraum spielt sie ihr Potential noch nicht ganz aus. Es muss ja nicht gleich ein Komplettumbau wie von den Firmen aus dem YARD Programm sein (hier ein Beispiel). Aber das eine oder andere Teil aus dem Zubehörprogramm ist nötig, damit sie ihr Potential voll ausspielen kann Die Racer auf der anderen Seite ist bereits finalisiert und setzt mit der Carbonmaske und der markanten Sitzposition zwei deutliche Signale.

Mittlerweile hat die Sonne auch die letzten Wolken vertrieben und im Sattel wird man nun quasi beidseitig gegrillt. Denn der dicke Vierzylindermotor wird in der Stadt doch recht warm und strahlt bei fehlendem Fahrtwind deutlich in den Schritt. Eine Sitzheizung, im Volksmund auch Eierkocher oder Rosettengrill genannt, hat die XJR somit serienmässig mit an Bord. Die Regelung der Heizung übernimmt der Fahrtwind. Bei der Mittagsrast gab es neben der Hitzeabstrahlung noch ein zweites Thema welches für Gesprächsstoff sorgte. Da war ich allerdings nicht der Meinung der geschätzten Kollegen. Über das Fahrwerk wurde geraunzt - es sei zu straff und bietet zu wenig Komfort. Also das gewählte Setup war in der Tat etwas straff, doch ich drehte schon beim ersten Stopp ein wenig an den hochwertigen Öhlinskomponenten und hab mir die XJR ein wenig weicher gemacht. Man muss die Möglichkeiten nur nutzen, welche Yamaha mit den tollen Fahrwerkskomponenten so bietet, dann hat man hier echt viele Möglichkeiten die XJR auf die aktuelle Ausfahrt anzupassen.

Etwas Potential verschenkt die XJR vermutlich wegen der eher günstigen Reifen welche serienmässig montiert sind. Beim ersten Reifenwechsel sollte man da auf ein Premiumprodukt, also die aktuellste Ware seiner Lieblingsreifenmarke greifen. Ich werde nie verstehen, warum man sich bei Reifen aus Kostengründen für die zweit- oder drittbeste Option entscheidet, auch wenn man nicht im Sattel einer Rennmaschine sitzt. Die XJR hat eben dieses hochwertige Fahrwerk und hat es sich verdient, dass diese tolle Maschine durch erstklassige Pneus mit dem Asphalt verbunden wird.

Letzte Chance?

Die XJR 1300 wird es so aber trotz der aktuellen Modernisierung nicht mehr lange geben. Man muss nur Eins und Eins zusammenzählen. Schon nächstes Jahr treten neue Abgasvorschriften in der EU in Kraft. Euro 4 wird dann für ein luftgekühltes Aggregat keine einfache Hürde. Die XJR 1300 kommt ohne ABS auf den Markt. Im Jahr 2015 ist das ein echtes Novum, da ja ebenfalls schon 2017 bei neuen Motorrädern ABS verpflichtend verbaut sein muss. Klarerweise dürfen Besitze von bereits zugelassenen Motorrädern, weiter ohne ABS fahren. Gut möglich also, dass die aktuelle XJR quasi die letzte Chance auf ein klassisches luftgekühltes Motorrad ohne ABS ist. Sie wird aber in jedem Fall eine würdige letzte Vertretung dieser Gattung sein. Fahren tut sie mindestens so gut wie sie aussieht und wird Fans dieses Segmentes bestimmt viele Jahre lang viel Freude bereiten. Auch dann noch, wenn die neuen Motorrädern sich optisch und technisch immer weiter von ihr entfernen.

Fazit: Yamaha XJR 1300 2015

Die Yamaha XJR 1300 stellt im Modelljahr 2015 quasi die letzte Evolutionsstufe und möglicherweise auch die letzte Chance auf einen richtig dicken luftgekühlten Vierzylinder dar. Bei Yamaha hat dieses Segment seit Jahrzehnten Tradition, in den letzten Jahren ist es cool geworden solche Motorräder als Basis für Caferacer-Umbauten herzunehmen. Die XJR 1300 wirkt da nicht aufgesetzt, sondern ehrlich. Wer Vierzylinder mag, ist hier goldrichtig. Das Motorrad bietet zusätzlich zur coolen Optik und zum satten Drehmoment und dem lässigen Fahrgefühl auch viel praktischen Nutzen. Sowohl in der Stadt als auch auf langen Touren hat man mit dem Motorrad viel Freude. Anders als die Racer, würden ihr ein paar kleine zusätzliche Zubehörteile gut tun, damit sie vor dem Cafe ihr volles Potential ausspielen kann.


  • sehr kultivierter Motor
  • toller Durchzug und sattes Drehmoment
  • angenehme Sitzposition in jeder Lebenslage
  • hochwertige Verarbeitung
  • tolle Fahrwerkskomponenten
  • kein ABS
  • bei fehlendem Fahrtwind starke Hitzeabstrahlung vom Motor auf den Hintern
  • Gasgriff auf langen Touren etwas streng

Fazit: Yamaha XJR 1300 Racer 2015

Die Yamaha XJR 1300 Racer ist quasi schon im Serienzustand ein liebevoll aufgebautes Custombike. Angesichts der vermutlich geringen Stückzahlen welche Yamaha von dem Motorrad absetzen wird, ist es bestimmt keine Massenware. Wer auf luftgekühlte Vierzylinder steht, wird dieses Motorrad lieben. Hier wurde dieses Aggregat perfektioniert und ist 4-Zylinderkultur in reinster Form. Die Sitzposition ist lässig und macht auf flüssigen Passagen viel Spass, im langsamen Stadtverkehr wird es aber ein wenig ungemütlich. Die Maschine wird ohne ABS angeboten. Für jene die das mögen ist das ein Pluspunkt, alle anderen müssen sich leider wo anders umsehen.


  • sehr kultivierter Motor
  • toller Durchzug und sattes Drehmoment
  • liebevolle Details
  • hochwertige Verarbeitung
  • tolle Fahrwerkskomponenten
  • bei fehlendem Fahrtwind starke Hitzeabstrahlung vom Motor auf den Hintern
  • bei langsamen Stadtverkehr unangenehme Sitzposition
  • Gasgriff auf langen Touren etwas streng

Bericht vom 05.03.2015 | 96'748 Aufrufe

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