Pirelli Diablo Rosso III Test 2016

Reifentest zur Superbike WM

Pirelli präsentiert den neuen Diablo Rosso III im Anschluss an die Superbike WM im Motorland Aragon. Einsatz auf der Rennstrecke bei 15 Grad im Trockenen und auf der Strasse bei 5 Grad im Regen.

Ich habe grundsätzlich kein Problem, mich emotional auf einen Pressetest einzustellen, wenngleich nach 12 Jahren leider auch Aussergewöhnliches als Alltag wahrgenommen wird. Einchecken, z'sammpacken, losfahren, abfliegen, ankommen...manchmal weiss ich auf die Frage, wo es als nächstes hingeht, keine Antwort, weil ich gerade erst den Koffer vom Laufband genommen habe, um ihn morgen wieder d'raufzustellen.

Monster Girls aus der Nähe

Die Highlights werden aber nie aufhören, hell zu leuchten und ein strahlendes Juwel der Erinnerung in meiner Seele zu hinterlassen. Selbst der mieseste Miesepeter, der sich für eine Reifenpräsentation am Wochenende nur schwerlich begeistern kann, musste nach dem Besuch der World Superbike-WM im Motorland Aragon in der richtigen Stimmung sein, um den neuen Pirelli Diablo Rosso III zu testen. Die Rennen am Sonntag durften wir aus der Pirelli Lounge verfolgen, dazwischen durch die Boxengasse flanieren, um die berühmt-berüchtigten Monster Girls endlich aus der Nähe zu sehen. Und natürlich die Fahrer. Da absolutes Filmverbot herrschte, können wir euch leider keine Videodokumente intimer Begegnungen präsentieren.

20 neue Produkte bis 2017

Bei solchen Präsentationen erfährt man ja mitunter viel mehr, als man zu einem neuen Produkt erwartet hätte. Zum Beispiel, dass Pirelli bis 2017 ganze 20 (zwanzig!) neue Produkte bringen wird; dass sich schon in der Unterschrift des Gründers von 1884 andeutungsweise das breite "P" findet; dass es in heutiger Form schon seit 1946 besteht; und dass es erst 1997 die gelb-rote Färbung erhielt. Das sind Fakten, die ich sehr interessant finde....andere vielleicht nicht.

Deshalb widmen wir uns jetzt ausschliesslich dem Reifen. Nach tagelanger Recherche steht fest: Der Rosso III ist der Nachfolger des Rosso II. Er steht zwischen dem noch erhältlichen Vormodell und dem Rosso Corsa bzw. dem Diablo Supercorsa SP. Mit dem Rosso möchte Pirelli eine sportliche und eher jüngere Klientel ansprechen, die das leistungsstarke Motorrad auf Strasse wie Rennstrecke bei praktisch jeder zumutbaren Witterung fahren möchte. Soweit die Theorie.

Konsistenz statt Grip

Am Spinnendiagramm, das 7 Leistungsbereiche grafisch darstellt (Laufleistung, Handling Strasse, Handling Rennstrecke, Grip-Beständigkeit, Nassgrip, Nasshandling, Hochgeschwindigkeitsstabilität) hat der Rosso III gegenüber dem Rosso II deutlich zugelegt. Für einen entsprechenden Beweis fehlte mit der direkte Vergleich. Interessant ist aber, dass Pirelli nicht mehr "Grip" als einen Wert am Diagramm angibt, sondern ihn jetzt "Consistency" nennt.

Extreme Temperaturschwankungen

Worum es geht: Bei guten Verhältnissen gut funktionieren kann jeder, die Herausforderung heute besteht darin, einen Reifen zu konstruieren, der in einem breiten Temperaturfenster seine bestmögliche Leistung auf den Asphalt bringt, mit verschiedenen Strassenbelägen zurechtkommt und die Temperaturschwankungen an der Lauffläche ausgleicht. Ein mit einer Wärmebildkamera aufgenommenes und bei der Präsentation gezeigtes Video demonstrierte eindrucksvoll, wie stark die Temperaturen auf dem Gummi variieren, und zwar innerhalb von Sekunden. Dem will Pirelli entgegenwirken.

Breitere Kontur

Die Karkasse des Rosso III wurde stabiler, der "Kopf" des Reifens ist vorne um 5% und hinten um 2,5% in der Höhe gewachsen. Dadurch wächst auch der Radius der Kontur um 7% (hinten). Das soll sowohl das Handling verbessern, als auch die Stabilität in Schräglage erhöhen. Eine geringe Aufwärmzeit, um auf Betriebstemperatur zu kommen, ist bei so einem Reifen fast schon selbstverständlich.

100% Silica vorne, 70% Silica hinten

Vorne wird mit einer 100% Silica-Mischung (mit 30 verschiedenen Komponenten) gefahren, um besonders den Grip bei Nässe zu optimieren. Hinten hat man sich in der Mitte für 70% Silica entschieden, denn dort zählt vor allem die Laufleistung. Das Profil ist teilweise von anderen Diablo-Modellen bekannt, doch der Rosso III erhielt neben dem "Blitz" zusätzlich zwei weitere, sich wiederholende Profilrillen für bessere Wasserverdrängung.

Rennstreckentest Pirelli Diablo Rosso III

Die Journalistenschaft wurde in zwei Gruppen aufgeteilt, eine Hälfte auf die Strasse und die andere auf die Rennstrecke geschickt. Da sich das Wetter zunehmend verschlechterte, war ich froh, in der Rennstreckengruppe zu sein. Trägermaterial für den Rosso III waren grossteils BMW S 1000 RR, der Rest bestand aus einem Paar Panigales, zwei MVs, einer ZX-10R und einer KTM 120 Super Duke R. Zwei trockene Turns mit der BMW gingen sich aus, im letzten Turn mit der spektakulären Panigale begann es zu tröpfeln und kurz darauf regnete es in Strömen.

Pirelli Diablo Rosso III jetzt kaufen

Die Strecke des Motorland Aragon ist ebenso aufregend wie abwechslungsreich und ebenso grosszügig wie gefährlich - wenn man sie nicht kennt. Am Ende der schnellen Geraden und Passagen hat man weite Auslaufzonen asphaltiert, wodurch man die perfekte Gelegenheit hat, seine Bremspunkte zu verschieben. An anderen Stellen darf man sich nicht verkühlen und ein Sturz ist ja auch ohne Hindernisse selten angenehm. Da man in den ersten Runden oder gar Turns sehr viel mit einer halbwegs flüssigen Linie zu tun hat, bleibt wenig Zeit für den Reifen. Für die S 1000 RR habe ich mich bewusst deshalb entschieden, weil ich sie seit langem kenne, aus guten wie aus schlechten Zeiten.

Alleskönner oder Kompromiss

Erst im Laufe von Turn 2 und 3, in dem es zu regnen begann, konnte ich meine Konzentration etwas auf die Performance des Reifens lenken. Man könnte den Rosso III als Alleskönner oder als Kompromiss bezeichnen. Er ist umgänglicher als ein Supercorsa, aber etwas weniger agil, harmonischer, aber nicht so scharf. Dafür ist er den sportlicheren Kollegen aus der Diablo-Palette bei normalen bis schlechten Verhältnissen - Wetter und Asphalt betreffend - auf der Strasse deutlich voraus.

Besser wenn schlechter

Den Spagat zwischen schweisstreibendem Supersport und abgeschmacktem Alltag bringen Hobbysportreifen wie ein Supercorsa SP nicht so souverän hin. Der Supercorsa SP war auf meiner Triumph Daytona 675R montiert, mit der ich grösstenteils auf Haus- und Rennstrecke unterwegs war, Regen und Kälte aber gemieden habe. Dem Rosso darf man bei schlechten Verhältnissen deutlich mehr Vertrauen schenken, wie der anschliessende Strassentest gezeigt hat. Die maximal mögliche Schräglage teste ich aufgrund des minimalen Grenzbereichs eher selten aus, aber beim Beschleunigen und Verzögern kann man sehr gut abschätzen, wie gut der Reifen greift.

Haftungsgrenze Rosso III

Mit der Honda CB650F war ich anfangs noch etwas vorsichtig, es ging mir grundsätzlich nur darum, mit meinem gelochten Einteiler den eiskalten Regen zu überleben. Im Gebirge musste ich aber auf eine BMW S 1000 RR wechseln, die im Rainmodus und mit den bekannten Fahrhilfen aber ebenfalls genug Sicherheit bot, um mich sturzfrei und zur Eisskulptur erstarrt zurück ins Motorland zu bringen. Vorher versuchte ich trotzdem noch, die Haftungsgrenze des Rosso III auszuloten und war auch diesmal wieder überrascht, wie stark man bremsen und beschleunigen kann, bevor ABS und TC eingreifen. Den Grenzbereich in Schräglage abzutasten, möchte ich mir für eine abgesperrte Teststrecke in einem FSZ aufsparen.

Jeder muss für sich selbst das passende Diablo-Modell finden. Ist der sportliche Anspruch höher und sind die Zeiten am Ring besser, sollte man eher in die Supercorsa Richtung gehen. Für wen das Motorrad aber praktisch täglicher Begleiter ist, wer im Stadtverkehr ebenso unterwegs ist wie auf der Hausstrecke und wer den gelegentlichen Ausflug auf die Rennstrecke schätzt, der ist beim Rosso III genau richtig.

Dimensionen Pirelli Diablo Rosso III

VorderradHinterrad
110/70 ZR 17 M/C 54W TL150/60 ZR 17 M/C 66W TL
120/60 ZR 17 M/C (55W) TL160/60 ZR 17 M/C (69W) TL
120/70 ZR 17 M/C (58W) TL180/55 ZR 17 M/C (73W) TL
180/60 ZR 17 M/C (75W) TL
190/50 ZR 17 M/C (73W) TL
190/55 ZR 17 M/C (75W) TL
200/55 ZR 17 M/C (78W) TL

Tippfehler vorbehalten

Autor

Bericht vom 11.04.2016 | 90'008 Aufrufe

Empfohlene Berichte

Pfeil links Pfeil rechts