Triumph Bonneville Bobber Test 2017

Erste Testfahrt mit dem britischen Bobber

Wie fährt sich die neue Triumph Bonneville Bobber? Die erste Testfahrt mit dem Bobber bringt schlechtes Wetter, aber schöne Gefühle.

Neujahrsvorsatz: Gute Laune

Es ist das zweitschönste Weihnachtsgeschenk nach all den schönsten Weihnachtsgeschenken, die ich meiner Frau aufgetragen habe mir zu schenken: Die erste Testfahrt mit der neuen Triumph Bonneville Bobber in Madrid. Wo es ziemlich sicher regnet. Doch ich habe beschlossen, mir meine Stimmung nicht mehr von unabänderlichen Gegebenheiten kaputt machen zu lassen, wie das die letzten dreieinhalb Jahrzehnte der Fall war. Also Heizweste, Regenhaut und Gummistiefel eingepackt und ab in den trüben Süden...

Premium Custom erreicht die Massen

Als ich die ersten Fotos der Bonnie Bobber gesehen habe, war ich völlig von den Socken. Nachdem mich Triumph schon 2016 mit dem für mich schönsten Motorrad der Saison beglückt hat, schieben sie jetzt einen Monoposto-Cruiser nach, dessen einzigartig authentische Form nicht nur Geschmack beweist, sondern erfrischenden Mut. Ich zweifelte, ob die Engländer mit ihrem Einsitzer genügend kaufkräftige Kundschaft erreichen würden können. Schon vor Wochen lagen hunderte unterschriebene Kaufverträge bei den Dealern in UK, für Deutschland wurde nachgeordert. Auch ich kann mich irren.

Wenn etwas so gelungen ist wie dieser Cruiser mit dem wunderschönen 1200 Kubik Parallel-Twin, extrem niedrigem, verstellbarem Aluschalensitz, zentral im Rahmen integriertem Federbein für eine Hardtail-Optik, Faltenbälgen an der Gabel, schräg abgeschnittenen Slash-Cut-Schalldämpfern und durch einen fast geraden, tief sitzenden Lenker fahraktiver Sitzposition, dann ist man nicht der Einzige, dem das gefällt. Ich durfte schon auf dem Bobber sitzen und war überrascht, wie geduckt und vorderradorientiert man im Sattel hockt. Nicht unbequem, aber im Vergleich zu den meisten anderen Cruisern eben sportlicher.

Erste Testfahrt am 16.12.2016

Ich bin in äusserst freudiger Erwartung, was ich fühlen werde, wenn ich den Schlüssel in das seitlich angebrachte Zündschloss stecke und den Motor starte. Sollte das Wetter ganz schlimm sein, kann ich zur Not den Rain-Modus wählen. Die Flucht Richtung Süden bringt leider nichts, auch dort regnet es zu 80%. Doch was auch passiert, am Freitag Abend lest ihr, was ich erlebt habe.

Alles Schlechtes hat auch sein Gutes. So war es heute zwar körperlich und geistig eine Herausforderung, bei 9 Grad und Dauerregen durch das Umland von Madrid zu düsen, aber wenn ein Motorrad schon bei diesen Verhältnissen hervorragend funktioniert und das Fahren trotz widriger Umstände Spass macht, dann kann es im trockenen Warmen nur noch viel besser sein.

AVON Cobra - Spitzenleistung im Regen

Die Überraschung des Tages waren die eigens für den Bobber entwickelten Avon Cobra in den Dimensionen 100/90-19 vorne und 150/80-16 hinten. Es war mir kaum möglich, die Traktionskontrolle oder das ABS zum Auslösen zu zwingen, weil die Reifen einen so starken Grip boten, dass am Kurvenausgang auch bei beherztem Gaseinsatz störungsfreier Vortrieb garantiert war. Avon war in der Vergangenheit nicht immer bekannt für verlässliche Qualität, aber bei dieser Leistung muss ich den Entwicklern ein Kompliment machen. Der Pneu wirkte fast wie eine Regenmischung. Ich bin gespannt auf die Performance im Trockenen.

High Torque Motor

Der Motor ist bekannt aus der Bonneville T 120 und der Thruxton. In der Bonnie werkt er als High Torque-Variante, also Drehmoment-orientiert ausgelegt, in der Thruxton als High Power. Auch im Bobber sitzt die HT-Version im eigens konstruierten Rahmen, nur soll dieser eine noch stärkere Richtung Cruiser-Charakteristik aufweisen. Zu diesem Zeitpunkt kenne ich die technischen Daten noch nicht, da Triumph die Präsentationen in letzter Zeit immer erst nach der Testfahrt ansetzt, damit wir uns nicht von den trockenen Zahlen am Papier beeinflussen lassen. Die Wohlfühldrehzahl liegt zwischen 2500 und 4000 Touren, ich habe den Parallel-Twin maximal auf knapp unter 7000 drehen können. Sehr viel mehr Drehmoment als die Bonnie konnte ich persönlich aber nicht ausmachen.

Das Gas wird aber direkt angenommen und ist wunderbar dosierbar, wie auch das Gespür für die Strasse durch ein straff abgestimmtes Fahrwerk sehr transparent ist. Das Motorrad wirkt kompakter und fahraktiver als die Bonneville T 120 und ist agil, aber nicht kippelig oder schwammig. Als Kurvenräuber würde ich es allerdings nicht bezeichnen. Wir sind heute eher langgezogene, offene Kurven gefahren, wo sie sich der Bobber sicher am wohlsten fühlt. Spitzkehren sind aufgrund des Lenkkopfwinkels und des langen Radstandes eher nicht sein Revier. Aber das werden wir kommendes Jahr bei einigen Testfahrten in der Heimat nachprüfen.

Zwei Fahrmodi während der Fahrt wählbar

Die zwei Fahrmodi Road und Rain unterscheiden sich nur in der Leistungsentfaltung, die Leistung bleibt die selbe. Ich sah aber sogar bei den schlechten Verhältnissen heute keinen Grund, Rain zu wählen, aus oben genannten Gründen. Die Modi können während der Fahrt durch einen kurzen Druck auf den "M"-Knopf gewechselt werden. Das Gas muss dazu geschlossen werden und beim nächsten Gangwechsel wird der gewählte Modus aktiv.

Bremse braucht Kraft

Bremse ist nicht die grösste Stärke des Bobbers. Der Zweikolbensattel braucht eine starke Hand, zumal nur eine Scheibe zur Verfügung steht. Zusammen mit der gut funktionierenden Hinterradbremse aber ist die Verzögerung trotzdem gut. Schliesslich ist das hier keine Speed Triple und die Beschleunigung ist zwar ordentlich, aber nicht so abartig wie die einer Ducati Diavel oder Yamaha V-MAX.

Fahraktive Sitzposition

Ein Grund für das souveräne Gefühl auf dem Bobber ist die Sitzposition und der fast gerade Lenker. Man sitzt im Sattel wie man auf einem Stuhl hockt, etwas nach vorne gelehnt und leicht bucklig - das kommt natürlich auch auf die Körpergrösse an. Der Sitz lässt sich vor und zurück und im Winkel nach oben und unten verstellen. Dazu müssen nur Torx-Schrauben gelöst werden. Das ganze passiert in unter einer Minute. Empfehlung für eine bestimmte Position kann ich keine aussprechen, auch hier kommt es auf Grösse und Geschmack des Fahrers an. Neben dem Sitz kann auch das Rundinstrument mit integriertem LC-Display (Drehzahl, Tankanzeige, Restreichweite, Durchschnittsverbrauch, Tageskilometer, Uhrzeit...) kann - ohne Werkzeug - in der Neigung verstellt werden.

Mini-Tank

Ich bin ein grosser Fan kleiner Tanks, aber nur der Optik wegen. Die 9,1 Liter des Bobbers waren doch recht schnell aufgebraucht und wir tankten schon vor dem Lunch-Stop nach. Triumph gibt einen Durchschnittsverbrauch von 4,1 l an, bei unserem Test waren es wie immer etwas mehr, aber 12 Liter Tankvolumen wären wünschenswert gewesen.

Brit Bobber at its best

Der Rahmen wurde eigens für den Bobber konstruiert und ist ausschliesslich für den Ein-Mann-Betrieb ausgelegt. Käufer müssen also wissen, dass es keine Möglichkeit gibt, das Motorrad um einen Platz zu erweitern. Allerdings hat die Einzelsitz-Auslegung einen entscheidenden Vorteil: Fahrwerk, Geometrie, Ergonomie und Gewichtsverteilung müssen ausschliesslich für eine Person ausgelegt werden, der Kompromiss, den ca. 100 kg. potenzielle Mehrbeladung mit sich bringt, fällt weg. Auf die Frage, warum es dann nicht mehr Sportmotorräder mit nur einem Sitz gibt, wusste der Chefentwickler selbst keine Antwort. Ich gehe nämlich davon aus, dass Sportfahrer noch seltener zu zweit fahren als die so genannten Genussfahrer. Fahrdynamik und Balance profitieren von diesem Konzept enorm. So gesehen sind Monoposto-Motorräder die besten der Welt. Sorry, Schatzi.

Dafür gibt es über 150 Zubehörteile, die den Bobber zum Beispiel zu einem Apehanger oder Dragbike transformieren. Dazu noch die passende Bobber-Bekleidungskollektion und man wird auch ohne Begleitung am Sozius glücklich. Über 450 Käufer in England haben bereits unterschrieben, ohne auch nur einen Testbericht über den Bobber gelesen zu haben, geschweige dann selbst gefahren zu sein. Ein weiterer Triumph-Triumph.

Technische Daten Triumph Bonneville Bobber

  • Sitzhöhe: 690 mm
  • Radstand: 1510 mm
  • Gewicht trocken: 228 kg
  • Drehmoment: 106 Nm/4000 - bei 4500 U/min. um 10% mehr als T120
  • Leistung: 77 PS/6100 - bei 4500 U/min. um 10% als T120
  • Tankinhalt: 9,1 l
  • Verbrauch: 4,1 l / 100 km
  • Serviceintervalle: 16000 km

Fazit: Triumph Bonneville Bobber 2016

Der Bobber ist ein weiteres Erfolgsmodell der Bonneville-Serie mit dem grossartigen 1200 Kubik Parallel-Twin aus der T120 und der Thruxton. Die Gasannahme ist direkt und Dosierung wunderbar feinfühlig, auch die Transparenz zur Strasse ist durch ein straff abgestimmtes Fahrwerk und die hervorragende Serienbereifung von Avon gegeben. Nur die Bremse vorne, die eine starke Hand braucht, könnte etwas kräftiger zupacken. Die Verstellmöglichkeiten von Sitz und Instrumenteneinheit sind nette Gimmicks, die Customizing-Möglichkeiten umfangreich. Dazu reicht Triumph eine wunderbar klassische Bekleidungslinie, nicht nur für Motorradfahrer. Brit Bobber at its best.


  • drehmoment-starker Motor
  • wunderschönes Design
  • straffes Fahrwerk
  • harmonisches Handling
  • kompaaktes Fahrgefühl
  • viel Zubehör
  • Bremse braucht ordentlich Handkraft
  • kein Sozius möglich
  • Motorsound gedämpft
  • kleiner Tank

Bericht vom 19.12.2016 | 132'953 Aufrufe

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