Ducati Scrambler Cafe Racer Test 2017

Espresso oder Cafe Latte? Wie sportlich ist der Cafe Racer?

Noch nie gab es einen Scrambler Cafe Racer. Doch Ducati beweist, dass auch das möglich ist. Denn mit Scrambler schufen die Italiener nicht nur ein paar neue Motorräder, sondern einen ganzen Lebensstil.

Wie tief und breit das Konzept der Submarke Scrambler bei Ducati geht, demonstrierten die Bologneser bereits eindrucksvoll in der Westernstadt Texas Hollywood bei Almeria, wo bei eisiger, aber beeindruckender Spiel mir das Lied von Tod-Romantik und mit unterhaltsamem Schauspiel die Desert Sled präsentiert wurde, und jetzt wieder in ihrer Heimatstadt, wo die erste Scrambler Food Factory eröffnet hat. Ein Konzept, wie es viele Harley-Dealer bereits mit ihren American Bars und Restaurants verfolgen, nur mit Pizza und Pasta, garniert mit hand- und trittfestem Interieur, kultigen Custombikes und dem umfangreichen Scrambler-Zubehör. Picknickdecke, anyone?

Besuch im Werk und Museum

Der Besuch im Ducati-Werk und Museum am Vortag erinnerte an den immensen Anteil an Handarbeit bei der Erschaffung Produktion wäre ein zu seelenloses Wort dafür eines neuen italienischen Motorrades und an die grossen Leistungen im Rennsport über die letzten Jahrzehnte. Die Sammlung nennt sich übrigens den ausgestellten Werken entsprechend Art Gallery.

Scrambler nicht gleich Ducati

Jedenfalls waren wir schon ganz im Italofieber, als wir die Café Racer am nächsten Morgen in Empfang nahmen, das bereits sechste Stück der Scrambler-Palette. Scrambler? Café Racer? Wie passt das zusammen? Ducati führt die Submarke Scrambler klar getrennt von den anderen Modellfamilien, optisch in der Farbe Gelb und räumlich bei allen Händlern wie auf Messen. Es geht also nicht nur um Scrambler, auch wenn die ersten 5 Modelle durchaus als solche zu werten sind.

Man darf sich davon also nicht verwirren lassen, sondern sich auf das konzentrieren, was vor einem steht. Ein wunderschöner, sportlich-klassischer Café Racer, schwarz, schlicht und geschmackvoll wie ein italienischer Mokka. Bleibt nur die Frage: Ist dieser Kaffee ein Espresso oder ein Café Latte?

Cafe Racer mit 75 PS L-Twin

Angetrieben wird das Nakedbike wie die anderen Scrambler vom 803 Kubik L-Twin mit 75 PS (Deutschland 73 PS). Klingt nicht viel, ist nicht viel, aber bei einem Gewicht von vollgetankt 188 kg auch nicht wenig. Beim Café Racer sind sie auch sportlich ausgelegt und machen richtig Spass, so war ich bei der Testfahrt meist in der unteren Drehzahlhälfte unterwegs, als bis ca. 6000 Touren und hatte trotzdem genug Kraft und Drehmoment, um mich flott bis engagiert fortzubewegen.

Nur 188 kg wiegt die Scrambler Cafe Racer

Neben dem geringen Gewicht ist auch die Sitzhöhe mit 805 mm sehr moderat, denn schliesslich will Ducati mit den Scramblern möglichst viele Menschen erreichen. Anfänger, Wiedereinsteiger und weniger geübte Fahrer, die keine 30.000, sondern vielleicht nur 3.000 Kilometer im Jahr zurücklegen und das zum grossen Teil im urbanen Umfeld. Ja, auch solche, die es vielleicht nur des Image wegen machen, aber jeder wie er will.

Komfortables Fahrwerk, unbequemer Sitz

Der schlanke Tank fasst gerade mal 13,5 Liter, bei einem Verbrauch von locker unter 5 Liter kommt man aber sogar damit recht weit. Der Lenker ist deutlich weiter unten und vorne montiert als bei der Icon, wodurch die Sitzposition nicht unbequem, doch spürbar sportlicher wird. Wer vergisst, die Handgelenke durch eine stabile Körpermitte zu entlasten, dem schlafen eventuell auch die Pratzen ein wie mir. Und der Hintern. Denn der Sitz selbst ist speziell für Männer unbequem, nur das komfortabel abgestimmte Fahrwerk lindert die Schmerzen nach 150 km etwas. Und beim Halten heizt der Motor kräftig die Oberschenkelinnenseiten, ein Café Racer ist eben kein Stressless-Fauteuil.

Nur eine Bremsscheibe vorne reicht dem Cafe Racer im Normalbetrieb

Gut zu dosieren ist die Bremse mit radialem Bremszylinder, die Performance von einer 330 mm Bremsscheibe mit Brembo Monoblock M4.32 Bremszange mit 4 Kolben reicht für die konsequente Attacke aber nicht ganz aus. Für Ernstfälle ist ein Bosch-ABS an Bord. Das Kayaba-Fahrwerk ist nur am links montierten Federbein in der Vorspannung einstellbar. Als Ausgleich zum dezentralen Dämpfer ist übrigens die runde Instrumenteneinheit mit LC-Display rechts neben dem Zündschloss montiert. Für mich sowohl von der Position als auch von der Anzeige da muss einfach ein analoger Drehzahlmesser her keine zufriedenstellende Lösung. Dafür bekommt man an den Lenkerenden montierte Spiegel, die einen klaren Blick nach hinten gewähren, und eine Sitzbankabdeckung serienmässig dazu.

17 Zöller, Speichenfelgen in Arbeit

Bereift sind die 17-Felgen, zu denen es auch bald eine klassische Alternative geben wird , sportlich mit Pirelli Diablo Rosso II in den Dimensionen 120/70-17 und 180/55-17. Durch den niedrigeren Lenker, den steileren Lenkkopfwinkel und den kürzeren Radstand ist es keine Überraschung, dass sich die Scrambler Café Racer ähnlich fährt wie eine Monster. Beim Einlenken leicht bockig, darf man sie, speziell wenn die Kurven enger werden, nicht nur über den Lenker fahren, sondern sollte immer schön den Popo mitbewegen. Ich brauchte diesmal tatsächlich 100 km, bis ich die Harmonie mit diesem Motorrad fand. Leider begann zeitgleich mein Arsch wehzutun. Ich hatte mir weniger Sportlichkeit erwartet, als ich schliesslich bekommen habe, dann aber doch den Fehler gemacht, diese Ducati mit einem Performance-Nakedbike zu verwechseln. Sie liegt mittendrin, zwischen Espresso und Café Latte.

Nur in Schwarz

Derzeit ist der Café Racer nur in Schwarz erhältlich. Mit seinen goldenen Felgen würde er sich hervorragend für eine John Player Special Edition anbieten. Wird wohl nicht passieren. Die Seitenpanele am Tank lassen sich tauschen und das Motorrad um viele Zubehörteile erweitern. Aber auch im Serienzustand ist dieser Scrambler wieder ausserordentlich gut gelungen, italienische Designkunst eben. Ein weiteres Ausstellungsstück für die Art Gallery.

Fazit: Ducati Scrambler Cafe Racer 2017

Die Scrambler-Palette ist zu einer Modellfamilie angewachsen, die von der Enduro bis zum Café Racer reicht. Somit kann Ducati seine Submarke eigenständig führen und einen kompletten Lifestyle, der vom Zubehör- und Bekleidungsangebot bis zur "Food Factory" reicht, die Ducati in mehreren Ländern etablieren will.


  • wunderschönes Design
  • druckvoller Motor
  • drehzahlarmes Fahren möglich
  • guter Sound
  • Zubehör- und Bekleidungsprogramm
  • nur eine Farbe
  • nur eine Bremsscheibe vorne
  • unbequemer Sitz
  • Gabel etwas zu weich

Bericht vom 16.04.2017 | 95'933 Aufrufe

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